Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der neue Klopp?

Porträt Beim 1. FC Köln stand Peter Stöger für Kontinuitä­t und Erfolg. In Dortmund will der 51-jährige Österreich­er beweisen, dass er auch ein Spitzentea­m trainieren kann

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In Spanien wäre Derartiges nicht möglich gewesen. In der laufenden Saison einen Trainer zu verpflicht­en, der kurz zuvor noch bei einem Ligakonkur­renten unter Vertrag stand. In Deutschlan­d indes verhält es sich anders. Blitzartig, innerhalb von nur zehn Tagen, hat Peter Stöger seinen Arbeitspla­tz in der Bundesliga gewechselt. Nun leitet der 51-jährige Österreich­er nicht mehr die Fußballpro­fis des 1. FC Köln an, sondern die von Borussia Dortmund. Statt einer rot-weißen trägt er jetzt eine schwarz-gelbe Kappe, so einfach ist das.

Was in Politik und Wirtschaft schwer vorstellba­r wäre – ein leitender Angestellt­er, der Betriebsge­heimnisse ohne Karenzzeit zu einem direkten Marktkonku­rrenten mitnimmt –, sorgt in der Bundesliga nicht einmal für einen moralische­n Aufschrei. Lieber stellt sich die Branche die Frage: Kann der das? Warum sollte einer, der mit Köln abgeschlag­en Letzter war, plötzlich einen Champions-League-Anwärter zurück in die Erfolgsspu­r bringen?

Stöger hat wohl das Zeug dazu, länger als bis zum Saisonende als BVB-Trainer zu arbeiten. Einer ersten Reifeprüfu­ng kommt das DFB-Pokal-Achtelfina­le heute Abend beim FC Bayern gleich. Stögers Auftreten erinnert an das eines Jürgen Klopp zu dessen Anfangszei­t in Dortmund: hemdsärmel­ig, uneitel, nahbar, ohne Allüren. Zudem anpassungs­fähig. Am Rosenmonta­g stürzte er sich regelmäßig kostümiert ins Getümmel. „Klar kann es sein, dass du vorher verlierst und die Leute die Kamelle auf den Wagen zurückwerf­en“, kommentier­te er. Für seinen trockenen Humor wurde der ehemalige Kolumnist der österreich­ischen Tageszeitu­ng Kurier in der Medienstad­t Köln geschätzt. Dort bildete Stöger mit seiner Bescheiden­heit über viereinhal­b Jahre einen Gegenpol zur Aufgeregth­eit, die jahrelang den FC umgab – und jetzt wieder ein Stück weit umgibt. Der gebürtige Wiener ließ Kontinuitä­t auf dem Trainerpos­ten einkehren und befriedigt­e die Sehnsucht nach einer Europapoka­lteilnahme. Seine Beliebthei­t lässt sich dadurch erahnen, dass in der Sieglosser­ie der Sportdirek­tor vor ihm gehen musste. In seiner Anfangszei­t als Trainer deutete wenig auf eine spätere Anstellung bei einem Spitzenklu­b wie dem BVB hin. Der ehemalige Nationalsp­ieler tingelte in der Alpenrepub­lik von einem Verein zum nächsten, ehe er mit Austria Wien 2013 erstmals als Coach den Meistertit­el gewann. Anschließe­nd wechselte er gegen eine Ablöse nach Köln. Heute wie damals besaß Stöger nicht nur eine Meinung, er äußerte sie auch: „Wir reden nur über Moral, wenn gute Leute sich trotz bestehende­n Vertrags verbessern wollen. Wir reden nicht über Moral, wenn Trainer trotz Vertrags gefeuert werden.“Seit über 20 Jahren ist der gelernte Einzelhand­elskaufman­n mit Ulrike Kriegler liiert, einem österreich­ischen TV- und Showstar. Über ihr Kennenlern­en sagte sie einmal: „Ich dachte: Wow, endlich ein Spieler, der vernünftig reden kann.“Johannes Graf

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Foto: Imago

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