Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Chronist eines kleinen gallischen Dorfes
Asterix und Lucky Luke 40 Jahre nach seinem plötzlichen Herztod widmet Paris dem berühmten Comic-Autor René Goscinny eine Retrospektive. Die Ausstellung erzählt natürlich auch das stark bewegte Leben des Autors
Paris Früh schon hatte er diesen unverkennbar liebevollen Humor und ein Faible für skurrile Figuren. Früh vorhanden war auch René Goscinnys ironischer Blick auf die Welt und die Menschen, auf ihre Stärken und Schwächen. Und schon als Jugendlicher – also bevor er als Comic-Autor Asterix, Umpah-Pah und Lucky Luke erschuf – zeichnete er mit feinem Pinselstrich, erfand Geschichten, Figuren, Szenarien. Und das nicht nur, um zu amüsieren. Seine Geschichten hielten dem Leser auch einen Spiegel vor.
„René Goscinny jenseits des Lachens“(„René Goscinny au-delà du rire“) heißt nun eine Ausstellung, die das Pariser Museum für Kunst und Geschichte des Judentums dem Autor anlässlich seines 40. Todestags widmet. Parallel zu einer weiteren Schau in der Pariser Cinemathek skizziert diese Retrospektive Goscinnys Leben und sein Werk. Besondere Schwerpunkte liegen natürlich auf den berühmten Helden Asterix und Obelix und auf der Zusammenarbeit mit deren Co-Schöp- fer, dem Zeichner Albert Uderzo. Auch Objekte wie Goscinnys Schreibmaschine sind ausgestellt – unerlässliches Handwerkzeug seinerzeit für das fantasievolle Werk. Mit insgesamt 500 Millionen verkauften Büchern und Comic-Alben, die in 150 Sprachen übersetzt wurden, dazu mit 100 Kino-Verfilmungen gehört Goscinny zu den erfolgreichsten französischen Autoren überhaupt. Doch über sein Leben ist wenig bekannt – schien er doch stets hinter seinen Helden zu verschwinden.
1926 in Paris als Sohn von kurz zuvor eingebürgerten Juden geboren, kam René Goscinny als Zweijähriger nach Buenos Aires, wo sein Vater eine Stelle als Ingenieur gefunden hatte. In der dortigen französischen Schule fiel er durch sein Zeichen- und Schreibtalent auf. Der junge Goscinny hoffte, eines Tages für Walt Disney arbeiten zu können. Klassenfotos zeigen einen Jungen mit jenem verschmitzten Lächeln, das er sich auch als Erwachsener bewahren sollte. Die Sorge um die Verwandten in Europa während der Nazi-Herrschaft, die teilweise im Holocaust umkamen, verarbeitete Goscinny in spöttischen Abbildungen von Hitler und der „Familie Müller“als typischer deutscher Mitläufer-Familie.
Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters 1943 musste Goscinny dringend Geld verdienen – aus war der Traum eines Studiums an der Kunsthochschule. Er arbeitete als Buchhalter in einer Reifenfabrik, bis er als Zeichner in einer Werbeagentur angestellt wurde. 1945 ging er mit seiner Mutter nach New York, wo er – nach eingeschobener Absolvierung des Militärdienstes in Frankreich – mehr schlecht als recht als Illustrator von Kinderbüchern lebte. Dann aber machte er entscheidende Begegnungen – wie jene mit Morris (Maurice de Bévère). Für dessen Zeichnungen von Lucky Luke verfasste Goscinny ab 1955 die Texte.
Zu diesem Zeitpunkt lebte er bereits fest in Frankreich und arbeitete als Illustrator mit wachsendem Erfolg für Magazine – bis er sich ganz auf das Schreiben von Geschichten verlegte. Der Durchbruch gelang ihm mit Asterix, mit einer Parodie auf die klassische Darstellung der französischen Geschichte. Zwischen 1959 und 1977, Goscinnys Todesjahr, fertigten er und Uderzo 24 Alben an. Über lange Gänge hinweg zeigt die Pariser Ausstellung nun Originalskizzen. Und Figuren in Riesengröße lassen in die Welt der mutigen Gallier eintauchen.
Daneben arbeitete Goscinny mit anderen Zeichnern an weiteren Comic-Serien für Magazine und veröffentlichte Episoden von „Der kleine Nick“, illustriert vom Zeichner Jean-Jacques Sempé. Auch hiervon sind Exemplare ausgestellt. Die Episoden erschienen später auch in der Wochenzeitschrift Pilote, die Goscinny mitbegründete und jahrelang als Chefredakteur leitete. 1974 schließlich eröffnete Goscinny das Studio Idéfix zur Produktion von Asterix- und Lucky-Luke-Zeichentrickfilmen (Idefix ist der kleine Hund von Asterix und Obelix und „idée fixe“ist der französische Ausdruck für „fixe Idee“).
Seine Schaffenskraft war längst nicht abgeflaut, als Goscinny im November 1977 bei einem medizinischen Belastungstest an einem Herzinfarkt starb. Er ließ seine Frau Gilberte und Tochter Anne zurückließ. Diese verwaltet nun sein Werk und ist auch an dem von Uderzo gegründeten Verlag „Les Editions Albert René“beteiligt.
René Goscinny habe, so erläutert Ausstellungskuratorin Anne Hélène Hoog, „alle Register des Humors erkundet: die Situationskomik, das Spiel mit der Sprache, Kalauer … Für jeden ist etwas dabei“. Seine Erfahrungen aus dem argentinischen und US-amerikanischen Exil vermischten sich mit französischer Tradition; stete Inspirationsquellen waren immer Geschichte, Sprache und die Kindheit. Das mag erklären, warum er Kinder ebenso anzusprechen wusste wie das Kind im Erwachsenen.
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Infos: „René Goscinny au delà du rire“im Musée d’Art et d’Histoire du Ju daïsme läuft bis 4. März 2018. Montags geschlossen. Ebenfalls bis 4. März 2018 kann in der Pariser Cinémathèque française die Schau „Goscinny et le cinéma – Astérix, Lucky Luke & Cie“besichtigt werden. Dienstags geschlos sen.