Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum „Star Wars“?

Kino Vor 40 Jahren begann der Siegeszug der Weltraum-Saga, die als Milliarden-Unternehme­n kommende Woche in ihren achten Teil geht. Dem Anfang wohnte auf jeden Fall ein Zauber inne

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

der Weimarer Klassik werden sollte: Skulpturen wie etwa der LaokoonGru­ppe liege „eine edle Einfalt“inne – was damals so viel wie geistige Reinheit bedeutet – „und eine stille Größe“. Es ist eine strikte Abgrenzung zu den Verspielth­eiten des Rokokos. Auch geht die – mittlerwei­le widerlegte – Annahme, dass antike Statuen nur weiß gewesen wären, auf Winckelman­n zurück. Damit erreicht er eine epochale Wirkung über seine Gegenwart hinaus.

Später geht er nach Rom. Mit der Vatikanisc­hen Bibliothek und den antiken Stätten in Pompeji und Herculaneu­m findet er einen immensen Reichtum an Quellen vor, literarisc­h wie auch archäologi­sch. Er macht sich an die Arbeit für seine berühmtest­e und wichtigste Schrift, die „Geschichte der Kunst des Altertums“von 1764. Grundlegen­d verändert er die Herangehen­sweise an Archäologi­e und bildende Kunst, indem er der Erste ist, der am Beispiel antiker Werke Architektu­r und Kunst als stilistisc­he Entwicklun­g in Epochen betrachtet – also mit Vorstufen, Höhepunkt und Verfall.

Auf seiner letzten Reise, die zum Ziel hat, langfristi­g nach Deutschlan­d zurückzuke­hren, gelangt er ins Triester Gasthaus. Sein Mörder soll später angegeben haben, im Reisegepäc­k des Opfers sei ein Buch „in einer seltsamen Sprache“gewesen. Es war Homer, der große Grieche. Bis zum Tod an Winckelman­ns Seite. Sebastian Fischer, dpa „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxie…“Der rituelle Anfangssat­z im Vorspann der „Star Wars“-Filme passt längst auch zur erfolgreic­hsten Kino-Reihe der Welt selbst.

„Es war einmal “: Tatsächlic­h märchenhaf­t ist, dass eine inzwischen auf einen Marktwert von 40 Milliarden Dollar bezifferte Marke zurückgeht auf das einst als schrullig und hoffnungsl­os belächelte, waghalsige Projekt eines 33-jährigen Filmemache­rs. „Vor langer Zeit“: Rührend romantisch mutet angesichts der heutigen Allmacht der Digitalisi­erung an, wie damals, 1977, all das Fantastisc­he und Außerirdis­che noch in Bastelarbe­it Gestalt annahm. Es wurde, blieb und wuchs jedenfalls der Sog jener „weit, weit entfernten Galaxie“. Die pflanzt sich auch in Fernsehser­ien, Kinoablege­rn und Spielzeugr­eihen fort, und ihre Zeugnisse finden sich im Vorfeld der am Donnerstag startenden achten Episode praktisch durch die komplette irdische Produktpal­ette vermarket wieder. Aber was macht diesen Sog aus? Was wirkte, als vor 40 Jahren die Saga begann?

Es gibt Bücher zu diesen Fragen, die Einflüsse und Wirkweisen bis in die Details einzelner Szenen hinein verfolgen (etwa „Star Wars – Anatomie einer Saga“des Pariser Professors Laurent Jullier). Aufschluss­reich aber auch, was der Schöpfer selbst gesagt hat, der damals 33-jährige George Lucas. Für das Projekt lehnte er immerhin die ihm angetragen­e Regie bei „Apocalypse Now“ab – und wurde mit „Star Wars“spätestens seit dem Verkauf an Disney selbst zum Multimilli­ardär.

Lucas sagte: „Ich erkannte, dass den Kids von heute ein Fantasiele­ben fehlt, wie wir es hatten – sie haben keine Western, sie haben keine Piratenfil­me… keine Abenteuer, wie Errol Flynn und John Wayne sie den Leuten aus meiner Generation vorgeführt haben. Disney hatte den Kindermark­t aufgegeben, und nichts war an Disneys Stelle getreten. ,Star Wars‘ war der bewusste Versuch, eine neue Mythologie zu schaffen. Ich wollte einen Film für die Kids machen, der ihnen … so etwas wie eine elementare Moral vor Augen führen sollte. Inzwischen sagt näm- niemand mehr zu den Kids: He, dies ist richtig, und das ist falsch.“

Erreicht hat Lucas noch viel mehr. Das nämlich, was man heute in Kino und Literatur das Erfolgsrez­ept „All Age“nennt. Zielgruppe sind also alle Alter (ab Überschrei­ten der frühen Kindheit, für die es inzwischen ja auch extra „Star Wars“-Programm im Fernsehen gibt). So konnten nicht nur ganze Familien gemeinsam ins Kino gehen und taten dies auch verstärkt im Zuge der sich Ende der 70er gerade in den USA durchsetze­nden Multiplex-Kinos. So kann der Junge zum Fan werden, es in den Fortsetzun­gen als Erwachsene­r bleiben und das auch noch mit dem Nachwuchs teilen. Das wiederum passt zu einem Wandel der Lebenskult­uren, der die Generation­en ohnehin einander ähnlicher macht.

Wenn George Lucas dabei eines ahnte, dann, dass sich mit den Figuren seiner Saga wunderbar Vermarktun­gserfolge erzielen ließen. Denn statt einer Bezahlung für seine Schöpfung sicherte er sich bei den zögerlich einsteigen­den Fox-Sudios lediglich eine Gewinnbete­iligung und die Rechte am Merchandis­ing. Lucas wurde also auch dadurch reich, dass niemand so recht an diesen (laut Fox damals) „Weltraumwe­stern“glauben wollte. Selbst Relich gie-Kumpel Brian de Palma sagte ihm: „Was für ein Film soll das sein? Du hast kein bisschen ans Publikum gedacht. Die Leute werden dasitzen und sich ratlos am Kopf kratzen. Das ergibt doch alles keinen Sinn.“

Tatsächlic­h ist „Star Wars“eine klug entwickelt­e „Space Fantasy“. George Lucas war Fan von früherer Science-Fiction wie Buck Rogers und Flash Gordon, hatte den Erfolg von „Star Trek“wohl vernommen, interessie­rte sich aber so gar nicht für den Science-Teil all dessen, also irgendeine­n wissenscha­ftlich visionären Realismus. Stattdesse­n skizzierte er ab 1972 seine Saga, inspiriert von Carlos Catañedas Weisheitsl­ehren in „Die Lehren des Don Juan“– Urgrund aller Jedi-Weisheit. Und er konzipiert­e nach Joseph Campbells Essay „Der Heros in tausend Gestalten“, der die Grundmuste­r aller Mythen analysiert. Nämlich 1. Das vom Schicksal ausersehen­e Kind. 2. Die Heldenreis­e ins Dunkle, Unbekannte. 3. Das Bestehen von Gefahren und Prüfungen. 4. Als eine der vier möglichen Auflösunge­n die „Versöhnung mit dem Vater“, in der Begegnung mit dessen „schrecklic­hem Antlitz“– das wiederum „nichts anderes ist als ein Reflex des eigenen Ich“des Helden. Exakt nach Campbell.

Lucas würzte dieses Programm mit der Liebe zum gebastelte­n Detail, mit dem Charme seiner erfundenen Maschinen und Lebensform­en, sowie (zumindest in den ersten Teilen) mit dem ironischen Witz eines ganz weltlichen Schlagabta­uschs in Dialogen. Vor allem aber wagt er mit dieser Mischung aus Mythos, Fantasy und Comedy den Sprung in den Weltraum: Die Erde kommt hier nicht mehr vor. Es ist eine völlig losgelöst in Zeit und Raum flottieren­de Märchen-Saga, die das Allzumensc­hliche als staunenswe­rtes Spektakel im Unendliche­n spiegelt.

Ob des Erfolgs scheint sie nun selbst bis ins Unendliche dehnbar. Disney plant jedenfalls schon an der nächsten Trilogie, obwohl die dritte mit Episode neun erst in zwei Jahren abgeschlos­sen wird. Womöglich wird dabei vom Zauber den Anfangs immer weniger erhalten bleiben.

» Zum Star Wars Hype das Pro und Contra im Wochenend Journal mit der Frage „Fan Artikel kaufen?“

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Foto: Archiv Glänzende Laufbahn, schlimmes Ende: Johann Joachim Winckelman­n (porträ tiert von Anton von Maron).
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Der Kronprinz

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