Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie sich Nils Petersen über Wasser hält
Darum will er auch vor dem Heimspiel am Sonntag (18 Uhr) in der nicht ausverkauften WWKArena nichts von einer Favoritenrolle hören. „Hertha ist spielerisch richtig gut. Gefühlt ist es bei mir noch so, wir sind der Außenseiter, egal was die Tabelle sagt“, erklärt Baum. In dieser Rolle fühlen sich die Augsburger am wohlsten, ihr Image als Underdog pflegen sie deshalb immer wieder gerne. Mit dem Image des Underdogs sind die Verantwortlichen bisher gut gefahren, auch wenn die Spieler längst mit mehr Selbstbewusstsein ihre Rolle interpretieren. Aber vielleicht liegt die Vorsicht von Baum auch daran, dass er gegen die Hertha die komplette rechte Seite seiner Mannschaft umbauen muss. Daniel Opare (fünfte Gelbe Karte) und Erik Thommy (Syndesmoseriss) fehlen. Für Thommy wird wohl Marcel Heller stürmen, auch wenn Baum dies noch nicht bestätigen will. Auf den Ersatz von Opare hat sich hingegen Baum schon festgelegt. Raphael Framberger wird erstmals seit dem zweiten Spieltag wieder ins Team rücken. Nach dem GladbachSpiel hatte er Probleme mit dem Knie. Er fiel lange aus. Nicht das erste Mal. Trotz seiner erst 21 Jahre hat Framberger schon einige schwere Knieverletzungen hinter sich. Auch darum ist für ihn die Partie gegen Hertha eine Premiere: Er spielte noch nie gegen die Berliner.
Seit vier Wochen kann Framberger wieder schmerzfrei trainieren. Doch da Opare überzeugte, musste er sich aber hinten anstellen. Jetzt vertraut Baum wieder auf das Augsburger Eigengewächs: „Es macht riesig Spaß, ihn im Training zu beobachten.“Framberger selbst ist es übrigens egal, wer vor ihm auf der rechten Außenbahn agiert: „Das ist mir wurscht, bei dieser Frage kann ich dem Trainer nicht helfen.“
Würde man in einer Umfrage ermitteln wollen, in welchen Sportarten die intelligentesten Athleten zu Hause sind, der Fußball stünde auf einem Abstiegsplatz. Kicker gelten, besonders aus der Sicht fußballferner Schichten, als dumm. Die Gründe dafür sind vielfältig. Das Spiel gilt als derart einfach, dass es von jedem Trottel nachgeahmt werden kann. Versuche jemand nur einmal regelgerecht Kricket zu spielen. Aber Fußball – kann jeder. Kopfball auch. Manni Flanke, Kopf, Tor. Bildungsbürger, die ihre Sprösslinge lieber zum Rhönradfahren schicken, zitieren gerne wissenschaftliche Studien zu den Folgen des Kopfballspiels und dass nach einer Überdosis jeder so daherkomme wie Horst Hrubesch.
Den Ruf des Fußballers als unterbelichtetes Wesen hat der Legende nach Horst Szymaniak begründet. Der Nationalspieler soll in Verhandlungen auf ein Viertel mehr Gehalt – nicht nur ein
Drittel mehr – bestanden haben.
Später zementierte Andreas
Möller dieses
Bild auch auf dem Feld der
Geografie („Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien“). Das Fernsehen hat den Fußballern immer wieder Chancen geboten, den Eindruck des Schlichten zu verwischen – sie wurden, begleitet vom inflationären Gebrauch der Kicker-Ouvertüre „Also-gut-ichsach’-ma’“, vergeben. Das Land hat seine Marios, Jogis und Poldis trotzdem geliebt.
Ihre Nachfahren haben sich später unter dem Einfluss von Pisa der Bildung verschrieben und Abi gemacht. Alles wäre gut gewesen, hätte nicht Nils Petersen dazwischengegrätscht. Der Stürmer des SC Freiburg räumte ein, sich für sein Unwissen zu schämen. Petersen: „Salopp gesprochen verblöde ich seit zehn Jahren, halte mich aber über Wasser, weil ich ganz gut kicken kann.“Die Zuschauer in Freiburg seien schlauer als er. Damit hat er wohl recht. Wenn ihn das stört, empfehlen wir Zeitunglesen. Schwieriger ist Petersens zweites Dilemma. Die Menschen wollen mit ihm nur über Fußball reden. Sportredakteure kennen das. Kaum ist ein Gespräch über den kantschen Imperativ in Gang, taucht jemand auf, der wissen will, ob Bayern wieder Meister wird. Da muss dann auch der Sportredakteur schauen, wie er sich über Wasser hält.