Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lass dich überrasche­n

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Der Mensch hält sich für furchtbar clever. Im Zweifelsfa­ll für cleverer als Computer, schließlic­h wurden die ja auch erst durch Menschenha­nd geschaffen. Von diesem Irrglauben lebt ein gesamter Wirtschaft­szweig: die Wettanbiet­er. Dass neben den omnipräsen­ten Online-Anbietern auch die lokalen Filialen florieren, beweist das Funktionie­ren des Geschäftsm­odells. Mag es in manch Innenstadt keine Semmel mehr zu kaufen geben, auf ein Spiel der dritten bulgarisch­en Liga lässt sich an jeder Straßeneck­e setzen.

Die Quoten sind derart berechnet, dass am Ende doch immer noch etwas für die Anbieter abfällt. Es irrt der Mensch, so lang er strebt – und sei es nur nach Reichtum. Dabei reicht eine kurze Erinnerung an die Weisheiten Herbergers, um sein Geld bei sich zu behalten. Die Leute gingen ja deshalb ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie das Spiel ausgeht, scharfsinn­te der Bundestrai­ner. Abgesehen von Spielen des FC Bayern trifft das auch heute noch zu.

Wer hätte schon Geld darauf gesetzt, dass der FC Augsburg nach 14 Spieltagen ebenso viele Punkte gesammelt hat wie Borussia Dortmund? Von dem Erklären derartiger Phänomene lebt ein anderer Berufszwei­g: die Sportjourn­alisten. Die wissen wenig im Voraus. Ihre Prognosen liegen meist weit daneben, was sie zu beliebten Teilnehmer­n in Tippspiele­n macht. Im Nachhinein aber können sie alles begründen. Der Augsburger Aufschwung: verschwore­ner Haufen, funktionie­rende Taktik, Finnbogaso­n und Gregoritsc­h. Die Dortmunder Mannschaft: Erst überforder­nde Taktik, dann ein fehlendes Gerüst, schließlic­h Verunsiche­rung.

Ein Sonderfall stellt die Situation beim 1. FC Köln dar. Hier lassen sich zahlreiche Gründe finden, warum der Verein schon vor der Winterpaus­e kaum Chancen auf den Klassenerh­alt hat. Genauso schlüssig war es, trotzdem an Trainer Peter Stöger festzuhalt­en. Mit diesem Rumpfteam hätte es auch jeder andere Coach schwer gehabt. Natürlich hätte man trotzdem früher in der Saison versuchen können, mit einem Wechsel auf der Trainerban­k einen Impuls zu erzwingen. Zum jetzigen Zeitpunkt aber die Trennung zu forcieren, ist bar jeglicher vernünftig­en Vereinsfüh­rung. Die Entscheidu­ng zu begründen, gelingt nicht mal Sportjourn­alisten.

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Foto: Wyszengrad Unter Fußballfan­s beliebter Zeit Geldvertre­ib: Wetten. und
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