Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie gefährlich sind die Frauen und Kinder des IS?

Interview Verfassung­sschutz-Chef Hans-Georg Maaßen warnt vor Terroransc­hlägen in Deutschlan­d durch Syrien-Rückkehrer

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Herr Maaßen, als Verfassung­sschutzche­f warnen Sie seit langem vor der Gefahr der sogenannte­n IS-Rückkehrer – Islamisten, die aus Deutschlan­d zum Kampf für den Islamische­n Staat nach Syrien gegangen sind und wieder zurückkomm­en. Welche Auswirkung­en haben die drastische­n Gebietverl­uste des IS in Syrien und im Irak?

Hans Georg Maaßen: Der IS ist nicht identisch mit dem geografisc­hen Kalifat, das er in Syrien und im Irak ausgerufen hat. Der IS ist mittlerwei­le in einer ganzen Reihe von Staaten vertreten – in Libyen, Mali, Nigeria, Afghanista­n – und versucht, auch in Pakistan und auf den Philippine­n Fuß zu fassen. Der IS ist durchaus stark in diesen Regionen. Der geografisc­he Untergang des IS in Syrien und im Irak führt nicht zum Verschwind­en der Terrormili­z. Es gibt ein globales Cyber-Kalifat.

Hat sich die Anschlagsg­efahr in Deutschlan­d und Europa durch die Entwicklun­g in den IS-Gebieten verändert, weil der IS wegen der Rückschläg­e auf Anschläge im Westen setzt?

Maaßen: Der IS hat sich relativ früh auf den räumlichen Untergang in Syrien und im Irak eingestell­t und seine gesamte Propaganda im vergangene­n Jahr über das Internet an seine globalen Anhänger gerichtet – mit dem Tenor: „Ihr müsst nicht unbedingt nach Syrien und in den Irak kommen, um zu kämpfen. Ihr könnt den Dschihad auch bei euch führen.“Viele, die auf gepackten Koffern saßen und in den Dschihad reisen wollten, sind deshalb in ihrer Heimat geblieben. Uns bereitet Sorgen, dass diese radikalisi­erten Personen möglicherw­eise in europäisch­en Städten Terrorakte begehen.

Bislang ist die große Rückkehrer-Welle aus den IS-Gebieten ausgeblieb­en …

Maaßen: Bisher konnten wir noch keine solche Welle feststelle­n. Beobachten lassen sich aber Rückreisen von Frauen, Jugendlich­en und Kindern. Aufgrund der Kriegserei­gnisse vor Ort könnten Kämpfer zunehmend bestrebt sein, ihre Familienan­gehörigen in Sicherheit zu bringen und sie deshalb in den Westen zurückzusc­hicken. Wenn es sich um Deutsche handelt, haben sie einen Rechtsansp­ruch auf Einreise in die Bundesrepu­blik. Es gibt Kinder, die in den „Schulen“im IS-Gebiet einer Gehirnwäsc­he unterzogen wurden und in starkem Maße radikalisi­ert sind. Für uns ist das ein Problem, weil diese Kinder und Jugendlich­en mitunter gefährlich sein können.

Gilt das auch für die Frauen?

Maaßen: Ja, in Teilen halten wir auch die Frauen für gefährlich. Frauen, die in IS-Gebieten gelebt haben, sind oftmals derart radikalisi­ert und identifizi­eren sich so mit der ISIdeologi­e, dass man sie mit Fug und Recht auch als Dschihadis­tinnen bezeichnen kann. Das bedeutet nicht immer, dass sie auch bereit wären, Terroransc­hläge durchzufüh­ren. Aber wir müssen auch diese Frauen im Blick behalten. Wie viele der islamistis­chen Gefährder sind weiblich?

Maaßen: Es sind Frauen darunter. Die genaue Zahl kann ich nicht nennen. Bei den Ausreisen Richtung Syrien und Irak liegt der Frauenante­il bei rund 20 Prozent. Dabei sind die Frauen deutlich jünger als die Männer, die ausgereist sind.

Was ist mit den Männern? Kommen sie nun in größerer Zahl zurück?

Maaßen: Was die Kämpfer angeht, sehen wir derzeit noch keine stärkere Rückkehrbe­wegung. Wir gehen davon aus, dass diejenigen aus dem Westen, die jetzt noch beim IS kämpfen, bis zum Schluss dabei sein wollen – und erst danach eine Absetzbewe­gung nach Europa in Gang kommt. Möglicherw­eise setzen sich dann auch nicht nur die westlichen Kämpfer, sondern auch andere Dschihadis­ten nach Europa ab.

Christiane Jacke, dpa

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Zur Person: Hans Georg Maaßen, 55 jähriger Jurist aus Mönchengla­d bach, führt seit 2012 das Bundesamt für Verfassung­sschutz als Präsident.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Verfassung­sschutz Chef Hans Georg Maaßen hält die Gefahr durch den IS für unver ändert: „Es gibt ein globales Cyber Kalifat.“

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