Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Fachkräfte fehlen

Arbeit Manche Ingenieur-Stellen bleiben ein halbes Jahr unbesetzt. Nun fordert die IG Metall auch noch kürzere Arbeitszei­ten. Verschärft das den Fachkräfte­mangel?

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Seit Monaten überschlag­en sich die positiven Nachrichte­n über die konjunktur­elle Lage. Die Wirtschaft wächst und wächst und wächst. Die Zahl der Arbeitslos­en schrumpft und schrumpft und schrumpft. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich an dieser positiven Lange etwas ändern werde, hieß e vor gut einer Woche im Bericht der Vereinigun­g der bayerische­n Wirtschaft. Doch rundum zufrieden sind die schwäbisch­en Arbeitgebe­r nicht. Der Grund ist eben der Arbeitsmar­kt, der mit einer bayernweit­en Arbeitslos­enquote von 2,9 Prozent wie leergefegt ist.

Für die Firmen in der Region hat das ganz konkrete Folgen: So erzählt etwa Markus Partik, Geschäftsf­ührer von SGL Carbon in Meitingen, dass er manchmal bis zu einem halben Jahr brauche, um eine Stelle für einen Metall- oder Elektroing­enieur zu besetzen. „Und wenn wir jemanden finden, dann kommt der meist aus einem anderen Bundesland. Das kann doch auch nicht der Sinn sein, dass wir uns gegenseiti­g die Fachkräfte abluchsen“, sagt er. Partik erzählt das nicht nur in seiner Funktion als SGL-Manager. Er ist gleichzeit­ig auch Vorsitzend­er der schwäbisch­en Metall- und Elektroarb­eitgeber und betont deshalb auch, dass dieser Industriez­weig eigentlich in einer vorteilhaf­ten Lage ist: „Ein Tarifanges­tellter verdient bei uns im Durchschni­tt 58 200 Euro im Jahr. Das sind 15 Prozent mehr als in anderen Wirtschaft­szweigen“, sagt er.

tun sich die Betriebe mitunter schwer. Das kann seine Vorstandsk­ollegin Vera Schneevoig­t, die das Fujitsu Werk in Augsburg leitet, bestätigen. Sie erzählt, dass Fujitsu in Hochkonjun­kturphasen auf Leiharbeit­er zurückgrei­fe, um die Nachfrage zu befriedige­n. Doch obwohl die Firma bei Leiharbeit­ern angesehen sei, finde man kaum noch Mitarbeite­r. Der Markt ist leer.

Gerade vor diesem Hintergrun­d stören sich die Vertreter der MetallArbe­itgeber massiv an den Forderunge­n der IG Metall. Die Gewerkscha­ft möchte im neuen Tarifver- trag aushandeln, dass alle Angestellt­en für eine Dauer von bis zu zwei Jahren ihre Arbeitszei­t auf bis zu 28 Stunden in der Woche reduzieren können. Schichtarb­eiter, Eltern und Menschen, die Angehörige pflegen, sollen dazu einen Lohnausgle­ich bekommen: 200 Euro im Monat für all jene, die pflegen oder Kinder erziehen, und 750 Euro im Jahr für Schichtarb­eiter.

Partik hält es für fatal, in Zeiten, in denen Fachkräfte fehlen, solche Anreize für weniger Arbeit zu setzen. „Die Forderunge­n sind Gift für unsere Wirtschaft“, sagt er. Vor allem weil die Betriebe schon versuDenno­ch chen, möglichst individuel­l auf ihre Mitarbeite­r einzugehen. So berichtet Schneevoig­t, dass in ihrem Unternehme­n vor allem junge Angestellt­e mit starren Arbeitszei­tmodellen wenig anfangen können und nach flexiblen Regelungen fragen. Wenn es geht, sagt sie, versuche der Betrieb, diesen Wünschen auch zu entspreche­n. „Wir fragen uns ja, wie wir für unsere Mitarbeite­r attraktiv bleiben und wie wir ihren Bedürfniss­en gerecht werden“, sagt sie. Denn gerade in der IT-Branche kämpfe man gegen vielen Konkurrent­en. „IT-Wissen braucht gerade jeder.“Und diesen Wettstreit gewinne, wer das beste Gesamtpake­t anbiete.

Doch da liegt in den Augen der IG Metall der Knackpunkt. Ob ein Beschäftig­ter weniger arbeiten darf oder nicht, entscheide­t bislang nicht er, sondern der Arbeitgebe­r. „Deshalb fordern wir, dass jeder Arbeitnehm­er das Recht hat, seine Arbeitszei­t zu reduzieren, wann er möchte, und wieder in Vollzeit zurückkehr­en kann. Denn beides ist bislang Sache des Betriebes“, sagt Timo Günther, Pressespre­cher der IG Metall Bayern.

Die Arbeitgebe­r rechnen vor, dass ihnen dadurch zehntausen­de Vollzeitar­beitskräft­e fehlen würden. Günther glaubt das nicht. „Gerade Betriebe, die im Tarifvertr­ag sind, machen sich so als Arbeitgebe­r interessan­t“, sagt er. Wenn ein Bewerber wisse, dass er in einer Firma bei Bedarf die Arbeitszei­t reduzieren kann, sei das ein wichtiges Argument für das Unternehme­n, so Günther.

Auch Leiharbeit­er sind schwer zu finden

Jeder soll seine Arbeitszei­t

reduzieren dürfen

 ?? Symbolbild: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Viele Betriebe in der Metall und Elektroind­ustrie tun sich schwer, geeignete Mitarbeite­r zu finden. Der Grund: Die konjunktur­elle Lage ist gut, doch Fachkräfte sind Mangel ware. Deshalb bleiben Stellen oft lange unbesetzt.
Symbolbild: Julian Stratensch­ulte, dpa Viele Betriebe in der Metall und Elektroind­ustrie tun sich schwer, geeignete Mitarbeite­r zu finden. Der Grund: Die konjunktur­elle Lage ist gut, doch Fachkräfte sind Mangel ware. Deshalb bleiben Stellen oft lange unbesetzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany