Augsburger Allgemeine (Land Nord)

An passenden Ministerie­n für Seehofer fehlt es nicht

Der CSU-Vorsitzend­e kehrt nach Berlin zurück. Theoretisc­h kann er jetzt sogar Vizekanzle­r werden

- VON RUDI WAIS

Augsburg Mit dem Gedanken, noch einmal nach Berlin zurückzuke­hren, hat er schon länger gespielt. Angela Merkel persönlich, erzählt Horst Seehofer nach dem plötzliche­n Scheitern der Jamaika-Gespräche, habe ihn gefragt, ob er für den Fall der Fälle denn auch ein Ministeram­t in ihrem Kabinett übernehmen würde. Nun gibt es zwar keine Koalition mit den Grünen und den Liberalen – aber vermutlich eine mit Seehofer am Kabinettst­isch.

Ob er im Spätherbst seiner Karriere Innen-, Sozial- oder Finanzmini­ster wird, ist im Moment genauso unklar wie der Ausgang der Gespräche mit den Sozialdemo­kraten. Nach Lage der Dinge aber hat Seehofer im Ressortpok­er gute Karten. In einer Minderheit­sregierung von CDU und CSU könnte der 68-Jährige sogar Vizekanzle­r werden. Er selbst sagt dazu nichts. Nur so viel: „Was sich weiter für mich da ergibt, das werden wir sehen.“

Dass Seehofer immer noch ein Mann mit Einfluss ist, haben die Gespräche über eine Jamaika-Koalition gezeigt. „Er hat den Laden zusammenge­halten und unseren Kurs in der Zuwanderun­gspolitik verteidigt“, sagt der Neu-Ulmer CSUAbgeord­nete Georg Nüßlein. Eine Arbeitstei­lung mit Markus Söder in München und Seehofer in Berlin sei sinnvoll: „Das hatten wir mit Theo Waigel in Bonn schon, und das waren nicht die schlechtes­ten Zeiten für uns.“Seehofers erste Wahl, heißt es im Flurfunk der CSU, wäre das Arbeitsmin­isterium; sollte es zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen, dürfte das allerdings bei der SPD bleiben. In diesem Fall sehen viele Abgeordnet­e Seehofer im Innenminis­terium, andere spekuliere­n auf das Finanzmini­sterium, das durch Wolfgang Schäubles Wechsel auf den Stuhl des Parlaments­präsidente­n ohnehin frei ist.

In jedem Fall würde Seehofers Rückkehr den Beförderun­gsspielrau­m in seiner Partei einschränk­en. Dass die CSU in einer Großen Koalition noch einmal drei Ministerie­n bekommt, ist angesichts ihres mageren Wahlergebn­isses und der guten Verhandlun­gsposition der SPD alles andere als selbstvers­tändlich. Zuletzt hat sie mit Alexander Dobrindt (Verkehr), Gerd Müller (Entwicklun­g) und Christian Schmidt (Landwirtsc­haft) drei Ressorts geführt. Dobrindt ist bereits als Vorsitzend­er an die Spitze der Landesgrup­pe gewechselt, im direkten Wettbewerb um einen Platz neben Seehofer werden dem Allgäuer Müller dabei intern deutlich bessere Chancen eingeräumt als Schmidt. Nicht ausgeschlo­ssen ist allerdings, dass der CSU-Chef einen Generation­swechsel einleitet und eine jüngere Abgeordnet­e oder einen jüngeren Abgeordnet­en mit ins Kabinett nimmt.

Für ihn selbst würde sich mit der Rückkehr nach Berlin ein Kreis schließen. Als der Arbeiterso­hn Horst Lorenz Seehofer 1980 in den Bundestag einzog, regierte noch Helmut Schmidt, Franz Josef Strauß war CSU-Chef und Friedrich Zimmermann Vorsitzend­er der Landesgrup­pe in Bonn. Schnell machte sich der junge Abgeordnet­e aus Ingolstadt einen Namen als Sozialexpe­rte, wurde Staatssekr­etär im Arbeitsmin­isterium und Gesundheit­sminister. Nachdem Seehofer sich während der rot-grünen Jahre mit Angela Merkel anlegt hatte, sein Amt als Fraktionsv­ize hinwarf und eine lebensgefä­hrliche Herzerkran­kung mit viel Glück überstand, schien seine Karriere in der Bundespoli­tik zu Ende zu sein – umso überrasche­nder aber tauchte er 2005 plötzlich wieder als Landwirtsc­haftsminis­ter im ersten Kabinett Merkel auf. Damals hatte ihn noch Edmund Stoiber durchgebox­t, diesmal kann er selbst Fakten schaffen.

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Foto: W. Kumm, dpa CSU Chef Horst Seehofer vor dem Schloss Bellevue.

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