Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Hier geht es um die Wurst
Unser Essen Lena Zimmermann und Martin Hammerl stehen voll hinter dem, was sie in ihrem Hofladen anbieten. Die meisten Arbeitsschritte erfolgen direkt auf dem Hof. Wie aus Fleisch Leberkäse und Gelbwurst werden / Serie (26)
die Konsistenz von Presssack“, beschreibt Zimmermann diese Sorte.
Saisonunabhängige Dauerbrenner sind jedoch vor allem zwei Wurstarten, die sich ähnlicher sind, als manch einer glauben möchte. Die Rede ist von der Gelbwurst und dem Leberkäse, den es in Gablingen in vielerlei Varianten – mit Käse, Chili, TomateMozzarella und sogar als Weißwurstleberkäse – gibt.
„Darin ist übrigens keine Leber enthalten“, betont Zimmermann und rückt damit einen alten Mythos gerade. Der Name Leberkäse sei wohl eine Abwandlung vom „Laib Brot“, der zum „Laib Käse“und letztlich zum „Leberkäse“wurde.
Stattdessen ähnelt sich die Zutatenliste von Gelbwurst und Leberkäse doch stark und auch der Produktionsprozess beginnt an derselben Stelle: im Kutter. In dieses überdimensionale Küchengerät kommen zunächst durch den Fleischwolf gedrehtes Magerfleisch und geschmacksneutrales Kuttersalz. Das hat eine ganz besondere Auswirkung auf die Fleischmasse, denn es öffnet die Fleischfasern, damit das Eis, das später zugegeben wird, aufgenom- men werden kann. Auf minus drei Grad wird die Masse bei diesem Produktionsschritt heruntergekühlt. Speck und Gewürze werden zugegeben.
Dann dreht sich das Kuttermesser mit 5000 Umdrehungen pro Minute. Die Masse wird hochgekuttert und verändert nicht nur ihre Konsistenz, sondern auch die Temperatur steigt auf bis zu 16 Grad an. Nun hat das Eis seinen großen Auftritt und kühlt die Masse auf etwa fünf Grad herunter. „Eis ist ein Bestandteil von allen Wurstsorten, die aus Brät gefertigt werden“, erklärt Lena Zimmermann. Bevor die Wurst ihre typische Form bekommt, dreht sich das Kuttermesser langsam für drei bis vier Runden. So wird die Luft aus der Masse verdrängt. Im Fachjargon wird diese Fertigung als das „klassische Aufbauverfahren“bezeichnet. Demgegenüber steht das „All-inVerfahren“, das die Metzger in Gablingen nicht anwenden.
Die Gelbwurst wird über die Wurstspritze abgepackt, das Leberkäse-Brät kommt in die dafür vorgesehenen Formen. Die Produktion ist nahezu gleich, nur die Gewürze, die in die Wurstsorten kommen, variieren. In die Gelbwurst kommen Muskat, Salz, Ingwer und Pfeffer. In den Leberkäse kommen Salz, Ingwer, Muskat, Zwiebeln, Knoblauch, Piment und Pfeffer. Den Unterschied zur Gelbwurst macht auch das Pökelsalz, das ins Leberkäse-Brät gehört und für die typische Farbe verantwortlich ist. Alle Gewürze, die zugegeben werden, sind glutenfrei.
Für den guten Geschmack der Wurst ist nicht nur das Produktionsverfahren verantwortlich, es sind auch die Tiere, die für die Produktion verwendet werden. Dieser Arbeitsschritt, der viele Monate vor der Schlachtung und Wurstproduktion beginnt, ist das Metier von Martin Hammerl. Die Ferkel kauft das Duo von einem kleinen Ferkelerzeuger aus Großaitingen. Dort wird Soja selbst hergestellt, es gibt eigene Eber, die Mütter stehen auf Stroh und die Tiere haben mehrere Bereiche, in denen sie sich aufhalten können. Die Zeit der eigenen Mutterschweinhaltung gehört in Gablingen bereits seit Langem der Vergangenheit an. Heute kommen die Schweine mit einem Gewicht zwischen 30 und 35 Kilogramm nach Gablingen. Dann sind die Tiere der Rasse Pietrain mal Hausschwein etwa zwei Monate alt und liegen am liebsten übereinander. „Da bekommt die Bezeichnung als Sauhaufen eine ganz andere Bedeutung“, erklärt Martin Hammerl lachend. Aktuell testet das Paar eine neue Rasse, den Duroc-Schweinen, deren Fleisch mehr intramuskulären Fettanteil hat und innen marmoriert ist.
Gefüttert werden die Tiere mit Mineralfutter, Raps- und Sojakuchen, Winterweizen, Wintergerste und getrockneten Luzernecobs. Wichtig bei der Futterauswahl ist dem Paar vor allem die Regionalität. Entweder bauen die beiden das Futter selbst an oder sie kaufen regional zu. Zudem darf es auf dem Hof von Lena Zimmermanns Mutter Gudrun in Gablingen auch mal etwas langsamer zugehen. 600 Gramm nehmen die Ferkel hier täglich zu – 700 bis 800 Gramm sind in anderen Betrieben hingegen durchaus üblich. Die langsame Zunahme wirkt sich direkt auf die Fleischqualität aus. Das Muskelgewebe kann sich so langsam entwickeln und ist kompakter. Im Alter von neun Monaten haben die Schweine ein Lebendgewicht von 130 Kilogramm und ein Schlachtgewicht von 100 Kilogramm.
Dann wird das ganze Tier verwertet: Ein Gasthof wird beliefert, aus den Knochen wird Suppenfleisch, aus dem Speck die Wurst und aus den Ohren Hundefutter. Von der Idee, die Schlachtung ebenfalls selbst vorzunehmen, wurde dem Paar abgeraten. Martin Hammerl hat zwar einen Schlachtschein, doch noch hören die beiden auf die Ratschläge der anderen und schlachten auswärts. Dabei liegt Hammerl das Tierwohl sehr am Herzen. Die Schweine brauchen eine Wartezeit von etwa drei bis vier Stunden, die sie ruhig in einer Wartebucht verbringen. Wird ein Rind geschlachtet, muss dies direkt vom Hänger in den Schießstand geführt werden. Sonst würde es nur nervös werden. Und auch wenn aktuell keine eigene Schlachterei in Gablingen entstehen wird, so hat das Paar durchaus Pläne für die Zukunft. Ab dem nächsten Jahr wird es eine Mutterkuhherde geben. Diese ergänzt den Viehbestand der 130 Schweine, 75 Rinder, 45 Kälber und 45 Fresser.