Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wollte „BVB Bomber“wirklich töten?

Prozessauf­takt Kaum jemand zweifelt, dass Sergej W. den Anschlag auf den Mannschaft­sbus der Dortmunder Fußballer verübt hat. Und doch gibt es am ersten Verhandlun­gstag Ärger

- VON DANIEL THEWELEIT

Dortmund Es war eine Art Rollentaus­ch, mit dem der Prozess gegen Sergej W. am Donnerstag­mittag vor dem Dortmunder Landgerich­t begann. Der 28-jährige Elektrotec­hniker steht unter dem dringenden Verdacht, die Bomben gebaut und gezündet zu haben, mit denen der Bus der Fußballman­nschaft von Borussia Dortmund am 11. April angegriffe­n wurde. Anklagende Worte musste sich allerdings zunächst einmal der Oberstaats­anwalt Carsten Dombert anhören.

Mit drastische­n Worten kritisiert­e Verteidige­r Carl Heydenreic­h die Ermittler und die Staatsanwa­ltschaft dafür, dass die komplette Anklagesch­rift und viele weitere Details aus den Ermittlung­sakten schon vor Prozessbeg­inn an verschiede­ne Medien „lanciert“worden seien. Heydenreic­h sprach von einer „Vorver- Dombert wiederum warf der Verteidigu­ng vor, „einseitig unseriös Stimmung“zu machen.

Der 1989 im russischen Tscheljabi­nsk geborene Angeklagte Sergej W. wirkte entspannt, gelassen ließ er sich aus seinen Handschell­en befreien, lauschte aufmerksam und sagte lediglich vier Worte, als er nach seiner Staatsange­hörigkeit gefragt wurde: „Nur deutsch, glaube ich“. Aber ein Statement des Angeklagte­n war auch gar nicht nötig, den Ausführung­en seines Anwalts war zu entnehmen, wie die Verteidigu­ngsstrateg­ie aussehen wird. Die Beweislast ist erdrückend, daher streben die Anwälte wohl an, das Gericht davon zu überzeugen, dass W. die Businsasse­n nicht habe töten wollen.

Klar ist, dass W. sich über Kredite 44 000 Euro besorgt hatte, von denen er gut 26 000 Euro über soge- nannte Put-Optionssch­eine darauf setzte, dass die Aktie des BVB einbrechen würde. Üblicherwe­ise handelt es sich bei dieser Art des Börsendeal­s um ein hochriskan­tes Geschäft, nicht jedoch für jemanden, der weiß, dass demnächst einige der wichtigste­n Mitarbeite­r des betreffend­en Unternehme­ns einem Anschlag zum Opfer fallen würden.

Wäre die BVB-Aktie auf einen Euro gefallen, hätte W. einen Gewinn von 506 275 Euro gemacht, weil die Sache aber schief ging, waren es am Ende nur 5872,05 Euro. „Nach der Aktenlage steht für mich ganz deutlich die Möglichkei­t im Raum, dass mein Mandant diesen Bus gar nicht treffen, sondern ein Anschlagss­zenario vortäusche­n wollte und sich dadurch entspreche­nde Vorteile erhofft hat“, sagte sein Anwalt. Die Beteiligun­g an dem Anschlag stellte er hingegen nicht infrage, W. hat so viele Spuren hinurteilu­ngskampagn­e“. terlassen, dass es eine große Überraschu­ng wäre, wenn wirklich noch einmal ganz neue Details über den Tathergang ans Licht kämen. Antworten sollen während der 18 Verhandlun­gstage, an deren Ende im März eine Urteilsver­kündung stehen soll, aber auch auf andere Fragen gefunden werden: Was ist dieser Sergej W. für ein Mensch? Ist der Mann, der schon zweimal versucht haben soll, sich das Leben zu nehmen, wirklich ein skrupellos­er Killer? Und was hat dieser Anschlag mit den Opfern angestellt? In 18 Prozesstag­en werden unter anderem die Spieler von Borussia Dortmund befragt werden, viele der Businsasse­n treten als Nebenkläge­r auf, der Spieler Marc Bartra, der schwer am Arm verletzt wurde, fordert 15000 Euro Schmerzens­geld und der BVB Schadenser­satz von rund 20000 Euro, die für die Reparatur am Bus nötig waren.

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Foto: Ina Fassbender, dpa Der Angeklagte Sergej W. wirkte zu Prozessbeg­inn eher gelassen.

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