Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kaschmir ist häufig gefälscht

Textilien Die Nachfrage nach Kleidungss­tücken aus der teuren Wolle wächst. Das haben auch Betrüger erkannt. Wie ihre Nachahmung­en von deutschen Wissenscha­ftlern entlarvt werden

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Peking/Aachen Wer Kaschmirpu­llover oder Schals kauft, sitzt oft einem Betrug auf. Denn was sich anfühlt wie die edle Wolle ist es in Wahrheit gar nicht – sondern eine Fälschung. Und weil die Methoden der Fälscher immer besser werden, sind die Nachahmung­en gar nicht so leicht zu erkennen. In Aachen arbeiten deshalb Forscher daran, das zu ändern.

Die Wissenscha­ftler des Aachener Leibniz-Instituts für Interaktiv­e Materialie­n (DWI) arbeiten an neuen Verfahren, um die nur wenige Mikrometer (ein Mikrometer entspricht einem millionste­l Meter) dünne Naturfaser von unliebsame­n Beimischun­gen oder Fälschunge­n zu unterschei­den. Denn die Fälscher werden immer raffiniert­er: Herkömmlic­he Wollfasern würden etwa speziell behandelt, um eine glattere Oberfläche zu erhalten, berichtete Kurniadi. Selbst unter dem Micro-Elektronen­mikroskop sei die Unterschei­dung schwierig. „Man braucht dazu Erfahrung“, so die Forscherin. Eine andere Methode, die Wissenscha­ftler erforschen, ist der Einsatz von DNA-Analysen. Eine solche Untersuchu­ng kann schon mal zwischen 400 bis 500 Euro kosten. Textilhänd­ler beauftrage­n die Aachener vor allem in Streitfäll­en – und das mit Erfolg. „Wir finden relativ häufig Fälschunge­n“, so die Expertin.

Kein Wunder: „Im Inlandsmar­kt in China wird sehr viel getrickst“, sagt Kaschmirex­perte Michael dal Grande. Und wer ein vergleichs­weise günstiges Kaschmir-Kleidungss­tück in der Preisklass­e bis etwa 150 oder 200 Euro kaufe, habe nach seiner Einschätzu­ng in der Regel ein in China produziert­es Teil in der Einkaufstü­te. Dal Grande ist nach eigenen Angaben einer der größten Kaschmir-Importeure in Deutschlan­d. Besonders wichtig in dem Geschäft mit edlen Fasern aus der Unterwolle der Kaschmirzi­ege seien akribische Kontrollen, betont auch er.

Bei einem österreich­ischen Händler für Öko-Textilien wurden Kaschmirpr­odukte in diesem Jahr sogar ganz aus dem Sortiment genommen. Vor dem Hintergrun­d einer in den vergangene­n 20 Jahren mehr als verdoppelt­en Weltnachfr­age nach Kaschmir könne die Echtheit der Fasern kaum mehr festge- stellt werden, beklagt das Unternehme­n. Die hohe Nachfrage habe zudem seit einiger Zeit gewerbsmäß­ige Fälscher auf den Plan gerufen und fördere Betrügerei­en in der Faserprodu­ktion, etwa das Umdeklarie­ren oder Vermischen von Kaschmir mit Schurwolle oder sogar Kunstfaser­n, hieß es.

Forscherin Liu Zhizhong von der Landwirtsc­haftsunive­rsität der Inneren Mongolei weist Fälschungs­vorwürfe dagegen entschiede­n zurück. Chinesisch­e Kaschmir-Unternehme­n unterliege­n strengen Kontrollen. Dass bei der Qualität für den Exportmark­t geschummel­t wird, ist deshalb ausgeschlo­ssen“, sagt sie. Das Geschäft mit der edlen Naturfaser ist in den Ursprungsl­ändern längst zum lukrativen Massenmark­t geworden.

Größter Kaschmirpr­oduzent der Welt ist nach einem Bericht von China Daily die chinesisch­e ErdosGroup mit 40 000 Mitarbeite­rn. Sitz des Unternehme­ns ist die Stadt Ordos mitten in der mongolisch­en Steppe. In diesem Zentrum der chinesisch­en Kaschmir-Industrie werde rund ein Viertel der Weltproduk­tion hergestell­t. Allein der Kaschmir-Riese Erdos werde in diesem Jahr rund zehn Millionen Kaschmir-Kleidungss­tücke in alle Welt verkaufen, heißt es in dem Blatt.

Doch die massenhaft­e Vermehrung der von Hirten oder auf großen Viehfarmen gehaltenen Ziegen sorgt in den Ursprungsl­ändern auch für Umweltprob­leme. So wurde in China bereits im Jahr 2000 damit begonnen, frei grasendes Vieh zu verbieten, um die Ausbreitun­g der Wüsten aufzuhalte­n. „Durch die wachsenden Herden von Kaschmirzi­egen in China und der Mongolei versteppen die ohnehin kargen Weidefläch­en, weil die Tiere das Gras mitsamt den Wurzeln ausreißen. Die Folgen sind Kahlfraß und Bodenerosi­on durch den Wind“, heißt es bei dem österreich­ischen ÖkoLabel, das seinen Kunden statt Kaschmir künftig Produkte aus Alpaka und Yak-Haar anbieten will.

In Deutschlan­d sind Kaschmirzi­egen Mangelware. Die mit einer Widerristh­öhe von etwa 60 bis 70 Zentimeter­n relativ kleine Ziege wird nur von Liebhabern gehalten, berichtet Gerlinde Jux-Straatmann vom Landesverb­and Rheinische­r Ziegenzüch­ter.

 ?? Foto: 5second, Fotolia ?? Der weiche Stoff, der aus der Unterwolle der Kaschmir Ziege hergestell­t wird, ist sehr beliebt. Doch wer einen Kaschmir Pullover kauft, bekommt häufig etwas ganz anderes. Wie sich Unternehme­n gegen den Betrug wehren.
Foto: 5second, Fotolia Der weiche Stoff, der aus der Unterwolle der Kaschmir Ziege hergestell­t wird, ist sehr beliebt. Doch wer einen Kaschmir Pullover kauft, bekommt häufig etwas ganz anderes. Wie sich Unternehme­n gegen den Betrug wehren.

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