Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die SPD ist gespalten
Bundestag Die Abgeordnete Ulrike Bahr diskutiert mit Mitgliedern und Bürgern über eine Regierungsbildung in Berlin. Dabei wird deutlich, wie sehr die Partei mit sich ringt
Es ist die Frage, die nicht nur SPDMitglieder umtreibt: Welchen Kurs soll die Partei, die bei der Bundestagswahl im September vom Wähler abgestraft wurde, nun einschlagen? Ist eine Große Koalition mit der Union die richtige Antwort? Soll es lieber die Tolerierung einer Minderheitsregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sein oder bleiben als letzter Ausweg aus der verfahrenen Situation Neuwahlen? Die Augsburger SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrike Bahr lud am Montagabend zu einer Veranstaltung, um über genau diese Fragen zu diskutieren.
Der Termin fiel auf den 104. Geburtstag von Willy Brandt, dem früheren Bundeskanzler einer sozialliberalen Koalition von SPD und FDP. Knapp 70 Besucher waren in die Stadtbücherei gekommen, die meisten SPD-Mitglieder. Es war eine lebendige Diskussion mit rund 40 Wortmeldungen.
Geht es nach dem Stimmungsbild an diesem Abend, müsste der Weg der SPD zur Tolerierung einer Minderheitsregierung führen. Doch der Verlauf des Abends machte deutlich, wie schwer sich die Partei mit der Entscheidung tut. Ulrike Bahr jedenfalls meinte: „Wie es die SPD macht, macht sie es falsch“. Sie selbst hatte sich im Dezember beim SPD-Bundesparteitag, der ergebnisoffene Gespräche mit anderen Parteien festlegte, gegen eine Große Koalition ausgesprochen. Der jetzige Weg sei zu respektieren: „Gespräche ergebnisoffen zu führen, führt keineswegs automatisch in eine Große Koalition“. Es werde auf die Inhalte ankommen.
Inhaltlich war der Bogen bei der Veranstaltung in Augsburg jedenfalls weit gespannt. Im Rückblick auf den Parteitag sagte eine Frau, „dass nach wie vor die alte Garde bei der SPD bestimmt“. Zumindest ist festgelegt, dass die Mitglieder am Ende über einen potenziellen Koalitionsvertrag abstimmen. Als Gegner einer neuerlichen Auflage der Großen Koalition zeigt sich Bruno Rabl: „Das würde die SPD nochmals schwächen“. Einen anderen Ansatz zur Regierungsbildung brachten Xaver Deniffel und Jörg Westerhoff Die beiden sind bei den Grünen engagiert und machten sich für eine Verbindung der Union mit SPD und Grünen stark. Ein Mann ohne SPDParteibuch sagte, dass er die SPD gewählt habe: „Denkt auch mal an die, die euch gewählt haben. Es waren Millionen“. Er gehe davon aus, dass diese Wähler wollten, dass die SPD mitregiere. Die SPD habe eine Machtoption. Diese müsse auch genutzt werden: „Das erwarten die SPD-Wähler“.
Anders bewertete dies eine Frau, die erst vor Kurzem in die Partei eingetreten ist: „Ich habe die SPD gewählt, um stärkste Kraft zu werden. Ich habe sie nicht gewählt, um dann als kleiner Partner in die Koalition zu gehen.“Es ist eine Auffassung, die mehrfach zu hören ist. Eine der beiden großen Volksparteien CSU und SPD müsse in der Opposition sein, heißt es: „Die Menschen wollen bei einer Wahl auch eine Alternative haben“. Sollte die SPD erneut in eine Große Koalition, würden die Profile der Partei verloren gehen. Silke Högg, Vorsitzende der Augsburger Jusos, erinnerte an den Wahlkampf: „Viele Bürger haben uns gesagt, dass wir als SPD nicht mehr die linke Alternative sind, die wir einmal waren.“Langfristig betrachtet wäre es für die SPD besser, nicht in die Große Koalition zu gehen. Die Rolle in der Opposition würde ermöglichen, dass sich die SPD regeniere. Dass es gelingen könnte, „wieder sozialdemokratische Leitbilder zu vertreten“, heißt es in einer Wortmelvor. dung. Richard Kurz ist seit 37 Jahren Mitglied der SPD. „Die Erneuerung der Partei geht nicht über eine Große Koalition“, sagte er. Käme es dazu, würde er die SPD verlassen.
Herbert König denkt anders: „Die SPD ist jetzt in einer starken Verhandlungsposition“. Er verweist darauf, dass eine Minderheitsregierung der Union die Chancen der SPD bei der nächsten Bundestagswahl nicht erhöhe: „Wahlen werden auch über Personen entschieden. Und da kommt es drauf an, wer in der Regierung sitzt.“Es ist eine der letzten Wortmeldungen an diesem Abend. Ulrike Bahr, die auch Vorsitzende der Augsburger SPD ist, sprach von einer „lebendigen Debatte“, die aufgezeigt habe, wie die SPD derzeit ticke. Ausgang offen.