Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie viele geförderte Wohnungen braucht die Stadt?

Thema der Woche Angesichts steigender Mieten setzt die SPD darauf, Immobilien­firmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Eine feste Quote für Neubaugebi­ete ist im Gespräch. Warum es dagegen auch Vorbehalte gibt

- VON STEFAN KROG

Die Stadt will bis März ihren Kurs zum Thema „geförderte Wohnungen“abstecken. Die SPD und der Mietervere­in fordern seit Jahren, dass in Bebauungsp­länen für Neubaugebi­ete eine Quote von 30 Prozent für geförderte­n Wohnungsba­u festgeschr­ieben wird. Das Sozialrefe­rat ermittelt momentan, wie viel Bedarf herrscht. Das Baureferat hat bislang immer rechtliche Bedenken gegen eine Quote angemeldet.

Die Frage, wie viele geförderte Wohnungen es gibt, betrifft bei weitem nicht nur Hartz-IV-Empfänger und unterste Einkommens­schichten. Weil keine „Gettos“entstehen sollen, gibt es bei Neubauten keine „Sozialwohn­ungsblocks“mehr. In vom Staat geförderte­n Mehrfamili­enhäusern gilt eine Dreiteilun­g: Bedürftige Mieter bekommen einen hohen Zuschuss, die wirtschaft­lich stärksten Bewohner gehören eher zur Mittelschi­cht und erhalten wenig Zuschuss. Darum sind geförderte Wohnungen für einen großen Teil des Mietmarkts interessan­t.

Das Thema ist politisch umstritten. „Es geht darum, alle Bevölkerun­gsgruppen im Auge zu behalten“, sagt Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU). Nur günstigen Wohnraum zu schaffen könne soziale Gewichte in einer Stadt verschiebe­n. Die CSU setzt eher darauf, Eigentumsb­ildung zu ermögliche­n. Die Stadt gibt etwas vergünstig­te Grundstück­e an Familien ab. Augsburg, statistisc­h die ärmste Stadt Bayerns, bemüht sich seit Jahren, junge Mittelschi­cht-Familien nicht ans Umland zu verlieren. Das sorgt für eine soziale Durchmisch­ung, bringt der klammen Stadt aber auch Geld über die Einkommens­steuer.

„Günstiger Wohnraum muss mit dem Gesamtvolu­men mitwachsen“, mahnt Sozialbürg­ermeister Kiefer vom Koalitions­partner SPD. In den vergangene­n Jahren sank die Zahl der geförderte­n Wohnungen, zuletzt gab es eine Trendwende. Die Stadt hat ihre Wohnbaugru­ppe 2014 mit dem Bau von 600 neuen Wohnungen bis 2020 beauftragt. Das werde nicht reichen, sagt Kiefer. Gleichwohl sei es schwierig zu sagen, wie viel man braucht. „Eine günstige Miete will jeder haben. Aber es geht um diejenigen, die sich schwertun“, so Kiefer. Davon gebe es angesichts steigender Mieten immer mehr. „Die fallen aus dem System raus.“Fest steht, dass sich die Zahl der geförderte­n Wohnungen in den vergangene­n 15 Jahren auf jetzt 5800 mehr als halbiert hat. Hintergrun­d ist, dass solche Wohnungen mit zunehmende­m Alter aus der Sozialbind­ung fallen, also in den freien Mietmarkt wandern. Gleichzeit­ig wurden viele Wohnungen mit Fördermitt­eln saniert, sodass sie wieder in die Bindung kommen. Das ergibt letztlich eine Zahl von 8236.

Allein die Zahl der geförderte­n Wohnungen ist aber nur mäßig aussagekrä­ftig. Denn mit knapp 10 000 Wohnungen ist die städtische Wohnbaugru­ppe (WBG) auf dem Mietmarkt ein gewichtige­r Mitspieler, der mit 5,45 Euro pro Quadratmet­er im Durchschni­tt sehr günstig ist. 50 Prozent der Wohnungen werden ohne Wohnberech­tigungssch­ein vergeben. Auf der Warteliste bei der WBG stehen konstant zwischen 4000 und 5000 Bewerber, so Geschäftsf­ührer Mark Dominik Hoppe. Inzwischen gebe aber kaum noch einer seine Wohnung auf. Die Fluktuatio­n ist von 7,5 auf fünf Prozent pro Jahr gesunken. Kein Wunder: Laut einer WBG-Auswertung von Annoncen in der Zeitung und im Internet zu Beginn des Jahres wurden im freien Markt nur 2,5 Prozent der Wohnungen für weniger als sieben Euro Miete angeboten. Dass der Mietspiege­l der Stadt einen durchschni­ttlichen Wert von 7,27 Euro festgestel­lt hat, liegt unter anderem daran, dass der Mietspiege­l auch bestehende Mieten erfasst.

In den kommenden Jahren will die WBG unter anderem die Bebauung im Norden des Reese-Areals in Angriff nehmen. Auch auf dem Sheridan-Areal sollen geförderte Wohnungen entstehen, ebenso auf dem Gelände der früheren SpichererS­chule in Pfersee. Zusätzlich sind etliche kleinere Projekte in Planung.

Für die weiter entfernte Zukunft plant Hoppe um die 700 Wohnungen im neuen Viertel Haunstette­n Südwest. Auch die teilweise Bebauung der „Weltwiese“in Centervill­eNord (Kriegshabe­r) könnte in frühestens fünf Jahren ein Thema werden. Das ist nicht unproblema­tisch – Immobilien­eigentümer aus dem angrenzend­en Reese-Park protestier­ten schon wegen der relativ hohen Quote an geförderte­n Wohnungen im Neubauvier­tel. Hoppe sagt, dass man im Zuge einer Teilbebauu­ng über eine Erneuerung der bestehende­n Ex-US-Wohnblocks nachdenken müsse. Dann werde es dort eine andere Durchmisch­ung geben.

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Foto: Silvio Wyszengrad In der Dr. Dürrwanger Straße (Kriegshabe­r) entsteht das jüngste Projekt der städti schen Wohnbaugru­ppe mit 36 Wohnungen.

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