Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gans Roberta wird zum Fall für die Justiz

Prozess Eine Gnadenhof-Chefin soll Tiere nicht korrekt gehalten haben. Sie liegt im Clinch mit dem Amt

- VON KLAUS UTZNI

Auf den „Kronzeugen der Anklage“muss die Justiz in diesem Fall verzichten. Denn er hätte dem Gericht ohnedies nur etwas vorgeschna­ttert. Richterin Birgit Geißenberg­er soll Licht in das Dunkel der Lebensverh­ältnisse von Gans Roberta und etlicher weiterer Zwei- und Vierbeiner bringen, die ihren Lebensaben­d auf einem Augsburger Gnadenhof verbringen. Im Saal 141, wo die Richterin in Wirtschaft­ssachen sonst über Steuerhint­erzieher, Pleitiers und Sozialbetr­üger richtet, wird jetzt heftig um die Nutztierha­ltung oder die Auslegung des Viehverkeh­rsgesetzes gerungen.

Die Stadt Augsburg hat zum wiederholt­en Mal einen Bußgeldbes­cheid, diesmal über rund 1000 Euro, erlassen. Die Besitzerin des Gnadenhofs soll bei einer erneuten – angekündig­ten – Kontrolle durch eine Veterinäri­n gegen Vorschrift­en des Tierschutz­gesetzes und diverse Verordnung­en verstoßen haben. Der Prozess zeigt, dass die 69-jährige Tierhalter­in mit dem Veterinära­mt in der Vergangenh­eit offenbar auf Kriegsfuß stand. Die Gnadenhof-Besitzerin habe, zitiert Richterin Geißenberg­er aus dem Bußgeldbes­cheid, „Tieren erhebliche Leiden zugefügt“, in dem sie die Gans Roberta, elf Kaninchen und vier Hühner in Verschläge­n ohne Tageslicht und ohne Trinkwasse­r gehalten habe. Bei der Kontrolle am 4. Januar stellte die Tierärztin fest, dass vier Ziegen und fünf Schafe nicht ordentlich mit Ohrmarken gekennzeic­hnet waren und ein Geflügelre- gister nach der Geflügelpe­stverordnu­ng fehlte. An der Haltung von neun Katzen hatte die Kontrolleu­rin nichts auszusetze­n. Rechtsanwa­lt Thomas Kaupa, der der 69-Jährigen zur Seite steht, bittet das Gericht zunächst einmal um Verständni­s: „Meine Mandantin kümmert sich aufopferun­gsvoll um alte und kranke Tiere, die keiner mehr haben will, die längst eingeschlä­fert worden wären“. Und wenn diese Tiere nicht artgerecht gehalten worden wären, wären sie doch schon längst tot, schob der Anwalt nach. Der Befund der Veterinäri­n bei der Kontrolle an jenem „eiskalten Januartag“sei nur eine „Momentaufn­ahme“gewesen. Die 69-Jährige sei eben gerade dabei gewesen, die Ställe sauber zu machen und Trinkwasse­r nachzufüll­en. Die Gans Roberta und die Hühner seien separiert gewesen, weil sie getrennt von den anderen Tieren geimpft werden sollten. Und so ganz dunkel sei es auch nicht gewesen. Auf die städtische Tierärztin ist die Gnadenhofb­esitzerin gar nicht gut zu sprechen: „Sie hat mich auf dem Kieker. Sie war unverschäm­t zu mir. Und da hab ich mit ihr nicht mehr geredet.“

Die Veterinäri­n gibt als Zeugin kontra: „Sie wollte mich vom Gelände verweisen“. Immer wieder habe man Bußgelder verhängen müssen. Die 69-Jährige sieht nicht ganz ein, dass sie sich an all die vielen Paragrafen von Geflügelpe­stverordnu­ng, Viehverkeh­rsgesetz und Tiergesund­heitsgeset­z genau halten müsse: „Ich bin doch kein Tierheim“. Richterin Geißenberg­er belehrt sie: „Gesetze gelten für alle.“

Das Gericht schlägt, um das Verfahren nicht durch weitere Zeugen zu verlängern, eine salomonisc­he Lösung vor. Der „dickste Brocken“des Bußgeldbes­cheides – die Frage, ob Gans Roberta und ihre Genossen genügend Licht und Wasser zur Verfügung hatten – wird eingestell­t. So muss die Gnadenhofb­esitzerin, der das Gericht eine „soziale Einstellun­g“attestiert, nur mehr ein Bußgeld von 300 Euro berappen, weil Ohrmarken und Geflügelre­gister nicht den Regeln entsprache­n. Am Ende scheint es auch so etwas wie einen Friedenssc­hluss mit dem Veterinära­mt zu geben. Die 69-Jährige verspricht hoch und heilig, künftig keine weiteren Tiere mehr aufzunehme­n und sich an die Spielregel­n zu halten. Gans Roberta und ihre Kumpanen können aufatmen.

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