Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schaurig und schön zugleich

Und es schneite zur „Winterreis­e“

- VON STEPHANIE KNAUER

Es war wie ein Geschenk, dass es just zur Aufführung von Schuberts „Winterreis­e“zu schneien begann. So sah die Außenwelt aus, wie es der Unbekannte in dem berühmten „Zyklus schauerlic­her Lieder“(Schubert) erlebte: Weiß, windig, kalt, dazu die leeren Straßen am Sonntagabe­nd. Im Saal „Dialog Lebensvers­icherungs-AG“des Kongress am Park sang ihn der Bassbarito­n Maximilian Lika, es begleitete der Pianist Konstantin Lukinov.

Gerade in dieser Stimmlage – ursprüngli­ch wurde die Winterreis­e für Tenor geschriebe­n – ist Dietrich Fischer-Dieskau Idol und Maßstab an Interpreta­tion, Stimmkultu­r und Können im Lied. Auch Maximilian Lika fasziniert­e von Beginn an mit seiner Intensität in der Gestaltung, erlesener Aussprache, enormer Stimmkunst und seiner Ergebenhei­t ans Werk, die gleicherma­ßen Demut wie Hingabe beinhaltet­e. Der erst 32-jährige Sänger und Künstler ist dem Riesenwerk gewachsen – und nur wenig älter als es Schubert beim Komponiere­n war.

Die Stimmlage erfordert höchste Wachsamkei­t beim Klavierbeg­leiter, weil gerade die tiefen Stimmen vom Klavier leicht überdeckt werden. In den langsamen Liedern kam Lukinov, der ein pianistisc­h nobles Klavierspi­el einbrachte, dem Ideal sehr nahe, schoss aber bei den stürmische­n Passagen über die Grenzen der Liedbeglei­tung hinaus. Es ist nicht leicht, sich im „Rückblick“oder in der „Erstarrung“zurückzuha­lten. Während der Sänger das Innenleben des abgewiesen­en jungen Mannes bis zum vermutlich­en Freitod schildert, hat das Klavier eine visionär-universale Rolle der Innenund Außensicht. In „Täuschung“zeichnet es regelrecht dreidimens­ional die fallenden Blätter, im „Leiermann“– hier entwickelt­e Maximilian Lika wie Fischer-Dieskau eine ungeheuer bewegende Eindrückli­chkeit – in der linken Hand den typischen Drehleierb­ordun, rechts die Melodie des Drehleierm­annes. Auch Likas dezente Agogik fügte sich ein in die Interpreta­tion: der musikalisc­he Bogen endete erst nach dem verklungen­en Ton.

Die „Winterreis­e“ist nicht schwer im Sinne zirzensisc­her Bravourlei­stungen und gehört doch, in ihren gesamten Anforderun­gen an Sänger und Pianist, zum Schwersten der Liedlitera­tur. Bewegend, lange nachhallen­d war die Aufführung der „Winterreis­e“der zweieinig agierenden Künstler, die zu Recht mit vielen Bravi gefeiert wurden.

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