Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Söder wird Ministerpr­äsident

Machtkampf Schon im Frühjahr will Seehofer abtreten. Mit seinem Rivalen bildet er künftig eine Doppelspit­ze. Die CSU feiert ihre neue Harmonie – auf Kosten eines Brillenges­tells

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Der erbitterte Kampf um die Macht in der CSU ist beendet. Horst Seehofer gibt sein Amt als Ministerpr­äsident auf und macht den Weg für jenen Mann frei, den er unbedingt als Nachfolger hatte verhindern wollen. Markus Söder soll ihn schon im Frühjahr ablösen und dann im Herbst als CSU-Spitzenkan­didat die absolute Mehrheit im Bayerische­n Landtag verteidige­n. Seehofer selbst, der nach dem desaströse­n Ergebnis bei der Bundestags­wahl unter Druck geraten war, wird Parteichef bleiben. Ob das auf Dauer gut geht? Die neue Doppelspit­ze gibt sich betont versöhnlic­h.

„Es ist jetzt wichtig, dass die Stärksten zusammenar­beiten“, sagt der designiert­e Ministerpr­äsident Söder am Tag der Entscheidu­ng. Er meint damit nicht nur seinen Vorgänger, sondern auch Joachim Herrmann, dem bis zuletzt eigene Ambitionen nachgesagt wurden. Wie ernsthaft der Innenminis­ter darüber nachgedach­t hatte, gegen Söder an- zutreten, bleibt wohl sein Geheimnis. Als die Landtagsfr­aktion sich zur Abstimmung trifft, gibt es jedenfalls nur einen, der Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl werden will: Markus Söder. Der 50-Jährige wird einstimmig gewählt. Endlich am Ziel schlüpft er sofort in die Rolle des Staatsmann­es. Er spricht von Demut und Dankbarkei­t und stellt dann klar: „Politik ist immer eine Mannschaft­sleistung.“Über seinen Rivalen Seehofer sagt Söder: „Wir haben in den vergangene­n Jahren gute Zeiten gehabt und fast gute Zeiten. Aber eines hat uns immer geeint: die Verantwort­ung für Bayern und die CSU.“

Der Ältere überlässt dem Jüngeren die Bühne. Erst später wird Seehofer erzählen, man habe sich gegenseiti­g „eine gute Zusammenar­beit“versproche­n. Wochenlang war es zwischen den beiden Lagern hin und her gegangen. Vor, aber vor allem hinter den Kulissen wurden Pläne geschmiede­t. Am Ende hat es die Partei zumindest geschafft, dass es keinen offensicht­lichen Verlierer gibt. Der Parteitag wird Seehofer Mitte Dezember noch einmal zum CSU-Chef wählen – ohne Gegenkandi­daten. Und schon in der kommenden Woche könnte der 68-Jährige erste Gespräche mit CDU und SPD über eine Neuauflage der Großen Koalition führen. Anders als noch bei den Jamaika-Sondierung­en wird auch Söder diesmal mit von der Partie sein. Vieles deutet darauf hin, dass Seehofer bei erfolgreic­hen Koalitions­verhandlun­gen als Minister nach Berlin wechselt, um den bundespoli­tischen Anspruch der Partei zu demonstrie­ren. Söder soll dann das Ruder in München übernehmen. Die Wachablösu­ng beginnt spätestens im Februar: Am Politische­n Aschermitt­woch wird schon der künftige Ministerpr­äsident die große Bierzeltre­de halten. So viel Harmonie wie gestern war lange nicht in der CSU: Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm umarmt Seehofer zur Begrüßung derart herzlich, dass gleich ihre Brille zu Bruch geht. Großes Gelächter in der Runde. Auch Ilse Aigner zeigt sich tiefenents­pannt. Mit ihrer Idee, die Mitglieder abstimmen zu lassen, wer Spitzenkan­didat bei der Landtagswa­hl werden soll, hatte sie sich zuletzt den Zorn der „Söderianer“zugezogen. Mit der nun gefundenen Lösung kann sie offenbar ganz gut leben. „Grundsätzl­ich habe ich mich immer auch für eine Doppelspit­ze ausgesproc­hen“, sagt Aigner, die selbst einmal als aussichtsr­eiche Kandidatin für eines der Spitzenämt­er gehandelt worden war.

Im Leitartike­l bewertet Walter Roller den Neuanfang der CSU. Auf der Dritten Seite schreibt Uli Bachmeier über den Tag der Entscheidu­ng. Holger Sabinsky-Wolf hat den Parteienfo­rscher Heinrich Oberreuter interviewt und Rudi Wais schreibt, was in Berlin auf Horst Seehofer zukommen könnte. Beide Texte finden Sie in der Politik.

„Wir haben gute Zeiten gehabt und fast gute Zeiten.“Söder über sein Verhältnis zu Seehofer

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Foto: Amelie Geiger, dpa Hand drauf: Horst Seehofer (links) und Markus Söder teilen sich künftig die Macht in der CSU.

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