Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Einer von den Guten
Porträt Walter Sittler spielt keine Bösewichte und liefert keine Skandale. Trotzdem ist er nicht langweilig. Auch im Rentenalter hat er noch Ziele – beruflich und privat
Ein Bösewicht wird Walter Sittler nicht mehr. Lehrer hat er gespielt, Familienväter, einen Chefarzt natürlich. Und aktuell flimmert der grau melierte Schauspieler als deutscher Ermittler der Schwedenkrimi-Reihe „Der Kommissar und das Meer“über die Mattscheibe. Ganz ohne BösewichtRollen hat der einst als Schwiegermutter-Liebling belächelte WahlStuttgarter seinen Platz im deutschen Fernsehen gefunden. Seine langjährige Weggefährtin Mariele Millowitsch schätzt den smarten 1,94-Meter-Mann als „echten Teamplayer“, „total uneitel“. Über Jahre spielten beide in der GrimmePreis-gekrönten Arztserie „Nikola“– sie als Krankenschwester, er als Chefarzt. „Er muss nicht um jeden Preis im Vordergrund stehen“, sagt Millowitsch. Diszipliniert sei der Kollege, nie unvorbereitet.
Walter Sittler kommt als jüngstes von acht Kindern 1952 in Chicago zur Welt. Sein Vater, ein US-amerikanischer Anglistik- und Germanistikprofessor, und seine Mutter, eine deutsche Lehrerin, hatten sich dort in den 40er Jahren niedergelassen. Als Walter sechs Jahre ist, geht es nach Deutschland. Hier wächst er in Internaten auf, unter anderem im Schloss Salem am Bodensee. Arzt wollte er werden, irgendwann in den 70ern jedoch fängt er Feuer für die Schauspielerei. Engagements in Mannheim und Stuttgart manifestieren seinen Lebensweg. Sittler ist auch ein politischer Mensch. Von jeher. „Grünennah“, sagt er selbst und fügt hinzu: „In Baden-Württemberg stimmt das auf jeden Fall, auf Bundesebene passt SPD-nah besser.“Auf Vorschlag der Sozialdemokraten war er Wahlmann bei Bundespräsidentenwahlen. Sittler ist gern gesehener Gast in Talkshows, will aber selbst keine Politik machen. Skandale hat Sittler nicht zu bieten. „Ich weiß, das macht mich langweilig“, feixt er gerne. Seit über 30 Jahren ist er mit der Filmemacherin Sigrid Klausmann verheiratet, sie haben drei erwachsene Kinder. Alle drei sind längst aus dem Haus, haben wie ihre Eltern kreative Berufe. Wird er gefragt, ob er sich deshalb keine Sorgen um ihre Zukunft mache, antwortet Sittler stets: „Nein. Die machen das schon.“Und, ob er nicht gerne Opa wäre? „Ich würde mich nicht wehren.“Und seine eigene Zukunft? „So lange mich jemand will, mache ich weiter“, sagt er über das Rentenalter 65, das er morgen erreicht haben wird. Etwas öfter daheim in Stuttgart zu bleiben, sei aber schon ein Wunsch für die nächsten Jahre. Auch Solo-Bühnenprogramme wie „Als ich ein kleiner Junge war“über die Kindheit des Autors Erich Kästner will er weitermachen. Ebenso wie die gemeinsame Arbeit mit seiner Ehefrau an Dokufilmen. Für ihr Projekt „199 kleine Helden“, in dem beide Kinder aus 199 Ländern auf ihren Schulwegen porträtieren, ist sie sogar an seinem Geburtstag unterwegs. Sittler freut sich auf einen „Vater-Tochter-Tag“. Seine Jüngste kommt aus Schweden zu Besuch.