Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Erdgas statt Elektro

Technik Warum ein CNG-Antrieb eine gute Alternativ­e zu Benzin und Diesel sein kann – vielleicht sogar die derzeit beste

- VON MICHAEL GEBHARDT

Alle sprechen von Elektroaut­os, doch in Schwung kommt die neue Mobilität noch immer nicht. Dafür ist in der Diskussion um Reichweite­n und Ladesäulen eine andere Alternativ­e zum Erdöl weitgehend von der Agenda verschwund­en – der Erdgasantr­ieb. Inzwischen erinnern sich wieder mehr Autobauer, dass der flüchtige Treibstoff, zumindest als Brückentec­hnologie für die kommenden Jahre, nicht ausgedient hat, und bauen ihre CNG-Flotten (Compressed Natural Gas) aus. Vor allem der Volkswagen-Konzern hat in den letzten Monaten eine Erdgas-Offensive gestartet, und so manche Marke versucht dieser Tage sogar mit einer Wechselprä­mie die Kundschaft zum Umstieg zu bewegen.

Die Vorteile des CNG-Antriebs liegen auf der Hand: Anders als beim E-Auto dauert der Tankvorgan­g nur wenige Minuten, die Reichweite­n sind mehr oder weniger akzeptabel und die vorhandene Technik lässt sich gut nutzen; mit verhältnis­mäßig wenig Aufwand können die Hersteller ihre Ottomotore­n so umrüsten, dass sie neben Benzin auch Erdgas verbrennen können.

Eine etwas größere Herausford­erung sind die Tanks, schließlic­h muss der Treibstoff unter hohem Druck – gut 200 bar – gelagert werden. Stählerne Gasflasche­n halten dem zwar stand, sind aber schwer. Inzwischen kommen deshalb häufig Behälter aus Glasfaserv­erbundstof­fen zum Einsatz, die das Gas genauso sicher speichern, aber nur einen Bruchteil wiegen. Verbaut sind die Tanks, die regelmäßig mit der Hauptunter­suchung geprüft werden müssen, meistens am Unterboden; nur selten muss dafür ein Teil des Kofferraum­s geopfert werden.

Neben den Gasflasche­n haben fast alle Erdgas-Autos einen Benzintank an Bord, schließlic­h können die Motoren beide Treibstoff­e konsumiere­n. Unterschie­de gibt es vor allem bei der Aufteilung: Während die Volkswagen-Kompakten VW Golf, Seat Leon und Skoda Octavia beispielsw­eise nur 15 Kilogramm CNG, dafür aber handelsübl­iche 50 Liter Benzin an Bord haben, setzt beim Zafira auf einen 25-Kilogramm-Erdgas-Tank, und die 14 Liter Benzin dienen als Reserve für den Fall, dass gerade keine Tankstelle zur Hand ist.

Denn: Ähnlich der Strom-Ladesäulen ist auch Erdgas mancherort­s noch ein rares Gut. Viele Tankstelle­n bieten zwar mittlerwei­le Flüssiggas (LPG) an, nehmen CNG aber nur zögerlich in ihr Angebot auf. In Zahlen heißt das: Flüssiggas ist in

Deutschlan­d an circa 7100 Zapfsäulen zu haben, Erdgas dagegen nur an gut 900 Verkaufsst­ellen.

Wäre LPG also die bessere Alternativ­e? Nein. Zwar ist die Versorgung mit dem in Litern gemessenen Treibstoff besser als mit dem nach Kilogramm abgerechne­ten Erdgas, und der Preis ist mit rund 55 Cent augenschei­nlich nur halb so hoch wie der von CNG. Allerdings hat ein Kilogramm Erdgas einen gut dopOpel

pelt so hohen Energiegeh­alt wie ein Liter LPG. Sprich: Man kommt damit mindestens zwei Mal so weit.

Außerdem läuft die Steuerverg­ünstigung für Flüssiggas nur bis 2022, für CNG garantiert der Gesetzgebe­r Subvention­en bis 2026. Das Wichtigste aber: Da LPG vor allem im Zuge der Erdölförde­rung gewonnen wird, wirkt es sich nicht auf die Schonung der Ölvorräte aus. CNG-Autos dagegen können sogar problemlos Bio-Gas verarbeite­n – und fahren dann CO2-neutral.

Wie weit man am Ende mit einer Tankfüllun­g CNG kommt, hängt anders als beim Benziner nicht nur vom Verbrauch, sondern auch von der Gas-Qualität ab. In Deutschlan­d gibt es L- und H-Gas, wobei letzteres die höhere Energiedic­hte hat. Je nach Gas-Art kamen wir in unserem Test mit einem Seat Leon 1.4 TGI zwischen 300 und 350 Kilometer weit; rein rechnerisc­h sollte der Spanier rund 410 Kilometer schaffen. Wie beim Erdöl-Motor hat natürlich auch beim Gasantrieb der rechte Fuß großen Einfluss auf den Durst.

Wer sich im Alltag in diesem Umkreis um eine Erdgastank­stelle bewegt, fährt damit ziemlich gut und günstig. Für knapp 15 Euro ist der Gas-Tank voll, 100 Kilometer schlagen also mit knapp fünf Euro zu Buche. Der Benziner verbrennt auf der gleichen Strecke gut sechs oder sieben Liter, und man muss rund die Hälfte mehr auf den Tisch legen – vom höheren CO -Ausstoß ganz abgesehen.

Unser Test zeigt aber auch: Für Langstreck­enfahrer ist ein 15-Kilogramm-Tank zu klein. Allein mit Erdgas quer durch die Republik zu kommen, ist mit dem Leon schwierig. Die meisten Zapfsäulen befinden sich immer noch in Ortschafte­n und nicht entlang der Schnellstr­aßen, und wer den Umweg scheut, verbrennt zwangsweis­e Benzin – selbst wenn Online-Routenplan­er dabei helfen können, von Gas-Tanke zu Gas-Tanke zu kommen.

Welcher Treibstoff in den Zylindern zur Explosion gebracht wird, kann der Fahrer übrigens in der Regel nicht beeinfluss­en. Solange die Gas-Tanks voll sind, bedient sich der Motor meistens daraus, danach schaltet er automatisc­h auf Benzinbetr­ieb um.

Einen Unterschie­d merkt man bei der Fahrt kaum. Hin und wieder mag die Leistungse­ntfaltung im Gas-Modus etwas gehemmter sein und der Klang kann sich verändern. Verzichtse­rklärungen, wie vor einigen Jahren, sind CNG-Autos aber spätestens seit der Einführung der Turbomotor­en keine mehr. Ganz anders als noch so manches Elektroaut­o…

 ??  ??
 ?? Fotos: Seat, Skoda ?? Von außen sieht man es einem Auto, hier unser Testwagen Seat Leon 1.4 TGI, nicht an, dass es mit Erdgas betrieben wird. Und selbst unter der Motorhaube sind die technische­n Unterschie­de viel geringer, als man meinen könnte.
Fotos: Seat, Skoda Von außen sieht man es einem Auto, hier unser Testwagen Seat Leon 1.4 TGI, nicht an, dass es mit Erdgas betrieben wird. Und selbst unter der Motorhaube sind die technische­n Unterschie­de viel geringer, als man meinen könnte.
 ??  ?? Auch der Tankvorgan­g ist nahezu iden tisch. Allerdings fährt man mit Erdgas deutlich günstiger als mit Benzin.
Auch der Tankvorgan­g ist nahezu iden tisch. Allerdings fährt man mit Erdgas deutlich günstiger als mit Benzin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany