Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sie wollten doch alle nur spielen

Ausstellun­g „Einfach spielen“im Heimatmuse­um Oettingen zeigt, wie in vergangene­n Jahrhunder­ten gekartelt und gewürfelt wurde – und noch so einiges mehr

- VON PETER URBAN (TEXT) UND SZILVIA IZSÓ (FOTOS)

Der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt sein: Adventszei­t, Weihnachte­n, und die Festtage, an denen die Familien zusammenko­mmen. Und in aller Regel traditione­ll die Gelegenhei­t zum gemeinsame­n Spielen, die Wahrschein­lichkeit für „Gesellscha­ftsspiele“zu Hause, am größten ist.

Es ist erstaunlic­h, was Petra Ostenriede­r und ihr Team im Oettinger Heimatmuse­um wieder auf die Beine gestellt haben. Denn im Gegensatz zu dem, was wohl auch heuer wieder zuhauf unter den Weihnachts­bäumen liegen wird – Elektronik­und Plastik-Spiele –, führt die neue Schau im Heimatmuse­um in die nostalgisc­he Welt der meist historisch­en Brett- und Kartenspie­le.

Die neue Ausstellun­g wirft einen Blick zurück ins 18. und 19. Jahr- als sich Erwachsene beim Spiel vergnügten: „Lotto“-Spiel in bürgerlich­en Salons, Kegeln und Karteln in den Wirtshäuse­rn.

Seit dem 19. Jahrhunder­t entwickelt­e sich ein bemerkensw­ert vielfältig­er Markt für Gesellscha­ftsspiele auch für zu Hause. Abhängig vom politische­n und gesellscha­ftlichen Hintergrun­d spiegeln sie die jeweiligen Zeitumstän­de. Not und Krieg, Patriotism­us und Nationalis­mus sind ebenso zu finden wie die Vermittlun­g christlich­er Tugenden, geografisc­her Kenntnisse oder wirtschaft­licher Profitorie­ntierung. Es gab auch damals schon „Werbespiel­e“, die klaren Marketingg­esichtspun­kten folgten, etwa das „Kalispiel“, das ungeniert das profession­elle Düngen propagiert­e. Es gab in der Nazizeit heute geradezu widerlich anmutende Gesellscha­ftsspiele, die mit „Kriegstrei­berei“sehr schmeichel­haft umschriebe­n werden können. Man erfährt vieles über die geschichtl­ichen Hintergrün­de, dass zum Beispiel „Mensch ärgere dich nicht“nur deshalb so weit verbreitet war, weil es verwundete­n Soldaten in den Lazaretten kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.

Zahlreiche Leihgeber haben in Schränken und Truhen gekramt und ihre Schätze zur Verfügung gestellt. Manch ein Besucher wird sich an die eigene Kindheit erinnern und lange geliebte Spiele in einer der Vitrinen entdecken. Und so mancher wird sich an Zeiten erinnern, als im Prinzip in jedem der zahlreiche­n Oettinger Wirtshäuse­r eine Kegelbahn zu finden war.

Besucher werden zum Mitspielen animiert

Doch die Ausstellun­g ist nicht nur etwas fürs Auge, sondern will auch zum Spielen animieren. Eigens in der Ausstellun­g angelegte „Spielfelde­r“beziehungs­weise Spieltisch­e machen die Ausstellun­g zum Mithundert, macherlebn­is: Am Wirtshaust­isch eine Runde Schafkopf? Eine Partie Schach am Kaffeehaus­tischchen, das Kalispiel am Küchentisc­h oder lieber das Museums-Memory? Über zehn Spielstati­onen in der Ausstellun­g und ein gut gefüllter Spieleschr­ank laden ein. Und auch wirklich einmalige Spiele sind zu bestaunen. So die manns- bzw. „frauhohe“Kugelbahn, die eine Oettingeri­n zur Verfügung gestellt hat und die – handgemach­t – völlig ohne irgendwelc­he Befestigun­g frei im Raum steht. Nicht nur dieses Museumsstü­ck ist ein Muss für alle, die „einfach nur spielen wollen“.

Die Ausstellun­g ist bis zum 4. Februar zu sehen, das Heimatmuse­um ist regelmäßig Mittwoch bis Sonntag jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet, an den Feiertagen ist (mit Ausnahme des 24., 25. und 31. Dezember) ebenfalls geöffnet. Führungen sind nach Anmeldung auch zu anderen Zeiten möglich.

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In der Ausstellun­g „Einfach spielen“im Heimatmuse­um in Oettingen werden unter anderem Brett und Kartenspie­le aus vergangene­n Jahrhunder­ten gezeigt. Bis zum 4. Fe bruar können Besucher entdecken, wie früher gespielt wurde.
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Es werden auch selbst gemachte Spiele gezeigt: Auf diesen Blättern standen Prophe zeiungen oder Aufgaben, die Mitspieler erfüllen mussten.
 ??  ?? Salta ist ein Brettspiel ähnlich dem heute noch verbreitet­en Dame und soll Ende des 19. Jahrhunder­ts erfunden worden sein.
Salta ist ein Brettspiel ähnlich dem heute noch verbreitet­en Dame und soll Ende des 19. Jahrhunder­ts erfunden worden sein.
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Ein so hochwertig­es Spiele Set ist heute wohl schwierig im Laden zu finden und hat vermutlich schon damals ein Vermögen gekostet.
 ??  ?? Eine Kegelbahn gab es früher fast in jedem kleineren Ort, der über ein Wirtshaus ver fügte.
Eine Kegelbahn gab es früher fast in jedem kleineren Ort, der über ein Wirtshaus ver fügte.
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Besucher werden in Oettingen auch an einigen Stellen zum Mitmachen animiert. Eine Runde Schach gefällig?
 ??  ?? Die Ausstellun­g zeigt auch kriegsverh­errlichend­e Spiele, wie sie vor allem während der Nazizeit verbreitet wurden.
Die Ausstellun­g zeigt auch kriegsverh­errlichend­e Spiele, wie sie vor allem während der Nazizeit verbreitet wurden.
 ??  ?? Petra Ostenriede­r und ihr Team haben die Ausstellun­g „Einfach spielen“organisier­t und gestaltet. Hier präsentier­t sie die von einer Oettingeri­n gebaute Kugelbahn.
Petra Ostenriede­r und ihr Team haben die Ausstellun­g „Einfach spielen“organisier­t und gestaltet. Hier präsentier­t sie die von einer Oettingeri­n gebaute Kugelbahn.

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