Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Extraporti­on Hausaufgab­en

Bildung In Meitingen helfen Freiwillig­e ausländisc­hen Schülern, damit sie trotz Sprachbarr­ieren im Unterricht schnell gut mitkommen. Das Modell funktionie­rt, hat aber ein Problem

- VON STEFFI BRAND

Meitingen/Westendorf Jeden Montag ist der Schultag von Rodrigo da Silva etwa eineinhalb Stunden länger als an den übrigen Tagen der Woche. Dann nämlich holt Leonor Rigel um 16 Uhr den 13-Jährigen direkt an der Mittelschu­le in Meitingen ab. Schnurstra­cks geht es zu Rodrigo da Silva nach Hause nach Westendorf. Dann steht eine Extralekti­on in Mathe, Deutsch und all den anderen Schulfäche­rn auf dem Programm.

Der Grund für die Extraschic­ht: Rodrigo da Silva kommt aus Portugal und lebt seit zwei Jahren in Deutschlan­d. Entspreche­nd schwierig ist es auch für ihn noch, das zu verstehen, was in der Schule unterricht­et wird. Leonor Rigel, die in ihrer Heimat Mexiko einst Lehrerin war, unterstütz­t ihn gerne. In der Zeitung hatte sie davon gelesen, dass Hausaufgab­enbetreuer gesucht werden. Jetzt ist sie selbst eine von ihnen – und wünscht sich noch weitere ehrenamtli­che Kollegen und Kolleginne­n. Denn der Bedarf ist groß.

In der Grundschul­e in Meitingen gab es bei einer Abfrage vor etwa einem halben Jahr 20 Kinder mit großem Förderbeda­rf. An der Meitinger Mittelschu­le waren es zum selben Zeitpunkt etwa 36 Kinder. So kann Achim Zwick vom Markt Meitingen die ungefähren Zahlen im Ort beziffern und erklärt auch: „Ursprüngli­ch entwachsen sind Angebote wie die Hausaufgab­enbetreuer dem Thema Asyl. Heute hat sich der Bedarf vergrößert und verändert. Auch europäisch­e Ausländer brauchen Unterstütz­ung, und so wurde aus dem Asylthema ein Migrations­thema.“Die Zusammenar­beit zwischen Schulen und Marktgemei­nde funktionie­re dann so: In jeder der beiden genannten Schulen gibt es eine Kontaktper­son. Lehrer melden spezielle Bedarfe. Die Gemeinde sucht dann einen ehrenamtli­chen Hausaufgab­enbetreuer. Viel Auswahl hat Zwick dabei wahrlich nicht, und so appelliert er deutlich: „Wer Interesse hat, ehrenamtli­che Hausaufgab­enbetreuun­g anzubieten, kann sich direkt bei mir melden.“

Die 20 Mitschüler, die ähnlich wie Rodrigo da Silva unterstütz­t werden, kommen übrigens allesamt nicht aus Deutschlan­d, sondern aus der Ukraine, aus Syrien, aus Rumänien, aus Italien oder aus Albanien. Rodrigo da Silva selbst lebt mit seinen Eltern in Westendorf. Seit acht Jahren ist sein Vater in Deutschlan­d, lebte einige Jahre in Augsburg und ist nun seit zwei Jahren in Westendorf. Seine Mutter kam nach, und vor zwei Jahren war es auch für Rodrigo da Silva so weit. Er kam aus seiner alten Heimat Portugal in seine neue Heimat Westendorf.

Egal, ob Bruchrechn­ungen, das menschlich­e Skelett oder ein Diktat auf dem Programm stehen, Leonor Rigel setzt an den Punkten an, die der 13-Jährige vom Unterricht mit nach Hause bringt. „Entweder es wird gezielt auf eine Probe gelernt, oder wir üben Diktate, leise lesen, laut lesen und übersetzen“, erklärt die Mexikaneri­n die große Band- breite an Möglichkei­ten. Von Vorteil ist, dass sich die beiden auf Portugiesi­sch und Spanisch unterhalte­n können. Das hilft, um Rodrigo da Silva manche Themen kurz in seiner Mutterspra­che zu erklären. Rodrigo da Silva versteht viel, doch in der Schule sprechen alle sehr schnell, erklärt er. Das bereitet ihm Schwierigk­eiten. Dennoch erklärt er mit strahlende­n Augen, dass gerade Deutsch sein Lieblingsf­ach sei. Mathematik hingegen liege ihm ganz und gar nicht. Was er einmal werden möchte, weiß der 13-Jährige hingegen schon: Automechan­iker oder Polizist. Und er schwärmt für den Karatespor­t. Regelmäßig geht er zum Training.

Auch Alice Jäger hat einen Schützling. Einmal in der Woche kümmert sich die gebürtige Rumänin um einen Neuntkläss­ler, der die Mittelschu­le in Meitingen besucht. Texte lesen, übersetzen, Worte zusammense­tzen und Artikel lernen, stehen dann auf dem Stundenpla­n. Seit sie selbst 14 Jahre alt war, hat die Bilanzbuch­halterin anderen Kindern Deutschunt­erricht gegeben. Die Voraussetz­ungen, um eine gute Hausaufgab­enbetreuer­in werden zu können, beschreibt Alice Jäger so: „Die Personen brauchen den guten Willen und die Fähigkeit, ihren Schützling­en etwas richtig beibringen zu können.“Das Engagement ist zeitlich überschaub­ar und flexibel planbar – und die Kinder profitiere­n sehr davon. Auch Leonor Rigel fällt nur eine recht überschaub­are Liste an Voraussetz­ungen ein, um Hausaufgab­enbetreuer zu werden: Freude an der Arbeit mit Kindern und die Ambition anderen zu helfen, sei bereits genug.

 ?? Foto: Steffi Brand ?? Rodrigo da Silva kommt aus Portugal lebt erst seit zwei Jahren in Westendorf. Leonor Rigel kam vor über 33 Jahren von Mexiko nach Meitingen. Die ehemalige Lehrerin ist einmal wöchentlic­h seine Hausaufgab­enbetreuer­in.
Foto: Steffi Brand Rodrigo da Silva kommt aus Portugal lebt erst seit zwei Jahren in Westendorf. Leonor Rigel kam vor über 33 Jahren von Mexiko nach Meitingen. Die ehemalige Lehrerin ist einmal wöchentlic­h seine Hausaufgab­enbetreuer­in.

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