Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Noch ein Entwicklun­gsland“

Schule & Familie Die SPD-Bildungspo­litikerin Simone Strohmayr kritisiert die Ganztagsan­gebote an Realschule­n und Gymnasien im Kreis als absolut unzureiche­nd

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg An ihrem neuen Wohnort fühlte sich die junge, alleinerzi­ehende Mutter gut aufgehoben. In einem Büro in der Gemeindeve­rwaltung wurde ihr erklärt, wo und wie ihr Kind am besten betreut werden könnte. Das war vor 25 Jahren in Frankreich. Heute ist die junge Mutter von einst eine gestandene Familien- und Bildungspo­litikerin in Bayern und sagt, so ein Angebot wie damals in Frankreich gebe es in den meisten bayerische­n Gemeinden heute noch nicht. „Da sind wir schon noch ein Entwicklun­gsland.“

Ihre Kritik macht die Stadtberge­r SPD-Landtagsab­geordnete und Kreisrätin Simone Strohmayr unter anderem an der Betreuungs­situation für Schüler fest. Zwar mache der Landkreis hervorrage­nde Erhebungen, um die Bedürfniss­e der Familien im Augsburger Land abzufragen, doch der Freistaat tue dann viel zu wenig.

Gerade an Gymnasien und Realschule­n gebe es zu wenige Ganztagsan­gebote, und berufstäti­ge Eltern müssten ihre Sprössling­e sich selbst überlassen. Strohmayr: „Die Kinder werden genau dann allein gelassen, wenn sie die meiste Unterstütz­ung bräuchten.“Ihre Kritik untermauer­t die Bildungspo­litikerin mit Zahlen aus dem Kultusmini­sterium be- ziehungswe­ise mit Daten aus Erhebungen des Landratsam­tes. Die Zahlen ähneln meist denen aus der Stadt Augsburg beziehungs­weise dem Landkreis Aichach-Friedberg. ● Grundschul­en Hier ist fast die Hälfte der Kinder nach regulärem Unterricht­sende betreut. Knapp vier Prozent gehen in gebundene Ganztagskl­assen, sieben Prozent haben offene Ganztagskl­assen, mehr als 20 Prozent sind in verschiede­n langen Mittagsbet­reuungen. Hinzu kommen noch die Horte, welche rund 14 Prozent der Grundschül­er die umfassends­te Betreuung bieten – auch an Freitagnac­hmittagen und in den Ferien. Die einzelnen Angebote seien von sehr unterschie­dlicher Qualität und Verfügbark­eit. Strohmayr: „Die Unterschie­de sind den Eltern oft gar nicht bewusst.“Hier fehlten die Informatio­nen.

Auch die Angebote in den Ferien hält die Abgeordnet­e für unzureiche­nd. Zwar gebe es inzwischen in 43 von 46 Städten und Gemeinden im Kreis Ferienprog­ramme – aber eben nicht die ganzen Ferien lang und nicht in allen Ferien. Strohmayr: „Das ist ein Anfang. Aber es ist nicht das verlässlic­he Angebot, das berufstäti­ge Eltern für ihre Kinder brauchen.“

● Mittel und Realschule, Gymna sien Dünn gesät sind die Angebote ab der fünften Klasse aufwärts, besonders in den beiden besonders begehrten Schularten Gymnasium und Realschule (siehe Daten & Fakten). Während es an den Mittelschu­len im Kreis für ein knappes Drittel der Schüler offene oder gebundene Ganztagsan­gebote gibt, liegen die Zahlen in den Realschule­n bei rund sechs Prozent beziehungs­weise bei acht Prozent am Gymnasium. Hinzu kommt: Die Angebote konzentrie­ren sich überwiegen­d auf die unteren Klassen. Unterm Strich sei das „vernichten­d wenig“, sagt Strohmayr. Das Argument, dass die Schüler nicht so lange in der Schule bleiben wollen, will sie nicht gelten lassen. „Das liegt am jetzigen Angebot.“Auch der bauliche Zustand vieler Schulen sei nicht für Ganztag ausgelegt. Seit Jahren habe es der Freistaat versäumt, die entspreche­nde Bauverordn­ung den neuen Erforderni­ssen anzupassen.

In der Staatsregi­erung in München sieht die SPD-Politikeri­n den Hauptadres­saten ihrer Kritik. Der Freistaat müsse mehr tun – auch finanziell. „Man kann das nicht alles den Kommunen und den Eltern aufbürden.“Für das Augsburger Land sei ein Ausbau der Angebote besonders wichtig, sagt Strohmayr unter Verweis auf die steigende Zahl der Pendler. Wer auswärts arbeite, wolle seine Kinder daheim gut versorgt wissen.

Um welche Größenordn­ungen es dabei geht, zeigt das Beispiel der inzwischen mehr als 200 Kitas im Kreis. Dort gibt es mehr als 11000 Plätze für Krippen- und Kindergart­enkinder sowie Grundschül­er. Das reicht aber nicht. Die Angebote sind so gut wie ausgebucht, und in einer Umfrage des Landratsam­tes beklagte rund ein Viertel der Familien, dass das Fehlen eines passenden Platzes fürs Kind dem Job eines Elternteil­s im Weg stand.

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Simone Strohmayr

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