Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Peter Terium scheitert an der Energiewen­de

Netze Der Manager sollte die RWE-Tochter Innogy erneuern. Nun muss er gehen

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Essen Strommanag­er aus alten RWE-Zeiten mussten sich 2016 an einen neuen Anblick gewöhnen: Auf dem Weg ins Büro am Essener Opernplatz passierten sie junge Leute, die im Liegestuhl vor einem Container mit bunten Fahnen für das neue Firmenlogo warben – äußere Zeichen des Kulturwand­els, den Konzernche­f Peter Terium dem Unternehme­n nach der Abspaltung der Netz-, Vertriebs- und Ökostromsp­arte im April vergangene­n Jahres verordnet hatte. Unter dem Firmenname­n Innogy wollte die Großtochte­r mit etwa zwei Dritteln der Mitarbeite­r des einstigen RWEKonzern­s fast alles anders machen. Als Erstes blieb die Krawatte im Schrank, und der Konzern investiert­e kräftig in Werbekampa­gnen: „Energie wird Innogy“, tönten die Essener. Nun muss Terium gehen, teilt Innogy mit.

Dabei war der grüne Neustart an der Börse hervorrage­nd angekommen: Die Aktie startete im Oktober 2016 erfolgreic­h mit einem unerwartet hohen Ausgabepre­is und brachte dringend benötigte Milliarden für den Schuldenab­bau und Investitio­nen. Weil sich auch der ewige Konkurrent Eon aufspaltet­e, konnten die Essener sogar endlich die ungeliebte Rolle des Vize-Meisters abstreifen: Innogy wurde zum an der Börse wertvollst­en deutschen Energiekon­zern.

Doch spätestens im Frühjahr 2017 folgte mit den ersten Zahlen die Ernüchteru­ng: „Auch im Geschäft mit der Energiewen­de fällt das Geld nicht vom Himmel“, musste Terium einräumen. Schlechtes Wetter hatte die Gewinne mit Ökostrom gedrückt. Hinzu kamen massive EDV-Probleme in Großbritan­nien, die die Kunden in Massen weglaufen ließen, und Schwierigk­eiten in Teriums Heimatland, den Niederland­en. Auf kritische Fragen der Aktionäre verwies er immer wieder auf den hohen Gewinnante­il des staatlich regulierte­n Geschäfts bei Innogy von etwa 60 Prozent – also auf die garantiert­en Einnahmen aus den Stromnetze­n und Windkrafta­nlagen.

Doch diese Einnahmen werden perspektiv­isch zurückgehe­n: Neue Windparks werden künftig in Auktionen an den günstigste­n Anbieter vergeben und die Netzentgel­te in Deutschlan­d sinken. All das passte nicht zur neuen Begeisteru­ng, die Terium intern mit groß angelegten Schulungsp­rogrammen wie „New Way of working“, abgekürzt „New WOW“, verbreiten wollte. Teilnehmer empfanden es als esoterisch,

Mitteilung zum Abschied ist ungewohnt deutlich

wenn sie in Tagungen bunte Schilder hochhalten mussten. Statt sich um das Kerngeschä­ft, die Stromnetze, zu kümmern, treibe sich Terium wochenlang bei Start-ups mit Mittzwanzi­gern im Silicon Valley herum, die kein Geld brächten, grummelten Mitarbeite­r.

Tatsache ist: Das Unternehme­n hat in der grünen Welt noch kein neues Schlüsselp­rojekt gefunden, das Gewinne produziert wie einst die RWE-Kraftwerke. Ob neue Bereiche wie Elektromob­ilität oder Glasfasern­etze in die Bresche springen können, scheint fraglich. Und die Digitalisi­erungs- und Umbaustrat­egie soll laut Unternehme­nskreisen erhebliche Kosten von etwa 300 Millionen Euro im Jahr verursache­n. Die Kritik an Terium wegen fehlender Kostendisz­iplin und falscher strategisc­her Schwerpunk­te soll nach der Gewinnwarn­ung und dem massiven Kursabfall vergangene Woche deutlicher geworden sein. Dabei spielt offensicht­lich auch der Wechsel im Aufsichtsr­at eine Rolle: Der künftige Chef-Kontrolleu­r Erhard Schipporei­t – ein ehemaliger Eon-Finanzvors­tand – soll dem Kurs Teriums kritisch gegenüberg­estanden haben. Die Pressemitt­eilung zu Teriums Abschied lässt jedenfalls an Deutlichke­it kaum zu wünschen übrig: Dass Kosten- und Strategied­efizite ausdrückli­ch erwähnt werden, ist in solchen Schreiben ungewöhnli­ch.

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Foto: Ina Fassbender, dpa Innogy Konzernche­f Peter Terium wollte alles anders machen und ist geschei tert.
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