Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Erdgas statt Elektro
Technik Warum ein CNG-Antrieb eine gute Alternative zu Benzin und Diesel sein kann – vielleicht sogar die derzeit beste
Alle sprechen von Elektroautos, doch in Schwung kommt die neue Mobilität noch immer nicht. Dafür ist in der Diskussion um Reichweiten und Ladesäulen eine andere Alternative zum Erdöl weitgehend von der Agenda verschwunden – der Erdgasantrieb. Inzwischen erinnern sich wieder mehr Autobauer, dass der flüchtige Treibstoff, zumindest als Brückentechnologie für die kommenden Jahre, nicht ausgedient hat, und bauen ihre CNG-Flotten (Compressed Natural Gas) aus. Vor allem der Volkswagen-Konzern hat in den letzten Monaten eine Erdgas-Offensive gestartet, und so manche Marke versucht dieser Tage sogar mit einer Wechselprämie die Kundschaft zum Umstieg zu bewegen.
Die Vorteile des CNG-Antriebs liegen auf der Hand: Anders als beim E-Auto dauert der Tankvorgang nur wenige Minuten, die Reichweiten sind mehr oder weniger akzeptabel und die vorhandene Technik lässt sich gut nutzen; mit verhältnismäßig wenig Aufwand können die Hersteller ihre Ottomotoren so umrüsten, dass sie neben Benzin auch Erdgas verbrennen können.
Eine etwas größere Herausforderung sind die Tanks, schließlich muss der Treibstoff unter hohem Druck – gut 200 bar – gelagert werden. Stählerne Gasflaschen halten dem zwar stand, sind aber schwer. Inzwischen kommen deshalb häufig Behälter aus Glasfaserverbundstoffen zum Einsatz, die das Gas genauso sicher speichern, aber nur einen Bruchteil wiegen. Verbaut sind die Tanks, die regelmäßig mit der Hauptuntersuchung geprüft werden müssen, meistens am Unterboden; nur selten muss dafür ein Teil des Kofferraums geopfert werden.
Neben den Gasflaschen haben fast alle Erdgas-Autos einen Benzintank an Bord, schließlich können die Motoren beide Treibstoffe konsumieren. Unterschiede gibt es vor allem bei der Aufteilung: Während die Volkswagen-Kompakten VW Golf, Seat Leon und Skoda Octavia beispielsweise nur 15 Kilogramm CNG, dafür aber handelsübliche 50 Liter Benzin an Bord haben, setzt beim Zafira auf einen 25-Kilogramm-Erdgas-Tank, und die 14 Liter Benzin dienen als Reserve für den Fall, dass gerade keine Tankstelle zur Hand ist.
Denn: Ähnlich der Strom-Ladesäulen ist auch Erdgas mancherorts noch ein rares Gut. Viele Tankstellen bieten zwar mittlerweile Flüssiggas (LPG) an, nehmen CNG aber nur zögerlich in ihr Angebot auf. In Zahlen heißt das: Flüssiggas ist in
Deutschland an circa 7100 Zapfsäulen zu haben, Erdgas dagegen nur an gut 900 Verkaufsstellen.
Wäre LPG also die bessere Alternative? Nein. Zwar ist die Versorgung mit dem in Litern gemessenen Treibstoff besser als mit dem nach Kilogramm abgerechneten Erdgas, und der Preis ist mit rund 55 Cent augenscheinlich nur halb so hoch wie der von CNG. Allerdings hat ein Kilogramm Erdgas einen gut dopOpel
pelt so hohen Energiegehalt wie ein Liter LPG. Sprich: Man kommt damit mindestens zwei Mal so weit.
Außerdem läuft die Steuervergünstigung für Flüssiggas nur bis 2022, für CNG garantiert der Gesetzgeber Subventionen bis 2026. Das Wichtigste aber: Da LPG vor allem im Zuge der Erdölförderung gewonnen wird, wirkt es sich nicht auf die Schonung der Ölvorräte aus. CNG-Autos dagegen können sogar problemlos Bio-Gas verarbeiten – und fahren dann CO2-neutral.
Wie weit man am Ende mit einer Tankfüllung CNG kommt, hängt anders als beim Benziner nicht nur vom Verbrauch, sondern auch von der Gas-Qualität ab. In Deutschland gibt es L- und H-Gas, wobei letzteres die höhere Energiedichte hat. Je nach Gas-Art kamen wir in unserem Test mit einem Seat Leon 1.4 TGI zwischen 300 und 350 Kilometer weit; rein rechnerisch sollte der Spanier rund 410 Kilometer schaffen. Wie beim Erdöl-Motor hat natürlich auch beim Gasantrieb der rechte Fuß großen Einfluss auf den Durst.
Wer sich im Alltag in diesem Umkreis um eine Erdgastankstelle bewegt, fährt damit ziemlich gut und günstig. Für knapp 15 Euro ist der Gas-Tank voll, 100 Kilometer schlagen also mit knapp fünf Euro zu Buche. Der Benziner verbrennt auf der gleichen Strecke gut sechs oder sieben Liter, und man muss rund die Hälfte mehr auf den Tisch legen – vom höheren CO -Ausstoß ganz abgesehen.
Unser Test zeigt aber auch: Für Langstreckenfahrer ist ein 15-Kilogramm-Tank zu klein. Allein mit Erdgas quer durch die Republik zu kommen, ist mit dem Leon schwierig. Die meisten Zapfsäulen befinden sich immer noch in Ortschaften und nicht entlang der Schnellstraßen, und wer den Umweg scheut, verbrennt zwangsweise Benzin – selbst wenn Online-Routenplaner dabei helfen können, von Gas-Tanke zu Gas-Tanke zu kommen.
Welcher Treibstoff in den Zylindern zur Explosion gebracht wird, kann der Fahrer übrigens in der Regel nicht beeinflussen. Solange die Gas-Tanks voll sind, bedient sich der Motor meistens daraus, danach schaltet er automatisch auf Benzinbetrieb um.
Einen Unterschied merkt man bei der Fahrt kaum. Hin und wieder mag die Leistungsentfaltung im Gas-Modus etwas gehemmter sein und der Klang kann sich verändern. Verzichtserklärungen, wie vor einigen Jahren, sind CNG-Autos aber spätestens seit der Einführung der Turbomotoren keine mehr. Ganz anders als noch so manches Elektroauto…