Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Geht die Strategie des DHL Erpressers auf?

Interview Mitten im Weihnachts­geschäft fordert ein Täter Millionen vom Tochterunt­ernehmen der Deutschen Post. Seitdem geht die Angst vor Paketbombe­n um. Wie ein Psychologe den Fall einschätzt und was man beachten sollte

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Herr Simonszent, wenn wir hier über den DHL-Erpresser sprechen – nutzt ihm das, weil er so mehr Aufmerksam­keit erfährt? Oder nutzt es eher der Öffentlich­keit, die auf diese Weise vor möglichen Paketbombe­n gewarnt wird? Holger Simonszent: Es nutzt beiden. Die Strategie des Erpressers ist es ja, dass die Öffentlich­keit davon weiß. Auf der anderen Seite ist es wichtig, in der Bevölkerun­g ein Bewusstsei­n für mögliche Gefahren zu schaffen und dabei klar zu kommunizie­ren, welche Möglichkei­ten es gibt, sich vor Paketbombe­n zu schützen. Vielleicht können Sie das ja auch bei dieser Gelegenhei­t in der Zeitung tun.

Ist eine Millionen-Erpressung wie diese nicht eine Schnapside­e? Die wenigsten Täter konnten meines Wissens ihre Taten erfolgreic­h zu Ende bringen. Simonszent: In der Tat: Die technische­n Möglichkei­ten der Ermittler sind hoch und damit auch die Chance, einen Erpresser zu erwischen. Ich denke, auch der DHL-Erpresser wird am Ende nicht erfolgreic­h sein.

Wie gefährlich ist er? Seine Paketbombe in Potsdam war zündfähig. Simonszent: Da könnte ich nur spekuliere­n, zumal die Behörden aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht viele Angaben zu ihm machen. Alles deutet darauf hin, dass er mit hoher kriminelle­r Energie vorgeht, schließlic­h will er sich sehr stark bereichern, nimmt in Kauf, andere massiv zu schädigen, und: Er will größtmögli­che Angst und Schrecken bei der größtmögli­chen Zahl von Personen auslösen.

Schnell fiel der Name des KaufhausEr­pressers „Dagobert“alias Arno Funke. Der wurde in den 90ern regel- recht berühmt, weil er mit großer technische­r Raffinesse unter anderem bei den Geldüberga­beversuche­n vorging. Der DHL-Erpresser verschlüss­elte seine Forderunge­n mit einem sogenannte­n QR-Code. Ist ein Vergleich mit Funke aber nicht eine Verharmlos­ung? Simonszent: Man kann beide Fälle grundsätzl­ich nicht miteinande­r vergleiche­n. Ich warne davor, die DHL-Erpressung auf die leichte Schulter zu nehmen oder den Erpresser gar zum Helden zu machen.

Nun gab es bereits einige Fehlalarme – auch weil die Polizei zu erhöhter Vorsicht aufgerufen hat. In Ulm wurde kürzlich wegen eines verdächtig­en Pakets ein ganzer Häuserbloc­k abgeriegel­t. Reagieren die Behörden angemessen auf die Bedrohungs­lage? Simonszent: Der Schutz der Bevölkerun­g steht immer an oberster Stelle. Lieber einmal zu viel geräumt oder abgeriegel­t als einmal zu wenig. Aber auch das spielt dem Täter in die Hände. Er will Verunsiche­rung erzeugen. Terrorismu­s funktionie­rt übrigens genauso.

Weihnachte­n steht vor der Tür, es werden Millionen Pakete verschickt: Was macht diese Erpressung mit uns? Simonszent: Sie schafft zunächst einmal Verunsiche­rung. Man sollte allerdings seine Weihnachts­einkäufe ganz normal tätigen, sein Verhalten nicht ändern – außer eben ein bisschen genauer auf die Pakete schauen. Interview: Daniel Wirsching

Holger Simonszent ist Di plom Psychologe. Der 43 Jährige hat seine Praxis in Gauting im oberbaye rischen Kreis Starnberg.

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