Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vor 70 Jahren kam die erste Straßenbah­n

Verkehr Vor 70 Jahren wurde Stadtberge­n ans Augsburger Straßenbah­nnetz angeschlos­sen. Zwei Zeitzeugen erinnern sich

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Es war ein besonderer Augenblick, als die festlich geschmückt­en Wagen mit dem runden Schild auf dem Dach zum ersten Mal nach Stadtberge­n rumpelten: Vor 70 Jahren wurde das damalige Dorf ans Augsburger Straßennet­z angeschlos­sen.

Stadtberge­n/Augsburg Es war ein besonderer Augenblick, als die festlich geschmückt­en Wagen mit dem runden Schild auf dem Dach zum ersten Mal nach Stadtberge­n rumpelten: Vor 70 Jahren wurde das damalige Dorf ans Augsburger Straßennet­z angeschlos­sen. Die Verantwort­lichen der Augsburger Verkehrsbe­triebe hatten erkannt, welche Rolle Stadtberge­n im Umfeld der Großstadt einmal einnehmen würde und deshalb die Erweiterun­g des Netzes vorangetri­eben. Die Geschichte wiederholt sich: Stadtberge­n und die Nachbarkom­munen wachsen, und mit dem Jahrhunder­tprojekt Uni-Klinikum macht eine weitere Linie über die AckermannS­traße für die Stadtwerke Sinn.

Bis die „Fünfer“tatsächlic­h einmal fährt, dürften noch Jahre vergehen. Vor 70 Jahren ging’s schneller. Ende September 1947 begannen die Arbeiten an der 1,3-Kilometer-Verlängeru­ng. Am 22. Dezember 1947 wurde das Dorf ans Augsburger Straßenbah­nnetz angeschlos­sen. Mit viel Gebimmel rollten die Wagen nach Stadtberge­n, das sich die Augsburger Stadtväter gerne einverleib­t hätten.

Viele Einheimisc­he, die Gemeinderä­te und Bürgermeis­ter Heinrich Gerlach begrüßten die erste Straßenbah­n mit einem großen Hallo. Die Kinder hatten sogar schulfrei. Gerlach war es, der sich nach dem ersten Vorschlag im Juni 1947 vehement für die eiserne Verbindung eingesetzt hatte. So berichtet es Gerhard Willi in der Ortsgeschi­chte.

Gemeinde und Verkehrsbe­triebe einigten sich damals auf einen Baukostenz­uschuss von 35 000 Reichs- mark. Ein gutes Geschäft – denn für einige Jahrzehnte zahlte Stadtberge­n nichts mehr für den elektrisch­en Nahverkehr. Den beschreibt der frühere Bürgermeis­ter Ludwig Fink als „echten Segen“für den Ort. Die Wagen von damals er noch vor Augen: Die Sitzgelege­nheiten waren eher spartanisc­h, nämlich aus Holz. Auf einer mit Gitter gesicherte­n Plattform standen die Fahrgäste im Freien. Ein Schaffner gab die Fahrkarten aus. „Er hatte aber alle Mühe, wirklich jeden Fahrgast zu erreichen. Schließlic­h war die Straßenbah­n immer voll“, erinnert sich Josef Schmid. Der frühere CSU-Gemeindera­t war 16 Jahre alt, als die Linie 1 nach Stadtberge­n kam. Ludwig Fink hatte den großen Bahnhof noch nicht erlebt. Doch es sollte nicht lange dauern, bis er mit seinem älteren Bruder Gottfried in die „Einser“stieg: Um 1950 fuhren die beiden Buben mit ihren fünf und sechs Jahren alleine zu den Großeltern ins Spickel. Fink ist im Gedächtnis geblieben: „Wir hielten während der ganzen Fahrt immer Ausschau nach dem runden Gebäude.“Gemeint ist das Königsplat­z, wo die Buben umsteigen mussten. Fink: „Es war jedes Mal ein Abenteuer.“

Nach der feierliche­n Eröffnung wurde die Endstation Stadtberge­n zuerst von der Linie 1 bedient. Daraus wurde von 1983 bis 1997 die Linie 2. Seit 1997 fährt die Linie 3 zur Endstation in der Bismarkstr­aße. Das haben die Freunde der Augsburger Straßenbah­n recherchie­rt. 2001 erhielt Stadtberge­n eine weitere Linie. Sie verbindet den Park-and-ride-Platz West, das Virchow-Viertel und das Klinikum mit dem neu gestaltete­n Königsplat­z und Haunstette­n Nord.

In naher Zukunft ist ein dritter Anschluss geplant. Die Linie 5 soll vom Hauptbahnh­of über die Ackermanns­traße bis zum Klinikum und Neusäß führen und sich mit der bereits bestehende­n Linie 2 treffen. Schon beim Bau der Virchow-Viertel-Anbindung hatten die Verantwort­lichen eine mögliche neue Linie im Blick. Fink war damals Bürgermeis­ter. Er erinnert sich: Der Parkand-Ride-Platz West gegenüber des Obi-Baumarkts sei schon entspreche­nd der Überlegung­en dimensioni­ert worden. Jahrelang war an der Verlängeru­ng zum 1982 eröffneten Zentralkli­nikum geplant, diverse Trassen vorgeschla­gen und wieder verworfen worden. Fink: „Es gab heftige Diskussion­en.“

Die bleiben auch in Zukunft nicht aus. Derzeit werden die Unterlagen für das Planfestst­ellungsver­fahren zur neuen Straßenbah­nlinie 5 vorbereite­t. »Kommentar

„Er hatte aber alle Mühe, wirklich jeden Fahrgast zu erreichen. Schließlic­h war die Straßenbah­n immer voll.“Josef Schmid über die Arbeit der Schaffner

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Foto: Archiv Stadtberge­n Der Anschluss ans Augsburger Straßenbah­nnetz: Die neue Linie 1 fuhr vor 70 Jahren zum ersten Mal nach Stadtberge­n.

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