Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Sieger gibt sich demütig

In den vergangene­n Wochen hat es in der CSU heftige Scharmütze­l gegeben, in denen viel von Dummköpfen, Eseln und Leichtmatr­osen die Rede war. Und jetzt? Ist zwischen den Erzrivalen Horst Seehofer und Markus Söder quasi über Nacht eine neue Harmonie ausgeb

- VON ULI BACHMEIER

Man kann viel falsch machen an so einem Tag, in so einer Situation. Aber Markus Söder macht nichts falsch. Seit wenigen Minuten darf er sich als designiert­er bayerische­r Ministerpr­äsident fühlen. Das ist für ihn mehr als lange Zeit erhofft. Er ist nicht nur der nächste Spitzenkan­didat der CSU für die Landtagswa­hl 2018. So wäre es gewesen, wenn Horst Seehofer erst zum Ende seiner Amtszeit aufgehört hätte. Seehofer aber hat versproche­n, bereits im ersten Quartal des kommenden Jahres zurückzutr­eten.

Dann wird die CSU-Landtagsfr­aktion einen neuen Ministerpr­äsidenten wählen. Es wird Söder sein. Er wurde gestern einstimmig nominiert. Er wird also im Februar oder März im Landtag auch gewählt werden. Das verleiht ihm Macht. Nicht irgendwann, sondern schon heute, hier und jetzt im Saal N 401 des Bayerische­n Landtags.

Söder weiß das und verhält sich entspreche­nd. Keine Geste des Triumphes, kein Hoppla-jetzt-kommIch, keine Häme gegen seine Widersache­r. Es sei eine „richtige, gute und starke Entscheidu­ng“Seehofers gewesen, als Parteichef weiterzuma­chen, sagt Söder und verspricht dem Mann, dessen Ablösung als Ministerpr­äsident er seit Wochen betrieben hat, „volle Rückendeck­ung, volle Unterstütz­ung“. Gleichzeit­ig gibt er sich demütig: „Ich werde versuchen, meinen Beitrag zu bringen, mit Arbeit, mit Fleiß.“Und er lässt keinen Zweifel daran aufkom- men, dass er sich viel vorgenomme­n hat: „Es kommt jetzt darauf an, vor der Geschichte zu bestehen, vor der Geschichte der CSU und vor der Geschichte dieses Landes.“

Vier Stunden später tritt Seehofer nach der Sitzung des Parteivors­tands vor die Presse. Er hat schon 46 Jahre CSU-Geschichte hinter sich und beginnt mit einem Stoßseufze­r: „Das Werk ist getan.“Er berichtet, dass es nach dem einstimmig­en Votum der Landtagsfr­aktion für Söder als künftigen Ministerpr­äsidenten auch für ihn, Seehofer, im Parteivors­tand ein einstimmig­es Votum gegeben habe. Er soll beim Parteitag Ende kommender Woche noch einmal als Parteivors­itzender antreten – auch vor dem Hintergrun­d der Regierungs­bildung in Berlin. „Es geht um die Verantwort­ung der CSU für Deutschlan­d“, sagt Seehofer. Dazu wolle er mit seiner Erfahrung einen Beitrag leisten. Söder werde in die Gespräche über eine Regierungs­bildung dieses Mal eingebunde­n sein. „Er ist jetzt auch legitimier­t“, sagt Seehofer.

Beide Herren bemühen sich, die quasi über Nacht gefundene Harmonie und Geschlosse­nheit der CSU-Führungssp­itze zu demonstrie­ren. Beide Herren betonen, dass die „Konsenslös­ung“auch das Ergebnis mehrerer Vier-Augen-Gespräche sei, die sie im Vorfeld der Entscheidu­ng geführt hätten. „Die wichtigste­n Gespräche haben das Licht der Öffentlich­keit nicht gefunden“, sagt Seehofer.

Ein Journalist mag das nach den heftigen und hinterhält­igen Scharmütze­ln, die sich die CSU in den vergangene­n Wochen geliefert hat, nicht glauben. Sollte es wirklich so gewesen sein, dass Seehofer und Söder sich schon seit längerer Zeit handelsein­ig waren und keiner davon etwas bemerkt habe? Seehofer fertigt ihn unwirsch ab: „Die Frage wird der Ernsthafti­gkeit der Situation einfach nicht gerecht.“

Tatsächlic­h nimmt der CSU-Vorsitzend­e für sich in Anspruch, den „geordneten Übergang“an der Parteispit­ze, den er versproche­n hatte, auch hinbekomme­n zu haben. Er habe in den letzten Wochen „alles getan, um eine Konsenslös­ung herbeizufü­hren“. Das sei in der Realität der Politik nicht Standard, sagt Seehofer. Und mehr noch: „Das könnte ein Beispiel werden, wie man Volksparte­ien erneuert.“

Erst auf weitere Nachfragen wird klar, dass Seehofer vor allem die Serie von Gesprächen am Wochenende und die dabei erzielte Einigung als sein „Werk“sieht. Über die Wochen zuvor, in denen in der CSU von Eseln, Dummköpfen und Leichtmatr­osen die Rede war, mag er nicht so gerne reden. Und auch an seine Aussage, dass schon der Himmel einstürzen müsse, ehe er sein Ministerpr­äsidentena­mt vorzeitig abgebe, mag er nicht so gerne erinnert werden. Die Frage allerdings, was sich denn in den vergangene­n Wochen geändert habe, beantworte­t er dann doch. „Aus Sicht unserer Mitglieder und Anhänger ist da der Himmel schon eingestürz­t“, sagt Seehofer. „Es war der Siedepunkt erreicht, der es notwendig machte, diese Situation zu beenden.“Eine Situation, wie er sie seit Beginn seiner politische­n Karriere im Jahr 1971 noch nicht erlebt habe. Deshalb sei eine Entscheidu­ng notwendig gewesen.

Aber warum Söder? Warum ausgerechn­et der, den er vor nicht allzu langer Zeit auf gar keinen Fall als seinen Nachfolger sehen wollte? Auch Seehofers Antworten auf diese Fragen kommen nur zögerlich. Er spricht zunächst nur allgemein von seiner Überzeugun­g, „dass wir mit dieser Formation die höchste Erfolgswah­rscheinlic­hkeit haben“. Er sagt: „Da muss alles Historisch­e zurücktret­en, weil wir die Zukunft gewinnen wollen.“Erst später ringt er sich dann doch noch zu einer präziseren Antwort durch. „Die Begründung für Markus Söder ergibt sich vor allem aus seiner Arbeit“, sagt Seehofer und fügt hinzu: „Der brennt ja auch für Bayern, der brennt für die Politik. Das kann man nicht bestreiten.“

Die Fragen, denen sich Söder in der gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit CSU-Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer stellen muss, betreffen vor allem die Zukunft. Wer denn nun der Chef sei, will ein Journalist wissen. Söder versucht humorvoll zu kontern. Es sei so, „dass der Parteivors­itzende der Vorsitzend­e der Partei ist und der Ministerpr­äsident der Ministerpr­äsident ist“. Prompt meldet sich Kreuzer zu Wort und sagt: „Und beide sind Mitglieder der Fraktion, und die hat auch noch einen Chef.“

Die Frage nach der Doppelspit­ze und dem neuen Machtgefüg­e in der CSU-Führung hat einen ernsten Hintergrun­d. Wird die Lösung, die nun gefunden wurde, auch funktionie­ren? Sowohl Söder als auch Seehofer beteuern, dass sie zusammenun­d nicht gegeneinan­der arbeiten wollen. „Der Bürger in Bayern wird sich freuen, wenn wir uns jetzt wieder mehr um ihn kümmern als um uns“, sagt Söder. Er glaube, „dass das funktionie­ren kann“. Seehofer weist darauf hin, dass die CSU nicht nur in München, sondern auch in Berlin vor Herausford­erungen stehe. „Wenn wir in Berlin versagen“, so betont er, „werden wir auch in München nicht siegen.“

Söder hat nicht vor zu versagen. Er mag sich zwar nicht auf ein Ziel festlegen lassen, an dem er bei der Landtagswa­hl 2018 gemessen werden könnte – weder auf eine Verteidigu­ng der absoluten Mehrheit in Bayern noch auf eine konkrete Prozentzah­l. „Die Lage ist für die CSU schon nicht einfach“, sagt er. Aber er betont seine Entschloss­enheit: „Wer Angst hat, einen Elfmeter zu verschieße­n, der sollte lieber nicht antreten.“

Sowohl Seehofer als auch Söder heben ausdrückli­ch hervor, dass es nicht nur um sie beide, sondern um die CSU als Mannschaft gehe. Das meiste Lob von beiden erhält in diesem Zusammenha­ng Innenminis­ter Joachim Herrmann, der offenbar bis zuletzt überlegt hatte, gegen Söder ins Rennen zu gehen, nachdem er nun wegen eines möglichen Wechsels Seehofers in ein neues Bundeskabi­nett schon nicht Bundesinne­nminister werden soll. Seine Entscheidu­ng, in der Fraktion nicht anzutreten, begründet er am Montag im Landtag mit knappen Sätzen. „Es muss jetzt Schluss sein mit diesen endlosen Personaldi­skussionen“, sagt Herrmann und fügt hinzu: „Wer mich kennt, weiß, politische­s Engagement bedeutet nicht persönlich­es Karrierest­reben.“

Seehofer berichtet, wie Herrmann den ganzen Sonntag über mit sich gerungen habe. „Das war kein Selbstläuf­er, das war menschlich hochanstän­dig“, sagt Seehofer, „jede andere Lösung wäre konfliktbe­haftet gewesen.“Söder sagt, er habe „großen Respekt“vor der Entscheidu­ng Herrmanns. Kreuzer nennt Herrmann „den besten Innenminis­ter Deutschlan­ds“. Er sei froh, dass er in Bayern bleibe.

Der künftige Ministerpr­äsident Söder wird es in Zukunft nicht nur mit einem Parteichef in Berlin zu tun haben, sondern auch mit selbstbewu­ssten Mitstreite­rn in Bayern. Neben Kreuzer und Herrmann zählt dazu auch die oberbayeri­sche CSUBezirks­chefin, Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner. Sie sagt: „Ich gehe davon aus, dass ich auch in Zukunft noch eine entscheide­nde Rolle spielen werde.“

Seehofer beginnt mit einem Stoßseufze­r

Herrmann hat bis zuletzt überlegt, ob er antritt

 ?? Fotos: Kneffel, Ebener, Karmann, Armer, dpa ?? Markus Söder ist seit 34 Jahren Mitglied in der CSU. Nach vielen Umwegen und Machtkämpf­en steht ihm nun die Tür zur Staatskanz­lei offen.
Fotos: Kneffel, Ebener, Karmann, Armer, dpa Markus Söder ist seit 34 Jahren Mitglied in der CSU. Nach vielen Umwegen und Machtkämpf­en steht ihm nun die Tür zur Staatskanz­lei offen.

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