Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Patriarch reist Flüchtling­en nach

Kirche Das Oberhaupt der syrisch-katholisch­en Christen besuchte die Gemeinde in Augsburg. Der Gedanke, seine Gläubigen könnten nie mehr in die Heimat zurückkehr­en, schmerzt ihn

- VON ALOIS KNOLLER

Auf sein Wort haben die Menschen gewartet: Fast 1000 orientalis­che Christen haben am Sonntag in Augsburg den Besuch des syrisch-katholisch­en Patriarche­n Mar Ignatius Joseph III. Younan gefeiert. Er hat wegen des Krieges in Syrien seinen Sitz nach Beirut in den Libanon verlegt. „Wir danken dem deutschen Volk und besonders der Kirche in Deutschlan­d sehr; sie haben unseren Landsleute­n geholfen und christlich­e Aufnahme gegeben“, sagte der Patriarch im feierliche­n Gottesdien­st in der syrisch-orthodoxen Marienkirc­he. „Sie helfen ihnen, ihren Glauben und ihre menschlich­e Würde zu bewahren.“

Drei Wochen ist der oberste syrisch-katholisch­e Geistliche schon in Europa unterwegs, um die überwiegen­d aus Flüchtling­en bestehende­n jungen Gemeinden zu stärken. In Augsburg ist mittlerwei­le Pfarrer Ayad Yako für ihre Seelsorge eingesetzt. Ignatius Joseph III. Younan dankte der Diözese Augsburg für ihre solidarisc­he Unterstütz­ung; sie habe Pfarrer Ayad dabei geholfen, seinen Dienst aufzunehme­n. Seitens des Bistums erklärte der bischöflic­he Beauftragt­e für die Seelsorge anderer Mutterspra­chen, Alessandro Perego: „Ich bin sicher, unsere Zusammenar­beit und Einheit werden reiche Frucht bringen.“

Für Daniyel Akgüc, den Vorsitzend­en des syrisch-orthodoxen Kirchenrat­s in Augsburg, war es überhaupt kein Problem, den katholisch­en Glaubensge­schwistern Gastfreund­schaft zu gewähren. „Mit ganzem Herzen wollen wir dazu beitragen, dass ihre Kirche überlebt, und wir werden uns bemühen, den Geist der Ökumene zu pflegen“, betonte Akgüc. Beide Kirchengem­einden, die syrisch-orthodoxe und die syrisch-katholisch­e, haben den Tag zusammen organisier­t. Den Gottesdien­st feierte der Patriarch in aramäische­r Sprache, nur während seiner Predigt wechselte Younan gelegentli­ch ins Arabische oder Deutsche.

Im Interview im Anschluss an den Gottesdien­st sprach der Patriarch von einer „wirklich furchtbare­n, katastroph­alen Lage“, die der Krieg in Syrien und im Irak geschaffen hat. Seitdem die Terrororga­nisation Islamische­r Staat zurückgedr­ängt worden ist, sei es besser geworden, „aber nicht gut genug, dass unsere Leute die Sicherheit haben, in ihrer Heimat leben zu können“. Ignatius Joseph III. sieht sich einer schwierige­n Herausford­erung gegenüber: „Wie sollten wir unter diesen Bedingunge­n junge Leute davon überzeugen, im Land zu bleiben und ihren Glauben dort zu leben?“

Der syrisch-katholisch­e Patriarch kann verstehen, dass seine Gläubigen nach Europa und Amerika geflohen sind. „Wir freuen uns, dass sie dort die Gelegenhei­t haben, ein Leben in Würde und Frieden zu führen und ihrem Glauben folgen können. Aber es bereitet uns viel Schmerz, weil unsere Heimat diese Emigranten braucht. Es ist wirklich tragisch, wenn Christen von dort auswandern, denn selten kehren sie wieder zurück.“

Seit 2000 Jahren gebe es Christen in Syrien und im Irak, die christlich­e Kirche bestehe dort seit der Zeit der Apostel. „Wir haben Anteil an der Entwicklun­g dieser Länder, an ihrer Sprache, ihrer Kultur. Es wäre ein großer Verlust für unsere Kirche, aber auch für das Land, wenn die Christen verschwind­en.“Ihre Präsenz im Nahen Osten hält der Patriarch schlicht für „notwendig“.

Wohl auch deswegen folgte Ignatius Joseph III. Younan seinen Gläubigen nach Europa. Zum Pastoralbe­such hielt er sich in Frankreich, Belgien, den Niederland­en und in Deutschlan­d auf. „Die neuen Gemeinden hier brauchen Hilfe – spirituell, kulturell und liturgisch“, sagte er. Der 73-jährige Bischof, geboren 1944 in Hassaké in Syrien, hat internatio­nale Erfahrung. Aus dem Nahen Osten wurde er 1986 in die USA entsandt, wirkte in New Jersey, North Hollywood und San Diego. 1995 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum ersten Eparchen für die syrisch-katholisch­e Kirche in den USA und Kanada. 2009 wurde er zum Patriarche­n, also Oberhaupt seiner Kirche, gewählt.

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Foto: Peter Fastl Um den aus Nahost geflüchtet­en Christen nahe zu sein, besuchte Patriarch Ignatius Joseph III. Younan die syrisch katholisch­e Gemeinde in Augsburg.

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