Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Darts-Opa mischt die WM auf
Zum Wesen des Spitzensports gehört es, dass alles immer schneller, höher und weiter sein muss. Das wird aber schwieriger, je älter Sportsmann oder -frau sind. Umso erstaunlicher wirkt deswegen etwa das Comeback von Trainer-Opa Jupp Heynckes auf der Bayern-Bank. Der 72-Jährige hat im Spätherbst seiner Karriere den Laden beim Rekordmeister noch einmal flott bekommen. Das war so nicht unbedingt zu erwarten: Schließlich passt der in Ehren ergraute Don Jupp in die Riege der jugendlichen Laptop-Trainer ähnlich gut wie eine Portion Bockwürste in ein veganes Hipster-Café.
Die wahre Sensation im Wettstreit zwischen Alt und Jung trug sich jedoch nun in London zu. Dort findet im Alexandra Palace derzeit die Darts-WM statt – und ein gewisser Paul Lim hat gleich in der ersten Runde mal gezeigt, was über sechs Jahrzehnte Lebenserfahrung gegen ein paar junge Hüpfer auszurichten vermögen. Im zarten Alter von 63 Jahren hat der Mann aus Singapur bei seiner 22. Weltmeisterschaft den zweimaligen Halbfinalisten Mark Webster aus dem Turnier geworfen. Der „Singapore Slinger“, so Lims an einen Cocktail angelehnter Spitzname, hatte gegen den 34-jährigen Waliser zwar den ersten Satz verloren. Mit der Aufholjagd gewann er jedoch nicht nur das Spiel, sondern auch die Herzen der Zuschauer. Gleich sechs Mal gelang ihm das Maximum von 180 Punkten pro Wurf – und ganz nebenbei brachte der Darts-Opa die Halle zum Beben. Raymond van Barneveld, der fünfmalige Weltmeister, nannte ihn eine „Legende“. Lim selbst brachte das aber nicht zum Ausrasten. Denn er war schon bei einer Darts-WM dabei, als sein Gegner Webster noch Windeln trug. 1990 machte er bereits von sich reden, weil ihm bei dem Turnier als erstem Spieler überhaupt ein perfektes Spiel gelang. Zwischen 1990 und jetzt wurde es aber ziemlich ruhig um ihn.
Wie Lim selbst betont, sind ihm sowohl der Ruhm als auch der Misserfolg mittlerweile egal – Darts sei „kein Job mehr“, ihm gehe es um den Spaß. Das hört sich nicht nach höher, schneller und weiter an. Aber damit hält sich Lim nur auf, wenn er Lust dazu hat.