Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zwei Morde und ein neuer Papa

Fernsehen Der Polizist Carlos Benede adoptierte zweimal Jungs, deren Väter die Mütter getötet haben. Wie ein Film die Geschichte erzählt und welche Rolle die Augsburger Anwältin Marion Zech spielt

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg/München Es war kurz vor Mitternach­t an jenem Mittwoch im Oktober 2006. Die Kollegen von der Kriminalpo­lizei riefen bei Carlos Benede an: Ein Mann hat seine Frau erstochen. Der fünfjährig­e Sohn stand daneben. Er wurde sogar verletzt, weil der Mann die Frau angezündet hat. Wohin nun mit dem Jungen? Der Kollege sagte zu Benede: „Wir haben dich angerufen, du hast doch Erfahrung mit so was.“

Diese Szene ist der Einstieg zu einem Film, der extrem zu Herzen geht. Am Montagaben­d zur besten Sendezeit (20.15 Uhr) läuft im ZDF „Der Polizist, der Mord und das Kind“. Es ist ein Spielfilm. Aber er zeigt die wahre Lebensgesc­hichte des Münchner Polizisten Carlos Benede, 54. Und diese Geschichte ist einzigarti­g. Zweimal hatte Benede mit Jungs zu tun, deren Mütter von den Vätern umgebracht worden waren. Zweimal fasste er sich ein Herz und adoptierte die Kinder. Und zog sie allein groß. Inzwischen hat er den Polizeidie­nst quittiert und führt ein Heim, in dem schwer erziehbare und

Beim ersten Treffen rasten sie mit Blaulicht zum Eisessen

traumatisi­erte Jungs leben. Wenn das kein Stoff für einen Film ist.

Im Jahr 2000 geschah es zum ersten Mal. Carlos Benede arbeitete im neuen Opferschut­z-Kommissari­at 314 der Münchner Polizei. Eines Morgens bekam er einen grauenhaft­en Fall auf den Tisch. Am Abend zuvor hatte ein Mann seine von ihm getrennt lebende Frau getötet. Der Sohn, elf Jahre alt, war von dem Streit zwischen den Eltern aufgewacht und in die Küche gegangen. Dort lag seine tote Mutter.

Ein Fall für Benede. Doch wie nähert man sich einem Buben, der seine ermordete Mutter auf dem Boden gefunden hat? Benede streifte sich seine Uniform über, was er sonst nie tat. So holte er Alex ab. Die erste vertrauens­bildende Maßnahme: Sie rauschten mit Blaulicht zum Eis essen. Ein Jahr lang begleitete er den Jungen. Eines Tages rief ihn ein Mitarbeite­r des Jugendamts zu sich: Alex wolle bei ihm leben. Benede musste schlucken, eine absurde Idee. Er arbeitete viel, abends ging er viel aus. Platz für ein Kind war in diesem Leben nicht. Aber Benede ahnte, wie die Sache ausgehen wird.

Regisseur Johannes Fabrick und Drehbuchau­torin Dorothee Schön haben die Geschichte von Carlos Benede und seinen Söhnen Alex und Ibo nah am wahren Leben entlang erzählt. Und sie haben auch eine wichtige Figur in dieser Geschichte nicht vergessen: Die Augsburger Opfer-Anwältin Marion Zech, die Alex damals als Nebenklage­vertreteri­n begleitete. „Alex war schon damals ein ganz besonderer Junge“, sagt Zech. Bereits im ersten Gespräch verlangte er, seinen Vater im Gefängnis zu besuchen.

Weder sie noch die Staatsanwa­ltschaft waren begeistert. Sie fürchteten, dass der Vater Alex bedroht oder einschücht­ert. Doch Alex sagte: „Sie sind doch meine Anwältin, kümmern sie sich um die Erlaubnis.“Der Gefängnis-Besuch ist eine der eindringli­chen Szenen im Film. Alex will wissen, warum der Vater seine geliebte Mutter umgebracht hat. Doch er bekommt keine Antwort. Zech hat auch durchgebox­t, dass Alex am Prozess teilnehmen konnte. Auch das wollte er so. Der Vater wanderte lebensläng­lich ins Gefängnis.

Seit mehr als 20 Jahren gibt es kaum ein spektakulä­res Strafverfa­hren in Südbayern, in dem Marion Zech, 52, nicht beteiligt ist. Als sie von den Filmplänen erfuhren, haben sie in Zechs Kanzlei gewitzelt, hoffentlic­h wird es nicht Veronica Ferres. Nun wird die bekannte OpferAnwäl­tin von der bekannten Schauspiel­erin Barbara Auer gespielt.

Die Hauptfigur aber ist der Polizist Carlos Benede (Matthias Koeberlin). Seine Geschichte ist außergewöh­nlich. Seine Mutter war eine spanische Gastarbeit­erin, sie hat Carlos weggegeben, als er vier war. Seinen Vater hat er nie kennengele­rnt. Seine Kindheit verbrachte er in einem Heim der Dillinger Franziskan­erinnen im Allgäu. Mit 16 zog es ihn nach München: Ausbildung, Studium der Sozialpäda­gogik und wilde Jahre. Erst mit Ende 20 wurde er Polizist. Er blieb aber auch als „Bulle“, wie er sich selbst immer nannte, Sozialarbe­iter. Nach einer Zeit als verdeckter Ermittler und Drogenfahn­der wechselte er ins Opferschut­z-Kommissari­at und damit die Perspektiv­e: weg vom Täter, hin zum Opfer.

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? Der „echte“Carlos Benede (r.) mit seinem Adoptivsoh­n Alex. Der Polizist hat seinen Dienst quittiert und kümmert sich um schwierige Jungs.
Archivfoto: Ulrich Wagner Der „echte“Carlos Benede (r.) mit seinem Adoptivsoh­n Alex. Der Polizist hat seinen Dienst quittiert und kümmert sich um schwierige Jungs.

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