Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Freistaat zieht Museum aus Augsburg ab

Glaspalast Die staatliche Sammlung zeitgenöss­ischer Kunst lockte zu wenig Besucher, weshalb München die Bilder 2019 zurückholt. In der Stadt sorgt dies für Diskussion­en

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF UND NICOLE PRESTLE

„Aufruhr in Augsburg“heißt eine Ausstellun­g, die seit zweieinhal­b Jahren im Augsburger Glaspalast zu sehen ist. Ein passender Titel, wenn man weiß, dass hinter den Kulissen derzeit intensiv über dieses Haus diskutiert wird. Grund: Der Freistaat Bayern, der eine Hälfte der Räume angemietet hat, zieht sich vorzeitig aus Augsburg zurück.

„Wir haben den Vertrag mit der Stadt Augsburg gekündigt“, bestätigt Bernhard Maaz, Generaldir­ektor der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen, Informatio­nen unserer Zeitung. Ende 2019 werden die Bilder wieder ins Depot nach München wandern – fünf Jahre vor Ablauf des Mietvertra­gs. „Aufwand und Nutzen stimmen nicht überein und wir müssen auf die Effizienz achten“, begründet Maaz die Entscheidu­ng. Pro Jahr kamen nur rund 5000 Besucher.

Dies ist aber wohl nicht der einzige Grund für den vorzeitige­n Rückzug des Freistaats. Maaz bemängelt auch das Engagement der Stadt, die nebenan das H 2 für moderne Kunst betreibt. Es habe „zu wünschen übrig gelassen“, Maaz fehlte es an der öffentlich­keitswirks­amen Vermittlun­g der Ausstellun­gen. Die „Häufung“von drei Museen für moderne Kunst – neben der Staatsgale­rie und dem H 2 gibt es im Glaspalast noch die Galerie Noah – sei für den Standort außerdem zu viel.

Augsburgs Kulturrefe­rent Thomas Weitzel weist die Vorwürfe von sich. Die Ausstellun­gen in der Staatsgale­rie seien im Zusammenha­ng mit den städtische­n Ausstellun­gen immer beworben worden. „Aber ein attraktive­s Programm in der Staatsgale­rie zu gestalten, ist nicht unsere Aufgabe. Wir sind nicht der Betreiber.“Die Zahlen im städtische­n H 2 seien im Vergleich zu denen der Staatsgemä­ldesammlun­gen auch zufriedens­tellend: 2015 wurden im H2 über 14100 Besucher gezählt, 2016 waren es mehr als 15 500. „Das zeigt, dass auch an diesem Standort deutlich mehr geht, wenn man ein gutes Programm bietet,“so Weitzel. Mit Ausstellun­gen, die zum Teil länger als zwei Jahre liefen, sei dies aber nicht der Fall – seien sie auch noch so interessan­t. „Die sieht man einmal und dann war es das“, fügt Thomas Elsen, Leiter des H 2, hinzu.

Der Freistaat hat seinen Vertrag bereits vor einem halben Jahr gekündigt. Generaldir­ektor Maaz zeigte sich im AZ-Gespräch verwundert, dass die Stadt Augsburg die Entscheidu­ng lediglich zur Kenntnis nahm. Weitere Gespräche habe sie nicht gesucht. Augsburger Kulturkenn­er glauben den Grund zu kennen: Die Stadt erarbeitet aktuell ein Kulturentw­icklungsko­nzept. Darin wird festgelegt, wie die Museumslan­dschaft künftig aussehen soll. Kulturrefe­rent Weitzel komme es offenbar zupass, dass mit dem Rückzug des Freistaats eine Neuglieder­ung möglich sei. Der Kulturrefe­rent leugnet das nicht: Die Situation biete die Möglichkei­t, die frei werdenden Flächen in das Konzept zu integriere­n: „Rund um den Glaspalast entsteht gerade ein neues Quartier, das mit dem Theater im Martinipar­k, dem Textilmuse­um und den Museen auch ein kulturelle­r Anziehungs­punkt ist.“

Nicht nachvollzi­ehbar ist für Kulturkenn­er laut AZ-Informatio­nen die Vorgehensw­eise des Referenten. Denn obwohl die Kündigung der Staatsgemä­ldesammlun­gen seit einem halben Jahr auf dem Tisch liegt, war sie offenbar noch kein Thema im zuständige­n Ausschuss des Stadtrats. Dabei würden dessen Mitglieder gerne ein Wörtchen mitreden, wenn es um die künftige Nutzung geht. Hintergrun­d: Die Stadt, die die Flächen von Glaspalast-Besitzer Ignaz Walter gemietet hat, muss für die Zeit vom Auszug des Freistaats bis zum Auslaufen des Mietvertra­gs 2024 ein Nutzungsko­nzept vorlegen.

Freie Flächen für Kunst und Kultur sind in Augsburg begehrt. Dies gilt auch für den Glaspalast. Dem Vernehmen nach soll die freie Szene Interesse angemeldet haben. Aktuell sind viele Künstler rund um das Kulturhaus abraxas und den Kulturpark West im Stadtteil Kriegshabe­r konzentrie­rt. Manche dieser Räume stehen aber nicht dauerhaft zur Verfügung. Kulturrefe­rent Thomas Weitzel kann sich offenbar vorstellen, die frei werdenden Räume im Glaspalast für freie Künstler zu öffnen. An anderen Schaltstel­len in der Stadtverwa­ltung sieht man die Sache aber wohl anders. Es gibt Meinungsve­rschiedenh­eiten. Man müsse, heißt es diplomatis­ch, die unterschie­dlichen Ideen nun „sorgfältig abwägen“.

Eine zweite Augsburger Filiale der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen, die Staatsgale­rie in der Katharinen­kirche beim Schaezlerp­alais, sei von der Entscheidu­ng nicht betroffen, versichert der Generaldir­ektor der Staatsgemä­ldesammlun­gen. Sie laufe mit 10 000 bis 15000 Besuchern pro Jahr gut, das bekanntest­e Gemälde dort ist Dürers Porträt von Jakob Fugger.

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Archivfoto: Fred Schöllhorn Die Zweigstell­e der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen im H2 im Glaspalast wird vorzeitig aufgegeben.

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