Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Holz wächst mit seinen Aufgaben
Architektur Bauen mit dem wohl natürlichsten Rohstoff ist beliebt – und dringt in immer neue Sphären vor
zu Buche. Das Material hat gute Recyclingeigenschaften und kann in der Kaskadennutzung mehrmals in verschiedenen Aggregatszuständen (beispielsweise Massivholz – Brettschichtholz – Spanplatte) eingesetzt werden, bevor es thermisch verwertet und so schadstoffarm entsorgt wird und die eingespeicherte Sonnenenergie wieder sinnvoll freisetzt.
Emissionen wie Baulärm und Staubentwicklung reduzieren sich im Falle eines Holzbaus wesentlich, was für das Bauen in der Stadt von Vorteil ist. Holzgebäude sind heutzutage weitgehend im Werk vorgefertigt und können daher in kurzer Zeit vor Ort montiert werden. Das ist beim Neubau ein qualitätssteigernder Faktor, beim Bauen im Bestand multipliziert sich dieser Vorteil: Modernisierungen von Wohnhäusern im bewohnten Zustand, Schulsanierungen in den Sommerferien werden so erst möglich. So kann die Bauweise Nutzern große persönliche Belastungen, Bauherren finanzielle Aufwendungen für Ersatzmaßnahmen sparen.
Mit der Ausnahme von Fertighäusern großer Hersteller, die das Potenzial der industriellen Fertigung voll ausschöpfen, sind hochwertige Holzgebäude derzeit nicht günstiger als konventionelle Gebäude zu erstellen: Die hohen Anforderungen an Schallschutz und Brandschutz sind im Holzbau sehr gut zu erfüllen, erfordern aber zusätzlichen Die Planung von individuellen Holzgebäuden erfordert Expertise und Sorgfalt. Noch haben Mehrgeschosser und größere Bestandserweiterungen zu sehr Prototypencharakter, eine architekturfreundliche und Varianz zulassende Standardisierung der Lösungen wäre da oft hilfreich.
Die Entwicklung schreitet voran
Viele sehen in der Weiterentwicklung von modularisiertem, vorgefertigtem Bauen mit Holz auch großes Potenzial für einen ökonomisch interessanten Beitrag zum leistbaren Wohnen. Ein überzeugendes Beispiel dafür ist das Projekt „Wohnen für Alle“am Münchner Dantebad, das hochwertig gestalteten, kostengünstigen und extrem schnell zur Verfügung stehenden Wohnraum für Studierende, Flüchtlinge und bis dato Obdachlose kreierte. Die großen Holzbau-Unternehmer und Fertighaus-Hersteller haben das Thema mehrgeschossiges Wohnen in Holz längst für sich entdeckt und stecken viel Energie in die Systementwicklung für urbane Wohnbauten vom einfachen bis zum gehobenen Standard.
Auch die Politik reagiert: In Baden-Württemberg folgt seit 2015 die Landesbauordnung ein Stück weit der im Holzbau führenden Schweiz und öffnet das Material für den Einsatz bis zur Hochhausgrenze. Auf dem Gelände der ehemaligen Prinzsitiv Eugen-Kaserne im Münchner Osten entsteht ein neues Stadtquartier, das neben konventionellen Bauten eine ökologische Mustersiedlung mit 490 Wohnungen und der zugehörigen Infrastruktur in Holz- und Holzhybridbauweise vorsieht. Damit entsteht ein Portfolio für den urbanen Holzbau mit attraktiven, zum Teil bis zu siebengeschossigen Gebäuden in Holzbauweise.
In der Fachwelt wird übereinstimmend der Mangel an mit dem Holzbau vertrauten Ingenieuren und Architekten als ein Nadelöhr für die weitere Entwicklung der Holzbaukultur in Süddeutschland gesehen. Auch die vollbeschäftigten Holzbau-Unternehmen sind derzeit auf der Suche nach hochqualifizierten Zimmerern.
In der Planung von Holzbauten kommt es auf ein sinnvolles Ineinandergreifen des Know-hows der verschiedenen Disziplinen an. Daraus entstand die Idee eines berufsbegleitenden Studiengangs am Weiterbildungszentrum der Hochschule Augsburg. Hier werden seit Oktober Bauingenieure, Architekten und Zimmerer, zum Teil mit frischem Bachelor- oder Masterabschluss oder Meisterbrief, zum Teil mit jahrzehntelanger Berufserfahrung in dialogorientierten Kursen auf den neuesten Stand in Sachen Holzbau gebracht. Grundlagen zum Material, vertieftes Wissen zu den entscheidenden Themen HolzAufwand. architektur, Tragwerk, Brand- und Schallschutz, Energie und Detailentwicklung werden vermittelt und diskutiert. So soll in der Region Augsburg und darüber hinaus der schon jetzt kompetent vertretene Holzbau einen zusätzlichen Impuls erhalten. Der Autor, Prof. Dipl. Ing. Wolfgang Huß, betreut an der Fakultät Architektur und Bauwesen der Hochschule Augsburg das Fachgebiet Industrialisiertes Bauen und Fertigungstechnik. I
Weitere Informationen www.hs augsburg.de/holzbau