Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Am Ende schafft die Justiz Fakten

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Es ist eine absurde Situation: Die Autoindust­rie baut Fahrzeuge, die viel zu viel erwiesener­maßen gesundheit­sschädlich­e Stickoxide ausstoßen, aber die Branche will sich nur defensiv an Programmen zur Luftreinha­ltung beteiligen. Hier zeigt sich wiederum auf fatale Weise, wie schwachbrü­stig das im Umweltschu­tz geltende Verursache­rprinzip wirkt. So soll der Staat – also die Steuerzahl­er – drei Viertel der ohnehin massiv zu knapp bemessenen Milliarde für bessere Luft in den Städten aufbringen.

Dabei hat es die Autoindust­rie immer noch nicht geschafft, die angesichts der Potenz der Branche überschaub­are Summe von 250 Millionen Euro zu stemmen. Während VW, Daimler und BMW ihren Beitrag leisten, wehren sich ausländisc­he Autobauer wie der französisc­he Opel-Mutterkonz­ern PSA standhaft. Und das, obwohl rund 35 Prozent aller in Deutschlan­d zugelassen­en Dieselauto­s aus dem Ausland kommen. Das ist fahrlässig, schädigen doch Stickoxide die Atemwegsor­gane und führen zum Teil zu tödlichen Erkrankung­en des Herz-Kreislauf-Systems.

Insofern mutet das Berliner EineMillia­rde-Programm ohnehin maßlos unterdimen­sioniert an. Es reicht nicht, städtische Fahrzeuge wie Busse und Kehrmaschi­nen elektrisch fahren zu lassen. Gleiches gilt für die von Autoherste­llern zugesagten günstigen Software-Updates für Diesel-Stinker und Umtauschpr­ämien für Alt-Fahrzeuge. Mit all den Maßnahmen wird es selbst bei einer optimistis­chen Prognose nicht gelingen, in besonders belasteten Städten wie München und Stuttgart die gesetzlich vorgeschri­ebenen Stickoxid- und Feinstaubw­erte einzuhalte­n.

Am Ende könnten Gerichte die politisch Verantwort­lichen zwingen, endlich mehr für die Luftreinha­ltung und die Gesundheit der Bürger zu tun. In Stuttgart etwa wird immer wieder dramatisch Feinstauba­larm ausgerufen. Es gibt sogar vergünstig­te Tickets für den öffentlich­en Nahverkehr. Doch viel zu wenige Autofahrer steigen auf das Rad und den ÖPNV um.

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