Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schaurig und schön zugleich
Und es schneite zur „Winterreise“
Es war wie ein Geschenk, dass es just zur Aufführung von Schuberts „Winterreise“zu schneien begann. So sah die Außenwelt aus, wie es der Unbekannte in dem berühmten „Zyklus schauerlicher Lieder“(Schubert) erlebte: Weiß, windig, kalt, dazu die leeren Straßen am Sonntagabend. Im Saal „Dialog Lebensversicherungs-AG“des Kongress am Park sang ihn der Bassbariton Maximilian Lika, es begleitete der Pianist Konstantin Lukinov.
Gerade in dieser Stimmlage – ursprünglich wurde die Winterreise für Tenor geschrieben – ist Dietrich Fischer-Dieskau Idol und Maßstab an Interpretation, Stimmkultur und Können im Lied. Auch Maximilian Lika faszinierte von Beginn an mit seiner Intensität in der Gestaltung, erlesener Aussprache, enormer Stimmkunst und seiner Ergebenheit ans Werk, die gleichermaßen Demut wie Hingabe beinhaltete. Der erst 32-jährige Sänger und Künstler ist dem Riesenwerk gewachsen – und nur wenig älter als es Schubert beim Komponieren war.
Die Stimmlage erfordert höchste Wachsamkeit beim Klavierbegleiter, weil gerade die tiefen Stimmen vom Klavier leicht überdeckt werden. In den langsamen Liedern kam Lukinov, der ein pianistisch nobles Klavierspiel einbrachte, dem Ideal sehr nahe, schoss aber bei den stürmischen Passagen über die Grenzen der Liedbegleitung hinaus. Es ist nicht leicht, sich im „Rückblick“oder in der „Erstarrung“zurückzuhalten. Während der Sänger das Innenleben des abgewiesenen jungen Mannes bis zum vermutlichen Freitod schildert, hat das Klavier eine visionär-universale Rolle der Innenund Außensicht. In „Täuschung“zeichnet es regelrecht dreidimensional die fallenden Blätter, im „Leiermann“– hier entwickelte Maximilian Lika wie Fischer-Dieskau eine ungeheuer bewegende Eindrücklichkeit – in der linken Hand den typischen Drehleierbordun, rechts die Melodie des Drehleiermannes. Auch Likas dezente Agogik fügte sich ein in die Interpretation: der musikalische Bogen endete erst nach dem verklungenen Ton.
Die „Winterreise“ist nicht schwer im Sinne zirzensischer Bravourleistungen und gehört doch, in ihren gesamten Anforderungen an Sänger und Pianist, zum Schwersten der Liedliteratur. Bewegend, lange nachhallend war die Aufführung der „Winterreise“der zweieinig agierenden Künstler, die zu Recht mit vielen Bravi gefeiert wurden.