Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie fortschrittlich sind unsere Landwirte?
Interview Die Digitalisierung macht auch vor der Agrarbranche nicht Halt. Im Gegenteil: Sie gilt als Vorreiter. Die Experten Wolfgang Sailer und Konrad Hörl erklären, wie modern die Region Augsburg (schon) ist
Die Digitalisierung macht auch vor der Agrarbranche nicht halt. Im Gegenteil: Die Landwirte gelten als Vorreiter. Denn sie sind technikaffin. Die Experten Wolfgang Sailer und Konrad Hörl erklären, wie modern die Region Augsburg (schon) ist.
Landkreis Augsburg Selbstfahrende Erntemaschinen, Melkroboter, Wetter-Apps: Die Landwirtschaft ist im Wandel und bereits häufig digital. Seit vielen Jahren prägen Sensorik, Informatik und Elektronik den Alltag vieler Landwirte. Das beobachten auch Wolfgang Sailer und Konrad Hörl. Sie leiten das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Augsburg. Die beiden Experten erklären, welche Folgen die Digitalisierung für die Agrarbranche hat und wie Bauern, Verbraucher und die Umwelt von den neuen Möglichkeiten profitieren können.
Digital Farming, Landwirtschaft 4.0: Die Digitalisierung der Landwirtschaft hat viele Namen. Welche Idee steckt hinter den Begriffen? Wolfgang Sailer: Digitalisierung ist für die Landwirtschaft ein Instrument für mehr Effizienz, mehr Ressourcenschonung und mehr Umweltschutz. Daraus ergibt sich eine größere Akzeptanz der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Es geht darum, vorhandene Daten zu nutzen, um intelligente Lösungen zu entwickeln – von der Aussaat bis zur Ernte. Darüber hinaus können die gewonnenen Daten vernetzt werden, um Kosten und Aufwand zu minimieren.
Wie fortschrittlich ist das Augsburger Land in dieser Hinsicht?
Konrad Hörl: Wenn in der Region Ställe für Milchkühe gebaut werden, sind 90 Prozent davon mit Melkrobotern ausgestattet. Ein anderes Beispiel ist der Kartoffelanbau. Dort kommen automatische Lenksysteme zum Einsatz, die sich über Satelliten sehr präzise ausrichten.
Sailer: Auch automatische Fütterungen, die individuell auf jedes Tier abgestimmt sind, sind durchaus gängig. Auch die Saat lässt sich beispielsweise optimieren. Das geht so weit, dass jedes Korn im richtigen Abstand zueinander liegt. Auch Nährstoffe und Düngemittel werden durch Sensoren an den Pflanzen präzise und kosteneffizient ausgebracht. Man gibt der Pflanze genau das, was sie braucht – nicht mehr und nicht weniger.
Die Umstellung ist sicherlich mit einer großen Investition verbunden. Wie teuer kommt die Digitalisierung die Landwirte zu stehen?
Sailer: Man darf nicht vergessen, dass Landwirte meist technikaffiner sind als der Durchschnittsbürger. Daher sind sie dem Thema generell oft sehr aufgeschlossen. Bei vielen Betrieben in der Region erfolgt die Digitalisierung in Stufen und nicht von heute auf morgen. Sie geht einher mit der betrieblichen Entwicklung. Jeder Betrieb muss sich schließlich regelmäßig die Frage stellen, ob er zeitgemäß und wirtschaftlich produziert. Das Problem ist, dass alte Geräte nicht umrüstbar sind und die Hersteller bisher lediglich Insellösungen anbieten, die untereinander nicht kombinierbar sind.
Gibt es weitere Hürden?
Hörl: Bei einem alten Schlepper konnte der Landwirt bisher mit einem Schraubenschlüssel ein mechanisches Problem lösen. Mit der neuen Technik ist das nicht mehr so einfach möglich, dann müssen Experten von außen eingreifen. Dennoch überwiegen die Vorteile. Praktisch besonders auch für kleinere Betriebe, die so Kosten einsparen können ...
Hörl: Ganz klar. Gut ist, dass es in der Landwirtschaft eine schöne Aufgabenteilung gibt. Landwirte, die sich die neuen Geräte nicht leisten können oder wollen, können spezialisierte Dienstleister beauftragen. Zum Beispiel bei der Rübenernte. Das wird durch die Digitalisierung noch einfacher.
Sailer: Wer die Chancen nicht nutzt, wird am Rand bleiben, egal wie groß der Betrieb ist. Man möchte eine Zwei-Klassen-Gesellschaft vermeiden und auch den kleinen Betrieben Lösungen anbieten.
Hörl: Man darf nicht vergessen, dass nicht nur höhere Erträge erwirtschaftet werden können, sondern die Digitalisierung erleichtert den Landwirten auch die Arbeit. Auch die Arbeitssicherheit wächst.
Was dürfen wir Verbraucher von den Entwicklungen erwarten?
Sailer: Ich denke nicht, dass Lebensmittel noch preisgünstiger werden, sondern den Wert erhalten, der ihnen zukommt. Auf den ersten Blick hat der Verbraucher nur einen sicheren Vorteil: Die Lebensmittel werden noch umweltschonender hergestellt. Und den Ansprüchen der Verbraucher, gesünder zu produzieren, dem Tierwohl und der -gesundheit mehr Wert zuzuschreiben, kann so ebenfalls nachgekommen werden.
Wie fördert die Politik die Entwicklungen?
Sailer: Im Masterplan Bayern Digital II stellt die Staatsregierung sowohl Geld als auch Stellen für die nächsten Jahre bereit. Bis 2022 werden 101 Millionen Euro für die Digitalisierung der Landwirtschaft ausgeschüttet sowie 85 Stellen geschaffen. Zum Beispiel soll es ein neues Digitalisierungszentrum geben. Auch in der Ausbildung des Nachwuchses soll verstärkt auf das Thema hingearbeitet werden.
Die Fragen stellte Sven Koukal