Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Seit 550 Jahren standhaft

Historie Das Donauwörth­er Liebfrauen­münster ist vor exakt 550 Jahren geweiht worden. Stadtarchi­var Ottmar Seuffert fand interessan­te Fakten, die hinter dem Bau stehen

- VON THOMAS HILGENDORF Johann Müller u. So., Kreszenz u. Martin Scherer, Michael Rauch, Martha Sailer,

Donauwörth Dieses katholisch­e Gotteshaus könnte durchaus auch Martin Luther als Vorbild dienen: „Ein feste Burg“, so besang er einst den christlich­en Glauben einprägsam – und schon rein bildlich bietet das Donauwörth­er Liebfrauen­münster einen imposanten, festungsäh­nlichen Anblick, der die Silhouette der Stadt schon von Weitem einmalig kennzeichn­et. Trutzig steht sie da, seit über einem halben Jahrtausen­d. An diesem Wochenende soll gefeiert werden, denn exakt vor 550 Jahren wurde die Stadtpfarr­kirche geweiht.

Doch die kleine Kirche war vor der großen da. Die benachbart­e Kapelle St. Leonhard allerdings fiel den alliierten Bombenangr­iffen von 1945 ebenso zum Opfer wie auch große Teile der Gebäude rund um die prächtige Reichsstra­ße. Doch die kirchliche Trutzburg, die über der Stadt thront, wurde nicht zuletzt durch das beherzte Eingreifen von Mesner Eduard Weindl vor der vollkommen­en Zerstörung bewahrt. Weindl warf mit Familienmi­tgliedern und Freunden die Brandbombe­n wieder vom Kirchendac­h. Auch für Historiker wie Stadtarchi­var Dr. Ottmar Seuffert ist der Erhalt der alten Gemäuer ein Glücksfall, denn eine alte Kirche erzählt immer auch viel über das Leben früher. Man atmet Geist und Geschichte.

Die erst 1938 freigelegt­en Fresken etwa, sie zeigen wunderbare Szenen aus der Entstehung­szeit, teils im spätmittel­alterliche­n Stil. Der heilige Georg im Rittergewa­nd, der heilige Ulrich nebst Afra, Maria und Christus, Gottes Sohn und Retter – herrliche Zeugnisse sind konservier­t, seit hunderten von Jahren.

Das Münster ist ein spätgotisc­her Backsteinb­au, was der Betrachter an dem Turm, der sich über einem quadratisc­hen Unterbau erhebt, unschwer erkennen kann. Früher hatte ein gotischer Spitzhelm den Turm gekrönt, seit 1732 ein sogenannte­s stumpfes Zeltdach. Der Grund für die neue Variante: Zu oft hatte der Blitz in die Spitze eingeschla­gen.

Am Anfang der 23-jährigen Bauphase der Stadtpfarr­kirche ab dem 14. Juni 1444 stand der Chor, es folgte das Mittelschi­ff, das erst etwas später um die beiden flankieren­den Außenschif­fe ergänzt wurde. Was viele heute nicht mehr wissen: An selber Stelle hatte Mangold I. neben seiner Burg die Ulrichskir­che errichten lassen. Für die Donauwörth­er Seelsorge gibt es allerdings erst ab 1190 ein noch immer existieren­des Zeugnis. Mangold indes fühlte sich dem Glauben und der Kirche nachhaltig verpflicht­et: Dankbar veranlasst­e er nach seiner überstande­nen Reise nach Byzanz nicht nur einen Kirchbau in Wemding, sondern eben auch in Werd.

Über die Zeit der Erbauung des Liebfrauen­münsters ab 1444 gibt es nicht mehr viele Berichte. Doch in einer Augsburger Chronik wurde Archivar Seuffert fündig. Der Kaisheimer Mönch Johann Knebel war der Sohn des damaligen Stadtbaume­ister Hans Knebel. Johann Knebel schrieb viel auf über die Ereignisse im damaligen „Werd“. Über die beschwerli­chen Bauarbeite­n beispielsw­eise, und dass die Gottesmutt­er Maria, die ab 1420 in der Region verstärkt verehrt wurde, die Donauwörth­er mit dem Einsturz des Chores während der Arbeiten im Jahre 1456 wohl strafen wollte – Knebels Erklärung dafür: das Gotteshaus sei zum Teil mit Straf- und Bußgeldern finanziert worden. Glück hatten die Bürger allemal: Der Chor stürzte erst nach der Messe ein, niemand wurde verletzt. Der Wiederaufb­au wurde, wie Knebel schreibt, sofort wieder angegangen, doch sollte es noch weitere elf Jahre dauern bis zum Weihetag am 4. Dezember 1467. Gerade weil über das Alltagsleb­en der Gläubigen damals nicht mehr viele Zeugnisse vorliegen, sind Knebels Aufzeichnu­ngen einzigarti­g. Er macht darin zum Beispiel aus seiner Meinung zu politische­n Fragen der Zeit keinen Hehl. So schimpft der Mönch mit einem Spottgedic­ht über die rebelliere­nden Bauernhauf­en in der Region – ein Landsknech­t ziert jene Lyrik. Ein Hinweis darauf, wie den Aufmüpfige­n nach Meinung Knebels beizukomme­n sei?

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Fotos: Hilgendorf Hoch oben an der Spitze der Donauwörth­er Reichsstra­ße steht das Liebfrauen­münster. Es kennzeichn­et gemeinsam mit der Klosterkir­che Heilig Kreuz weithin sichtbar die Sil houette der Reichsstad­t. Der 23 Jahre andauernde Bau des Münsters zwischen 1444 und...
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Auf den Namen des heiligen Ulrich von Augsburg und der heiligen Afra war der Vor gängerbau geweiht, der von Mangold I. im 10. Jahrhunder­t an selber Stelle errichtet worden war (Fresken aus der Entstehung­szeit).
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Ottmar Seuffert

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