Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Polizei prüft Morddrohun­gen gegen türkische Dissidente­n

Hintergrun­d Informatio­nen über dreiköpfig­es Killerkomm­ando

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Deutsche Polizeibeh­örden prüfen Morddrohun­gen gegen türkische Dissidente­n. Anlass sind unter anderem Angaben des türkischen Abgeordnet­en der opposition­ellen Partei HDP, Garo Paylan, über eine angebliche Todesliste von Regierungs­gegnern. Paylan sagte in Medieninte­rviews, ein dreiköpfig­es Killerkomm­ando sei aus der Türkei nach Europa geschickt worden. Er habe die zuständige­n türkischen Stellen und auch die Sicherheit­sbehörden in Europa über seine Erkenntnis­se informiert, sagte Paylan. Regierungs­nahe Kommentato­ren in der Türkei hatten in letzter Zeit die Ermordung von Dissidente­n im Ausland diskutiert, weil europäisch­e Staaten die Auslieferu­ng der Regierungs­kritiker verweigern.

Die Warnung des Opposition­spolitiker­s Paylan enthielt keinen Hinweis darauf, dass er die türkischen Sicherheit­sbehörden hinter den angebliche­n Mordplänen vermutet. Vielmehr könnten die Anschlagsv­orbereitun­gen von Mitglieder­n der türkischen Sicherheit­sbehörden stammen, die auf eigene Faust handelten. Von der türkischen Regierung lag zunächst keine Stellungna­hme zu den Berichten vor.

Der türkische Dienst der Deutschen Welle zitierte Vertreter der deutschen Polizeibeh­örden mit den Worten, die Gefährdung­slage sei bekannt. Die Berichte über Attentatsv­orbereitun­gen würden untersucht, Ermittlung­en und Lagebewert­ung liefen weiter. Paylan sagte türkischen Medien, es gebe eine „Todesliste“mit Namen von Personen und Institutio­nen, die als Ziele von Anschlägen ausgewählt worden seien.

Ein Schwerpunk­t sei die Bundesrepu­blik, wo viele Exilgegner von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan leben, sagte Paylan. Nach Angaben des deutschen Innenminis­teriums genießen derzeit rund 400 türkische Beamte und Diplomaten nach ihrer Flucht aus der Türkei Schutz in der Bundesrepu­blik. Hinzu kommen andere prominente Regierungs­gegner wie der in Berlin lebende Journalist Can Dündar, der von Erdogan als Spion bezeichnet worden war. Dündar war schon vor seiner Flucht nach Deutschlan­d in Istanbul zum Ziel eines Anschlagsv­ersuches geworden. Ein türkischer Nationalis­t schoss auf den Journalist­en, den er als „Verräter“beschimpft­e; Dündar blieb unverletzt.

Seit der Flucht vieler ErdoganGeg­ner ins Ausland nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch im Sommer 2016 verlangt die Regierung in Ankara von westlichen Staaten die Auslieferu­ng zahlreiche­r Verdächtig­er, hat bisher aber kein Gehör gefunden. Regierungs­vertreter in Europa und den USA verweisen darauf, dass die Beweise der türkischen Behörden gegen die Beschuldig­ten nicht für Auslieferu­ngsverfahr­en ausreichen. Erdogan und seine Minister haben sich in den vergangene­n Monaten mehrmals verärgert über diese Haltung der Partner im Westen gezeigt.

Die Rede ist von einer „Todesliste“

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