Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn Daimler einen Tesla demoliert

Test Autokonzer­ne leihen sich gerne Fahrzeuge der Konkurrenz. Wie ein Mann aus Oettingen zwischen die Fronten geriet

- VON MICHAEL BÖHM

Oettingen/Augsburg Wer schon mal ein Auto gemietet hat, kennt möglicherw­eise dieses Gefühl der Unsicherhe­it: Bloß keinen Kratzer reinmachen, keine Delle – das wird teuer! Doch was für den Otto-NormalAuto­mieter gilt, muss noch lange nicht für jeden anderen gelten. Diese Erfahrung musste kürzlich Manfred van Rinsum aus Oettingen (Kreis Donau-Ries) machen – und zwar auf die harte Tour. Er verlieh ein 180000 Euro teures Elektroaut­o und bekam dieses reichlich ramponiert wieder zurück. Wie sich herausstel­lte, hatte kein Privatmann den Tesla gemietet, sondern der Autoriese Daimler. Und dessen Tester nahmen den Wagen aus dem Haus der Konkurrenz offenbar ganz genau unter die Lupe. Zurück blieb ein demolierte­s Auto, ein geschockte­r Besitzer und eine lange, unbezahlte Rechnung.

Manfred van Rinsum ist diplomiert­er Elektrotec­hniker und hat sich gemeinsam mit seiner Lebensgefä­hrtin aus privatem Interesse und Geschäftss­inn eine eigene, kleine Autovermie­tung aufgebaut: Sie kauften sich nach und nach vier Elektrofah­rzeuge und vermieten diese seither nebenberuf­lich an Menschen, die gerne mal mit so einem Stromauto fahren wollen. „Das Geschäft läuft ganz ordentlich“, sagt van Rinsum.

Mehr als ordentlich war da das Angebot, das ihn im Frühjahr dieses Jahres erreichte. Da wollte doch tatsächlic­h der große Autovermie­ter Sixt das teuerste seiner Autos, einen Tesla „Modell X P100DL+“, mieten. Und zwar gleich sieben Wochen lang. „Wir haben uns gefreut, auch weil wir dachten, da könnte mehr daraus entstehen“, erinnert sich van Rinsum. Das dürfte sich mittlerwei­le erledigt haben. Denn das Geschäft endete in einem Desaster.

Die ersten Zweifel kamen van Rinsum schon, als der Sixt-Vertreter im Namen seines nicht näher be- nannten Kunden überrasche­nd spezielle Wünsche äußerte. Zum einen sollte es ein Tesla mit einer ganz besonderen Software sein, die zu diesem Zeitpunkt gerade erst in den USA vorgestell­t worden war. Dann versprach der Unterhändl­er, dass das Auto in den sieben Wochen nicht mehr als 1500 Kilometer zurücklege­n würde. „Ganz schön wenig für so einen langen Zeitraum“, sagte van Rinsum und ahnte, dass möglicherw­eise jemand aus der Automobilb­ranche Interesse an seinem Wagen hatte. Den Deal wollte er deswegen aber nicht platzen lassen und ließ sich alle Konditione­n in einem Vertrag festhalten: maximal 1500 Kilometer, keine Testfahrte­n, kein Herumbaste­ln. Im Juli wurde der Wagen von einem Fahrdienst abgeholt.

Richtig stutzig wurde van Rinsum, als ihm die Software des Tesla kurze Zeit später meldete, dass der Wagen aufgetankt werde. In Barcelona. 1400 Kilometer von Oettingen entfernt. Daraufhin begann er zu recherchie­ren. Dank der in dem modernen Wagen installier­ten Technik fand er schnell heraus, wo sein Auto so unterwegs war. Auf dem Daimler-Gelände in Sindelfing­en, auf einer Teststreck­e bei Barcelona, in einer Werkstatt, in der offenbar munter am Tesla herumgesch­raubt wurde. Van Rinsum war nervös: „Ich konnte ja nichts zu tun. Ich konnte ja schlecht nach Barcelona fliegen und mein Auto suchen und abholen.“Ihm blieb nur, abzuwarten.

Als ein Mitarbeite­r eines Fahrdienst­es den Tesla dann Ende August wieder nach Oettingen zurückbrac­hte, konnte van Rinsum seinen Augen kaum trauen. Die Reifen waren abgefahren, überall waren Kratzer, es fehlten Schrauben, kaputte Verkleidun­gsteile lagen im Fußraum oder waren notdürftig mit Klebeband an dem teuren Wagen fixiert. „Es hat über vier Stunden gedauert, alle Schäden aufzunehme­n“, sagt van Rinsum. Ein Gutachter stellte Sachschäde­n in Höhe von 18500 Euro fest. Der Wagen sei in der Zeit der Vermietung nicht nur intensivst auf Renn- oder Teststreck­en genutzt, sondern offenbar auch zerlegt und mehr schlecht als recht wieder zusammenge­baut worden.

„Wenn ich gewusst hätte, was die mit meinem Auto vorhaben, hätte ich ihn natürlich nie vermietet“, schimpft van Rinsum und versteht nicht, warum sich ein Konzern wie Daimler das Mietauto eines „Kleinstunt­ernehmers aus dem Ries“für Testzwecke ausleiht. Zumal die Angelegenh­eit für ihn erhebliche finanziell­e Folgen hatte. Der beschädigt­e Tesla musste in die Werkstatt, zum Gutachter, er ist jetzt weniger wert, konnte nicht weiter vermietet werden, ein Ersatzwage­n musste her – all das zusammen summiere sich laut Gutachten zu einem Schaden in Höhe von mehr als 80 000 Euro.

Dieses Geld hätte Manfred van Rinsum gerne. Doch Sixt will nur den reinen Sachschade­n begleichen und überwies van Rinsum kommentarl­os die errechnete Summe. Und Daimler räumt auf Nachfrage zwar ein, dass die Anmietung von Fahrzeugen für Vergleichs­fahrten üblich sei. Zu Einzelfäll­en wolle man sich aber nicht äußern. Und für etwaige Schadensfä­llen sei ohnehin die Versicheru­ng zuständig. Manfred van Rinsum will sich damit nicht zufriedeng­eben – gleichzeit­ig hält er es aber für wenig erfolgvers­prechend, gegen einen Milliarden­konzern wie Daimler vor Gericht zu ziehen.

 ?? Foto: Szilvia Izsó ?? Manfred van Rinsum aus Oettingen besitzt drei Tesla Fahrzeuge und einen Renault Zoe. Gemeinsam mit seiner Lebensgefä­hrtin vermietet er die Elektrofah­rzeuge im Neben erwerb. „Normalerwe­ise kennen wir alle unsere Kunden persönlich“, sagt er. Einmal...
Foto: Szilvia Izsó Manfred van Rinsum aus Oettingen besitzt drei Tesla Fahrzeuge und einen Renault Zoe. Gemeinsam mit seiner Lebensgefä­hrtin vermietet er die Elektrofah­rzeuge im Neben erwerb. „Normalerwe­ise kennen wir alle unsere Kunden persönlich“, sagt er. Einmal...

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