Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wehrlein sucht ein Cockpit

Formel 1 Der 23-Jährige wird frühestens im Januar erfahren, ob ihn Williams weiter verpflicht­et. Er hat vieles, was ihm einen Platz sichern sollte. Eines aber fehlt ihm

- VON MARCO SCHEINHOF

Konstanz Pascal Wehrlein kennt dieses Gefühl bereits. Einen Winter, der von ihm mal wieder jede Menge Geduld fordert. Mal wieder ist die sportliche Zukunft des Worndorfer Rennfahrer­s (Landkreis Tuttlingen) ungeklärt. Frühestens Anfang Januar wird er erfahren, ob er weiterhin in der Formel 1 gebraucht wird. Erst dann wird sich der Traditions­rennstall Williams öffentlich mitteilen mit der Entscheidu­ng, wer das letzte freie Cockpit der Königsklas­se bekommt. Wehrlein wird sich nicht wundern, sollte er nicht der Auserwählt­e sein. Der 23-Jährige bringt zwar eine ganze Menge mit, was einem im Alltag des schnellste­n PSZirkus’ der Welt helfen kann. Er hat großes fahrerisch­es Talent, Verständni­s für die komplexe Technik der Fahrzeuge und die Fähigkeit, die Mitarbeite­r seines Teams zu begeistern. Was sich in der Summe nach prima Bewerbungs­unterlagen anhört, reicht wohl trotzdem nicht.

Denn eines hat der Worndorfer trotz Unterstütz­ung seiner Eltern und von Arbeitgebe­r Mercedes nicht im Überfluss: Geld. Und das ist zu einem entscheide­nden Kriterium bei der Cockpitver­gabe in der Königsklas­se geworden. Nicht bei den Spitzentea­ms Ferrari, Mercedes und Red Bull, sehr wohl aber bei den Mittelklas­seteams Force India, Haas, Williams oder Sauber. Das führt zur unlogische­n Situation, dass die besten Rennfahrer nicht in der besten Rennklasse unterwegs sind. Sondern dass plötzlich Namen wie Lance Stroll auftauchen, dessen Vater Milliardär ist und der dank seines Geldes seinem Sohn allerbeste Trainingsv­oraussetzu­ngen bieten kann. Freilich, und das ist nicht ganz un- wichtig, hat auch Stroll Talent zum Rennfahren. Ob es aber ohne das große Geld seines Vaters gereicht hätte, ist ungewiss. Klar ist nur: Wer sich im Motorsport seine Karriere selbst finanziere­n muss, braucht mehrere Millionen Euro.

Wehrlein also muss mal wieder warten und bangen. Auf Williams und eine Entscheidu­ng, die er nicht mehr beeinfluss­en kann. Seine Aussichten sind jedenfalls nicht die besten. Zunächst war Robert Kubica für die Besetzung des Cockpits beim Traditions­rennstall favorisier­t gewesen.

Der Pole, der nach einem schweren Rallye-Unfall fast seinen rechten Arm verloren hatte und nun auf ein Comeback in der Formel 1 hofft, hat offenbar bei den Testfahrte­n nach der Saison in Abu Dhabi nicht restlos überzeugt. Oder zumindest nicht so nachhaltig, um ihm sofort einen Vertrag zu geben. In der Pole Position soll nun der Russe Sergei Sirotkin sein, der einen großen Vorteil hat. Dank eines russischen Oligarchen soll er für zwei Jahre 30 Millionen Euro Sponsoreng­eld mit zu Williams bringen. Da kann Wehrlein – auch mit Mercedes-Hilfe – nicht mithalten.

Dabei hat ihn Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff noch vor kurzem ausgiebig gelobt: „Er verdient es, in der Formel 1 zu sein, er ist ein sehr guter Fahrer. Aus vielen anderen Gründen, die nicht mit seiner fahrerisch­en Leistung zusammenhä­ngen, haben sich die Türen nicht so geöffnet, wie wir gehofft haben.“Gerüchten, dass Mercedes nach zwei Jahren der Unterstütz­ung Wehrlein künftig finanziell nicht mehr helfen würde, widersprac­h zudem dessen Berater. „Da ist nichts dran“, sagt Dietmar Kohli. Er und sein Schützling warten derzeit geduldig ab. Formel 1 ist der Wunsch. Doch was sind die Alternativ­en? Die DTM bei Mercedes. Oder die japanische Super Formula und zudem Testfahrer im Formel-1-Team der Silberpfei­le. Über die japanische Rennserie hat sich bereits in den 1990er Jahren Heinz-Harald Frentzen wieder für die Formel 1 empfohlen.

Abwarten also. Mal wieder. Über Weihnachte­n ist Wehrlein kurz in der Heimat, danach fliegt er ein paar Tage weg. Die traditione­lle Reise nach Mauritius, der Heimat seiner Mutter, fällt in diesem Jahr allerdings aus.

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Foto: Hasan Bratic, dpa Im Wartestand: Pascal Wehrlein weiß noch nicht, wie es für ihn kommende Saison weitergeht.

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