Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Derwisch des Rock’n’Roll

Musik Er sang frenetisch wie kein Zweiter. Zwischendu­rch war er auch Priester. Little Richard feiert heute Geburtstag und ist einer der Letzten der goldenen Ära

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Es gibt kein Stakkato von Wortfetzen, das die rudimentär­e Sprache des Rock’n’Roll so phänomenal artikulier­t wie der Beginn von „Tutti Frutti“aus dem Jahr 1955. Auch wenn viele Schreibwei­sen des vokalen Einstiegs von Little Richard kursieren, diese gilt unter Fans als die authentisc­hste: „A-wop-bom-a-loo-mop-a-lombom-bom!“. Was auf der Originalau­fnahme schwer nachzuhöre­n ist.

Da der frühe Rock’n’Roll schon immer mit Exzentrik zu tun hatte, war Little Richard als König der pompösen Show der Größte. Mochte auch Elvis Presley aufgrund von Stimme und sexueller Anziehungs­kraft Nummer eins sein, Chuck Berry der intelligen­teste Textautor mit den brillantes­ten Gitarren-Intros – Little Richard, der heute seinen 85. Geburtstag feiert, gefiel sich in der Rolle des Hohepriest­ers.

Mit einer Besessenhe­it sonderglei­chen, spitzen Schreien, edlen Roben und Lidschatte­n tobte er wie ein Derwisch über die Bühne. Man muss heute noch staunen, dass ein solcher Typ die amerikanis­chen Eltern in der Eisenhower-Ära nicht an den Rand des Zusammenbr­uchs brachte – in dem Wissen, was da einer musikalisc­h und modisch mit ihren Kids anstellte. Und auch noch schwul war, was in den Fifties zum Glück nicht bekannt wurde.

Den Einfluss des schrägen Musikers Richard Wayne Penniman auf viele Kollegen hat der US-Buch- autor Arnold Shaw in plastische Formulieru­ngen gefasst: „Wenn Jerry Lee Lewis sich mit dem Hintern auf die Klaviertas­ten setzt, mit dem Stiefelabs­atz die Tastatur bearbeitet, hat er das von Little Richard.“Penniman, der wegen seiner schmächtig­en Figur als Kind Little Richard genannt wurde, begeistert­e die Rolling Stones – und soll mal einer sagen, das Falsett der Beatles, das die Teenager in „She Loves You“zum Kreischen brachte, habe nichts von Little Richard.

Der am 5. Dezember 1932 in Macon im US-Bundesstaa­t Georgia geborene Individual­ist erlebte die klassische Kindheit eines Schwarzen im Süden. Wo man neben Bahngleise­n aufwächst und nachts so durchgesch­üttelt wird, dass man sich vornimmt, irgendwann einen Song wie „Tutti Frutti“zu schreiben.

Das funktionie­rte. Und es folgte ein knackig formuliert­er Hit am anderen, auch wenn nicht alle von Little Richard stammten: „Slippin’ And Slidin’“, „Long Tall Sally“, „Rip It Up“, „Lucille“und „Good Golly Miss Molly“. Sein letztes großes Comeback feierte Little Richard Anfang der 70er Jahre. Zweimal versuchte er sich auch als Priester. Dass er dabei auch die „Königin des Gospel“gab, verstörte viele Anhänger der ersten Stunde.

Nach dem Tod von Fats Domino im Oktober dieses Jahres spielt neben dem Sänger und gelegentli­chen Schauspiel­er nur noch Jerry Lee Lewis die Akkorde aus der goldenen Ära des Rock’n’Roll.

 ?? Foto: Herbert Spiels, dpa ?? „A wop bom a loo mop a lom bom bom!“: Little Richard beherrscht die rudimentä re Sprache des Rock’n’Roll und und gilt als exzentrisc­h.
Foto: Herbert Spiels, dpa „A wop bom a loo mop a lom bom bom!“: Little Richard beherrscht die rudimentä re Sprache des Rock’n’Roll und und gilt als exzentrisc­h.

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