Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sie wollten doch alle nur spielen
Ausstellung „Einfach spielen“im Heimatmuseum Oettingen zeigt, wie in vergangenen Jahrhunderten gekartelt und gewürfelt wurde – und noch so einiges mehr
Der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt sein: Adventszeit, Weihnachten, und die Festtage, an denen die Familien zusammenkommen. Und in aller Regel traditionell die Gelegenheit zum gemeinsamen Spielen, die Wahrscheinlichkeit für „Gesellschaftsspiele“zu Hause, am größten ist.
Es ist erstaunlich, was Petra Ostenrieder und ihr Team im Oettinger Heimatmuseum wieder auf die Beine gestellt haben. Denn im Gegensatz zu dem, was wohl auch heuer wieder zuhauf unter den Weihnachtsbäumen liegen wird – Elektronikund Plastik-Spiele –, führt die neue Schau im Heimatmuseum in die nostalgische Welt der meist historischen Brett- und Kartenspiele.
Die neue Ausstellung wirft einen Blick zurück ins 18. und 19. Jahr- als sich Erwachsene beim Spiel vergnügten: „Lotto“-Spiel in bürgerlichen Salons, Kegeln und Karteln in den Wirtshäusern.
Seit dem 19. Jahrhundert entwickelte sich ein bemerkenswert vielfältiger Markt für Gesellschaftsspiele auch für zu Hause. Abhängig vom politischen und gesellschaftlichen Hintergrund spiegeln sie die jeweiligen Zeitumstände. Not und Krieg, Patriotismus und Nationalismus sind ebenso zu finden wie die Vermittlung christlicher Tugenden, geografischer Kenntnisse oder wirtschaftlicher Profitorientierung. Es gab auch damals schon „Werbespiele“, die klaren Marketinggesichtspunkten folgten, etwa das „Kalispiel“, das ungeniert das professionelle Düngen propagierte. Es gab in der Nazizeit heute geradezu widerlich anmutende Gesellschaftsspiele, die mit „Kriegstreiberei“sehr schmeichelhaft umschrieben werden können. Man erfährt vieles über die geschichtlichen Hintergründe, dass zum Beispiel „Mensch ärgere dich nicht“nur deshalb so weit verbreitet war, weil es verwundeten Soldaten in den Lazaretten kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.
Zahlreiche Leihgeber haben in Schränken und Truhen gekramt und ihre Schätze zur Verfügung gestellt. Manch ein Besucher wird sich an die eigene Kindheit erinnern und lange geliebte Spiele in einer der Vitrinen entdecken. Und so mancher wird sich an Zeiten erinnern, als im Prinzip in jedem der zahlreichen Oettinger Wirtshäuser eine Kegelbahn zu finden war.
Besucher werden zum Mitspielen animiert
Doch die Ausstellung ist nicht nur etwas fürs Auge, sondern will auch zum Spielen animieren. Eigens in der Ausstellung angelegte „Spielfelder“beziehungsweise Spieltische machen die Ausstellung zum Mithundert, macherlebnis: Am Wirtshaustisch eine Runde Schafkopf? Eine Partie Schach am Kaffeehaustischchen, das Kalispiel am Küchentisch oder lieber das Museums-Memory? Über zehn Spielstationen in der Ausstellung und ein gut gefüllter Spieleschrank laden ein. Und auch wirklich einmalige Spiele sind zu bestaunen. So die manns- bzw. „frauhohe“Kugelbahn, die eine Oettingerin zur Verfügung gestellt hat und die – handgemacht – völlig ohne irgendwelche Befestigung frei im Raum steht. Nicht nur dieses Museumsstück ist ein Muss für alle, die „einfach nur spielen wollen“.
Die Ausstellung ist bis zum 4. Februar zu sehen, das Heimatmuseum ist regelmäßig Mittwoch bis Sonntag jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet, an den Feiertagen ist (mit Ausnahme des 24., 25. und 31. Dezember) ebenfalls geöffnet. Führungen sind nach Anmeldung auch zu anderen Zeiten möglich.