Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie viele geförderte Wohnungen braucht die Stadt?
Thema der Woche Angesichts steigender Mieten setzt die SPD darauf, Immobilienfirmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Eine feste Quote für Neubaugebiete ist im Gespräch. Warum es dagegen auch Vorbehalte gibt
Die Stadt will bis März ihren Kurs zum Thema „geförderte Wohnungen“abstecken. Die SPD und der Mieterverein fordern seit Jahren, dass in Bebauungsplänen für Neubaugebiete eine Quote von 30 Prozent für geförderten Wohnungsbau festgeschrieben wird. Das Sozialreferat ermittelt momentan, wie viel Bedarf herrscht. Das Baureferat hat bislang immer rechtliche Bedenken gegen eine Quote angemeldet.
Die Frage, wie viele geförderte Wohnungen es gibt, betrifft bei weitem nicht nur Hartz-IV-Empfänger und unterste Einkommensschichten. Weil keine „Gettos“entstehen sollen, gibt es bei Neubauten keine „Sozialwohnungsblocks“mehr. In vom Staat geförderten Mehrfamilienhäusern gilt eine Dreiteilung: Bedürftige Mieter bekommen einen hohen Zuschuss, die wirtschaftlich stärksten Bewohner gehören eher zur Mittelschicht und erhalten wenig Zuschuss. Darum sind geförderte Wohnungen für einen großen Teil des Mietmarkts interessant.
Das Thema ist politisch umstritten. „Es geht darum, alle Bevölkerungsgruppen im Auge zu behalten“, sagt Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU). Nur günstigen Wohnraum zu schaffen könne soziale Gewichte in einer Stadt verschieben. Die CSU setzt eher darauf, Eigentumsbildung zu ermöglichen. Die Stadt gibt etwas vergünstigte Grundstücke an Familien ab. Augsburg, statistisch die ärmste Stadt Bayerns, bemüht sich seit Jahren, junge Mittelschicht-Familien nicht ans Umland zu verlieren. Das sorgt für eine soziale Durchmischung, bringt der klammen Stadt aber auch Geld über die Einkommenssteuer.
„Günstiger Wohnraum muss mit dem Gesamtvolumen mitwachsen“, mahnt Sozialbürgermeister Kiefer vom Koalitionspartner SPD. In den vergangenen Jahren sank die Zahl der geförderten Wohnungen, zuletzt gab es eine Trendwende. Die Stadt hat ihre Wohnbaugruppe 2014 mit dem Bau von 600 neuen Wohnungen bis 2020 beauftragt. Das werde nicht reichen, sagt Kiefer. Gleichwohl sei es schwierig zu sagen, wie viel man braucht. „Eine günstige Miete will jeder haben. Aber es geht um diejenigen, die sich schwertun“, so Kiefer. Davon gebe es angesichts steigender Mieten immer mehr. „Die fallen aus dem System raus.“Fest steht, dass sich die Zahl der geförderten Wohnungen in den vergangenen 15 Jahren auf jetzt 5800 mehr als halbiert hat. Hintergrund ist, dass solche Wohnungen mit zunehmendem Alter aus der Sozialbindung fallen, also in den freien Mietmarkt wandern. Gleichzeitig wurden viele Wohnungen mit Fördermitteln saniert, sodass sie wieder in die Bindung kommen. Das ergibt letztlich eine Zahl von 8236.
Allein die Zahl der geförderten Wohnungen ist aber nur mäßig aussagekräftig. Denn mit knapp 10 000 Wohnungen ist die städtische Wohnbaugruppe (WBG) auf dem Mietmarkt ein gewichtiger Mitspieler, der mit 5,45 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt sehr günstig ist. 50 Prozent der Wohnungen werden ohne Wohnberechtigungsschein vergeben. Auf der Warteliste bei der WBG stehen konstant zwischen 4000 und 5000 Bewerber, so Geschäftsführer Mark Dominik Hoppe. Inzwischen gebe aber kaum noch einer seine Wohnung auf. Die Fluktuation ist von 7,5 auf fünf Prozent pro Jahr gesunken. Kein Wunder: Laut einer WBG-Auswertung von Annoncen in der Zeitung und im Internet zu Beginn des Jahres wurden im freien Markt nur 2,5 Prozent der Wohnungen für weniger als sieben Euro Miete angeboten. Dass der Mietspiegel der Stadt einen durchschnittlichen Wert von 7,27 Euro festgestellt hat, liegt unter anderem daran, dass der Mietspiegel auch bestehende Mieten erfasst.
In den kommenden Jahren will die WBG unter anderem die Bebauung im Norden des Reese-Areals in Angriff nehmen. Auch auf dem Sheridan-Areal sollen geförderte Wohnungen entstehen, ebenso auf dem Gelände der früheren SpichererSchule in Pfersee. Zusätzlich sind etliche kleinere Projekte in Planung.
Für die weiter entfernte Zukunft plant Hoppe um die 700 Wohnungen im neuen Viertel Haunstetten Südwest. Auch die teilweise Bebauung der „Weltwiese“in CentervilleNord (Kriegshaber) könnte in frühestens fünf Jahren ein Thema werden. Das ist nicht unproblematisch – Immobilieneigentümer aus dem angrenzenden Reese-Park protestierten schon wegen der relativ hohen Quote an geförderten Wohnungen im Neubauviertel. Hoppe sagt, dass man im Zuge einer Teilbebauung über eine Erneuerung der bestehenden Ex-US-Wohnblocks nachdenken müsse. Dann werde es dort eine andere Durchmischung geben.