Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kleiner Lord ganz groß
Der Film ist ein Quotenphänomen
Er ist einer der beliebtesten Weihnachtsfilme und in den Augen seiner Fans auch der beste: Seit 35 Jahren läuft „Der kleine Lord“jedes Jahr pünktlich zum Fest im Fernsehen und rührt mit seiner Geschichte über den liebenswerten Cedric und seinen grimmigen, adeligen Opa die Zuschauer zu Tränen. An Weihnachten 1982 hatte er Premiere im deutschen Fernsehen, heute zeigt ihn die ARD um 20.15 Uhr.
Der TV-Klassiker aus England spielt im viktorianischen Zeitalter: Der achtjährige Cedric Errol (Ricky Schroder) lebt mit seiner Mutter in armseligen Verhältnissen in New York. Sein Großvater, der dünkelhafte Earl of Dorincourt (Alec Guinness), war gegen die Heirat seines Sohnes mit Cedrics amerikanischer Mutter und verstieß ihn. Doch nun sind alle Söhne des Earls tot und Cedric sein einziger Erbe – deshalb holt ihn der Alte auf seinen englischen Stammsitz, um aus ihm einen echten Lord mit feinen Manieren zu machen. Cedric bringt mit seinem kindlichen Optimismus frischen Schwung ins Leben des hartherzigen Earl of Dorincourt. Umso größer ist das Entsetzen, als plötzlich eine Frau auftaucht und behauptet, ihr Sohn sei der rechtmäßige Erbe.
„Der kleine Lord“(Originaltitel: „Little Lord Fauntleroy“) wurde 1980 von der BBC als Weihnachtsfilm gedreht. Als Vorlage diente der 1886 geschriebene Jugendroman „Little Lord Fauntleroy“von Frances Hodgson Burnett. Gefilmt wurde unter anderem auf dem englischen Belvoir Castle, das später auch als Kulisse für den Film „The Da Vinci Code“diente.
Warum „Der kleine Lord“so beliebt ist? Wegen der märchenhaften Geschichte rund ums Thema Nächstenliebe. Wegen der Handlung, die in einer englischen Bilderbuchlandschaft spielt und mit einem perfekten Weihnachtsfest endet, bei dem Lieder wie „We Wish You A Merry Christmas“ertönen. Und wegen Hauptdarsteller Alec Guinness: Er erweckt die im Buch etwas stereotype Figur des verbitterten Patriarchen zum Leben. All das macht den Film zum Quotenphänomen: Alle Jahre wieder schauen ihn Millionen Menschen in Deutschland an. 1996 sahen sogar 8,34 Millionen die 20.15-Uhr-Ausstrahlung in der ARD. Danach sicherte sich Sat.1 die Rechte. Seit 2001 ist der Film zurück in der ARD. Was oft vergessen wird: Der Stoff hat eine lange Kinotradition. 1921 spielte Mary Pickford in einer Doppelrolle Cedric und seine Mama. Publikumsliebling Freddie Bartholomew war dann 1936 „Der kleine Lord“. Das BRFernsehen zeigt die selten gesehene Version heute um 23.25 Uhr.
Für die Fernsehsender bietet ein Film wie „Der kleine Lord“eine willkommene „Programmierbarkeit der Gefühle“, wie es die Medienwissenschaftlerin Britta Hartmann von der Universität Bonn ausdrückt. „Der kleine Lord“garantiert also große Gefühle – oder wie es der Spiegel vor fast genau zehn Jahren formulierte: Unausrottbar sei die Lust der Deutschen nach Märchen.