Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die SPD ist gespalten

Bundestag Die Abgeordnet­e Ulrike Bahr diskutiert mit Mitglieder­n und Bürgern über eine Regierungs­bildung in Berlin. Dabei wird deutlich, wie sehr die Partei mit sich ringt

- VON MICHAEL HÖRMANN

Es ist die Frage, die nicht nur SPDMitglie­der umtreibt: Welchen Kurs soll die Partei, die bei der Bundestags­wahl im September vom Wähler abgestraft wurde, nun einschlage­n? Ist eine Große Koalition mit der Union die richtige Antwort? Soll es lieber die Tolerierun­g einer Minderheit­sregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sein oder bleiben als letzter Ausweg aus der verfahrene­n Situation Neuwahlen? Die Augsburger SPD-Bundestags­abgeordnet­e Ulrike Bahr lud am Montagaben­d zu einer Veranstalt­ung, um über genau diese Fragen zu diskutiere­n.

Der Termin fiel auf den 104. Geburtstag von Willy Brandt, dem früheren Bundeskanz­ler einer soziallibe­ralen Koalition von SPD und FDP. Knapp 70 Besucher waren in die Stadtbüche­rei gekommen, die meisten SPD-Mitglieder. Es war eine lebendige Diskussion mit rund 40 Wortmeldun­gen.

Geht es nach dem Stimmungsb­ild an diesem Abend, müsste der Weg der SPD zur Tolerierun­g einer Minderheit­sregierung führen. Doch der Verlauf des Abends machte deutlich, wie schwer sich die Partei mit der Entscheidu­ng tut. Ulrike Bahr jedenfalls meinte: „Wie es die SPD macht, macht sie es falsch“. Sie selbst hatte sich im Dezember beim SPD-Bundespart­eitag, der ergebnisof­fene Gespräche mit anderen Parteien festlegte, gegen eine Große Koalition ausgesproc­hen. Der jetzige Weg sei zu respektier­en: „Gespräche ergebnisof­fen zu führen, führt keineswegs automatisc­h in eine Große Koalition“. Es werde auf die Inhalte ankommen.

Inhaltlich war der Bogen bei der Veranstalt­ung in Augsburg jedenfalls weit gespannt. Im Rückblick auf den Parteitag sagte eine Frau, „dass nach wie vor die alte Garde bei der SPD bestimmt“. Zumindest ist festgelegt, dass die Mitglieder am Ende über einen potenziell­en Koalitions­vertrag abstimmen. Als Gegner einer neuerliche­n Auflage der Großen Koalition zeigt sich Bruno Rabl: „Das würde die SPD nochmals schwächen“. Einen anderen Ansatz zur Regierungs­bildung brachten Xaver Deniffel und Jörg Westerhoff Die beiden sind bei den Grünen engagiert und machten sich für eine Verbindung der Union mit SPD und Grünen stark. Ein Mann ohne SPDParteib­uch sagte, dass er die SPD gewählt habe: „Denkt auch mal an die, die euch gewählt haben. Es waren Millionen“. Er gehe davon aus, dass diese Wähler wollten, dass die SPD mitregiere. Die SPD habe eine Machtoptio­n. Diese müsse auch genutzt werden: „Das erwarten die SPD-Wähler“.

Anders bewertete dies eine Frau, die erst vor Kurzem in die Partei eingetrete­n ist: „Ich habe die SPD gewählt, um stärkste Kraft zu werden. Ich habe sie nicht gewählt, um dann als kleiner Partner in die Koalition zu gehen.“Es ist eine Auffassung, die mehrfach zu hören ist. Eine der beiden großen Volksparte­ien CSU und SPD müsse in der Opposition sein, heißt es: „Die Menschen wollen bei einer Wahl auch eine Alternativ­e haben“. Sollte die SPD erneut in eine Große Koalition, würden die Profile der Partei verloren gehen. Silke Högg, Vorsitzend­e der Augsburger Jusos, erinnerte an den Wahlkampf: „Viele Bürger haben uns gesagt, dass wir als SPD nicht mehr die linke Alternativ­e sind, die wir einmal waren.“Langfristi­g betrachtet wäre es für die SPD besser, nicht in die Große Koalition zu gehen. Die Rolle in der Opposition würde ermögliche­n, dass sich die SPD regeniere. Dass es gelingen könnte, „wieder sozialdemo­kratische Leitbilder zu vertreten“, heißt es in einer Wortmelvor. dung. Richard Kurz ist seit 37 Jahren Mitglied der SPD. „Die Erneuerung der Partei geht nicht über eine Große Koalition“, sagte er. Käme es dazu, würde er die SPD verlassen.

Herbert König denkt anders: „Die SPD ist jetzt in einer starken Verhandlun­gsposition“. Er verweist darauf, dass eine Minderheit­sregierung der Union die Chancen der SPD bei der nächsten Bundestags­wahl nicht erhöhe: „Wahlen werden auch über Personen entschiede­n. Und da kommt es drauf an, wer in der Regierung sitzt.“Es ist eine der letzten Wortmeldun­gen an diesem Abend. Ulrike Bahr, die auch Vorsitzend­e der Augsburger SPD ist, sprach von einer „lebendigen Debatte“, die aufgezeigt habe, wie die SPD derzeit ticke. Ausgang offen.

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Foto: Annette Zoepf Beim Neujahrsem­pfang der Augsburger SPD im Jahr 2015 wurde diese Torte serviert. Die vielen kleinen Stücke könnte man heut als Sinnbild dafür sehen, wie viele Meinungen es derzeit zu einer möglichen Regierungs­beteiligun­g gibt.
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Ulrike Bahr

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