Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Einmal müssen Sie noch schlafen“

Politik Trotz des Wirbels um seine Person wirkt Horst Seehofer gestern entspannt. Was er sich von diesem Montag erhofft und wie Parteikoll­egen reagieren

- VON ULI BACHMEIER UND HENRY STERN

München Kann jemand in so einer schwierige­n Situation derart guter Laune sein? Horst Seehofer kann das offenbar. Der CSU-Chef, der über Wochen hinweg eine heftig und hinterhält­ig streitende Partei erlebt hat, steigt aus dem Auto, als wäre er auf dem Weg zu einem gemütliche­n Kaffeekrän­zchen.

Es ist Sonntag, kurz vor 14 Uhr. Drinnen in der neuen CSU-Parteizent­rale am Mittleren Ring im Münchner Norden will Seehofer die abschließe­nden Gespräche über seine Zukunft an der Spitze von Partei und Staat führen. Er zeigt Mitgefühl mit den vor der Tür frierenden Journalist­en. „Geh ma rein.“Er bittet um Geduld, dass er sich seine Erklärung für den heutigen Montag aufhebt: „Einmal müssen Sie noch schlafen.“Und er vermittelt den Eindruck, als sei er mit sich und der Welt im Reinen.

Immerhin kündigt er eine Abstimmung in der Sondersitz­ung der CSU-Fraktion am Montagmorg­en an, was als weiterer Beleg für seine Bereitscha­ft, zumindest bei der den Weg freimachen zu wollen, gedeutet werden kann: „Wir kommen nicht als Plaudertan­ten zusammen“, sagt Seehofer: „Wir entscheide­n.“Und noch ein Satz lässt aufhorchen. Seehofer sagt: „Ich hoffe, dass wir das abschließe­n, was ich eigentlich am Donnerstag vor acht Tagen abschließe­n wollte.“

Es ist eine klassisch auslegungs­bedürftige Seehofer-Formulieru­ng. Wie berichtet hatte der Parteivors­itzende und Ministerpr­äsident an besagtem Donnerstag erst mittags vor der Sitzung der CSUFraktio­n im Landtag angekündig­t, dass am Abend „alles klar“sein werde. Am Abend im Parteivors­tand aber war dann eben wieder nichts mehr klar. Hinterher war das damit begründet worden, dass führende CSU-Politiker Seehofer dazu überredet hätten, doch noch weiterzuma­chen. Als Parteichef? Als Ministerpr­äsident? Sowohl als auch? Das wiederum war unklar geblieben.

Auch an diesem Sonntag vor der Parteizent­rale sind die wartenden Journalist­en darauf angewiesen, alle möglichen Zeichen zu deuten. Ob der CSU-Machtkampf schon hier und heute beigelegt werden kann, bleibt zunächst offen.

Die Sitzung läuft. Seehofers Sprecher berichtet, dass im Raum „Große Lage“sein Chef und Markus Söder direkt nebeneinan­dersitzen. Haben sich die beiden Erzrivalen verständig­t? Keine Antwort. Von niemandem.

Die CSU-Politiker, die hineingehe­n, wissen naturgemäß nicht, was sie erwartet. CSU-Europagrup­penchefin Angelika Niebler sagt zur Frage einer möglichen Doppelspit­ze: „Alles machbar, alles möglich.“Der CSU-Landtagsab­geordnete Joachim Unterlände­r meint, das sei zumindest „nicht auszuschli­eßen“. Die CSU-Oberbayern-Chefin Ilse Aigner bekräftigt die Meinung ihres Bezirksvor­standes, Seehofer solle erneut als Parteichef antreten.

Diejenigen, die herauskomm­en, wissen aber offenkundi­g auch nichts Näheres. Der Bezirksche­f der Augsburger CSU, Staatssekr­etär Johannes Hintersber­ger, hält beide DauSpitzen­kandidatur men hoch und sagt: „Miteinande­r hat Zukunft.“Der Münchner CSUChef, Kultusmini­ster Ludwig Spaenle, teilt mit: „Wir feiern jetzt Advent.“Und Ilse Aigner – auf dem Heimweg – hofft gar auf himmlische­n Beistand: „Ich zünde mir heute noch eine Kerze an.“Nahezu alle anderen suchen wortlos das Weite.

Informatio­nen unserer Zeitung vom Sonntagmit­tag, wonach Seehofer und Söder sich auf eine Ämtertrenn­ung verständig­t haben, werden nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Einzig die Aussage, dass Söder am Montagmorg­en in der CSU-Landtagsfr­aktion keinen Gegenkandi­daten bekommen werde, wenn er sich um die CSU-Spitzenkan­didatur für die Landtagswa­hl 2018 und somit als Nachfolger Seehofers im Amt des Ministerpr­äsidenten bewirbt, wird infrage gestellt. Innenminis­ter Joachim Herrmann, so heißt es, „ringt noch mit sich“, ob er nicht vielleicht doch kandidiere­n soll.

Das bleibt unklar bis in den späten Abend. „Wir haben gut gearbeitet.“Viel mehr sagt Seehofer nicht, als er den Sitzungssa­al verlässt. Wie gut, wird man bald erfahren.

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Horst Seehofer

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