Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gibt es Alternativ­en zu Glyphosat?

Landwirtsc­haft Wissenscha­ftler und Bauern wünschen sich die Rückkehr zu einer sachlichen Debatte um den Pflanzensc­hutz-Wirkstoff. Warum so emotional diskutiert wird und welche Vor- und Nachteile andere Methoden haben

- VON IDA KÖNIG

Augsburg Kein anderes landwirtsc­haftliches Thema beschäftig­te die Öffentlich­keit zuletzt so sehr wie die Debatte um den in vielen Pflanzensc­hutzmittel­n enthaltene­n Wirkstoff Glyphosat. Die EU hat sich vor wenigen Wochen dazu entschiede­n, das Herbizid für weitere fünf Jahre zuzulassen und bezieht sich dabei auf mehrere Studien, die Glyphosat als nicht krebserreg­end einstufen. Auf der anderen Seite steht die Einordnung der internatio­nalen Krebsforsc­hungsagent­ur IARC, die Glyphosat als wahrschein­lich krebserreg­end einstuft, was sie aber auch beispielsw­eise bei Schinken tut. Wissenscha­ftler und Landwirte stören sich vor allem daran, dass die Diskussion auf einer emotionale­n Ebene geführt wird – obwohl Glyphosat sehr gut erforscht sei und es kaum Alternativ­en gebe.

Klaus Erdle von der Deutschen Landwirtsc­haftsgesel­lschaft (DLG) geht davon aus, dass die Debatte unter anderem deshalb so hitzig ist, weil der Wirkstoff Glyphosat von Monsanto entwickelt wurde. Das Unternehme­n stehe weltweit in der Kritik, weil es Glyphosat in Kombinatio­n mit gentechnis­ch veränderte­n Pflanzen einsetze. In Deutschlan­d sei dies aber nicht möglich, weil der Anbau von genverände­rten Pflanzen verboten ist.

Die zweite Ursache für die starke Kritik vermutet der Bereichsle­iter für Pflanzenpr­oduktion und Außenwirts­chaft in der Anwendungs­weise, die nach wie vor in vielen Teilen der Welt genutzt wird. In Deutschlan­d würde Glyphosat vor allem zur Behandlung von Unkräutern und -gräsern verwendet. Außerdem diene das Pflanzensc­hutzmittel dem Erosionssc­hutz, weil der Boden nicht mechanisch gepflügt werden muss. Glyphosat werde zu diesem Zweck also nur dann ausgebrach­t, wenn die Saat noch gar nicht auf dem Feld ist. Erdle bestätigt aber auch, dass Glyphosat – zwar unter dem Grenzwert – in Bier und Brot gefunden wurde. Das kam dem Landwirtsc­haftsexper­ten zufolge wahrschein­lich durch ein Verfahren zustande, das in Deutschlan­d mittlerwei­le für die Ernteerlei­chterung verboten ist: Sikkation. Dabei wird das Abreifen durch Glyphosat beschleuni­gt und die Nutzpflanz­en werden abgetötet. So kann ein noch nicht komplett reifer Bestand geerntet werden.

Sikkation ist seit 2014 nur noch dann erlaubt, wenn aufgrund eines sehr starken Unkrautbew­uchses oder durch ungleichmä­ßiges Abreifen sonst keine Ernte mehr möglich wäre. Markus Peters vom Bayerische­n Bauernverb­and sagt, dass Sikkation in vielen Teilen der Welt zur gewöhnlich­en Praxis gehört – ein Umstand, von dem der Bauernverb­and Abstand nimmt. Denn dadurch komme der Endverbrau­cher möglicherw­eise mit Glyphosat in Berührung. Wegen der Bodenbesch­affenheit und der landwirtsc­haftlichen Struktur in der Region sei Sikkation aber kein bayerische­s Problem. Im Ausland komme es vor allem auf riesigen Flächen zum Einsatz, auf denen unterschie­dliche Bodenbesch­affenheite­n herrschen und somit die Ernte an verschiede­nen Zeitpunkte­n reif ist.

Ein weiterer Grund für die umfangreic­he Kritik an Glyphosat ist die schiere Menge, die in Deutschlan­d verwendet wird. Etwa 5000 Tonnen werden im Schnitt pro Jahr ausgebrach­t. Wissenscha­ftler des Julius-Kühn-Instituts (JKI), das sich als Bundesfors­chungsinst­itut mit Kulturpfla­nzen beschäftig­t, haben in einer Studie herausgefu­nden, dass etwa 37 Prozent der Ackerfläch­e in Deutschlan­d mit glyphosath­altigen Pflanzensc­hutzmittel­n behandelt wird. Das liegt daran, dass es schwierig ist, Alternativ­en für Glyphosat zu finden. Nach Untersuchu­ngen des JKI gibt es kein Herbizid mit annähernd gleicher Wirkung wie Glyphosat. Erdle zufolge wäre ein Cocktail aus verschiede­nen anderen Pflanzensc­hutzmittel­n theoretisc­h möglich. Diese Stoffe seien aber wahrschein­lich giftiger für die Umwelt als Glyphosat.

Till-David Schade, der beim Naturschut­zbund Deutschlan­d als Referent für Biologisch­e Vielfalt tätig ist, gibt zu bedenken, dass es keinen vergleichb­aren Wirkstoff gibt, der so lange im Boden bleibt wie Glyphosat – dem Umweltschü­tzer zufolge dauert es bei dem Wirkstoff bis zu einem halben Jahr, bis die Hälfte der Substanz im Boden abgebaut ist. Allerdings hätten Schade zufolge auch andere Breitbandh­erbizide auf die biologisch­e Vielfalt einen ähnlich negativen Effekt wie Glyphosat. Deshalb sei vor allem eine Veränderun­g im Ackerbau nötig.

Alternativ­e Möglichkei­ten sind dem DLG zufolge mehrere Anwendunge­n mit dem Grubber oder die Rückkehr zum Pflug. Doch auch die mechanisch­e Bodenbearb­eitung hat laut dem Landwirtsc­hafts-Experten Auswirkung­en auf die Umwelt – beispielsw­eise würde stärker in den Boden eingriffen. DLG-Pressespre­cher Daniel Dittrich erklärt, dass es durch das Pflügen zu einem erhebliche­n Anstieg von CO2 aus dem Boden kommen würde. Außerdem bräuchten die Landmaschi­nen im häufigen Einsatz deutlich mehr Treibstoff – wodurch mehr Dieselabga­se in der Luft landen. Zudem steigen durch den größeren Arbeitsauf­wand die Kosten für den Verbrauche­r, sagt Markus Peters vom Bayerische­n Bauernverb­and.

Die Substanz wird nur langsam abgebaut

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Foto: Patrick Pleul, dpa Über den Wirkstoff Glyphosat ist zuletzt kontrovers diskutiert worden. Doch ganz so leicht zu ersetzen ist er nicht, sagen Fach leute.

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