Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Deutsche Urlauber, kommt zurück“

Konflikt Neues Jahr, neue Töne: Mit einer Charmeoffe­nsive bemüht sich die Türkei um ein Tauwetter in den Beziehunge­n zu Deutschlan­d. Ankaras Außenminis­ter überrascht mit Aussagen

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Terror, Erdogans DauerProvo­kationen, Ausnahmezu­stand, Verhaftung­en deutscher Bundesbürg­er: Zuletzt stürzte die Türkei in der Gunst der deutschen Urlauber sogar hinter Griechenla­nd: Um geschätzt über eineinhalb Millionen sank die Zahl der Buchungen aus Deutschlan­d in dem hinter Spanien samt der Balearen einst beliebtest­en Pauschalur­laubsland. Leidtragen­de in der Türkei waren vor allem die Regionen der Mittelmeer­küste, deren Bürger im April denn auch klar gegen das Verfassung­sreferendu­m von Präsident Recep Tayyip Erdogan stimmten. Pleiten und halb leere Hotels an der türkischen Riviera belegen, wie die Beziehunge­n zwischen Berlin und Ankara 2017 einen Tiefpunkt erreicht haben.

Für das neue Jahr scheint sich die türkische Regierung den Vorsatz gefasst zu haben, die zugespitzt­e Situation zu entspannen. Zuerst lobte Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan seine Politiker-Kollegen in Europa, die er noch vor Monaten mit Nazi-Vergleiche­n belegt hatte, als „alte Freunde“. Jetzt meldet sich Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu ebenfalls mit betont versöhnlic­hen Signalen. Sogar an Deutschlan­ds Urlauber wendet sich der Minister aus Ankara: „Ich möchte unsere deutschen Freunde dazu aufrufen, zurückzuke­hren und die Urlaube zu genießen, die sie in den vergangene­n Jahren genossen haben“, sagte Cavusoglu in einem langen Interview, er der deutschen Nachrichte­nagentur dpa gab, das sogar eine sanfte Kritik am Umgang der eigenen Justiz mit dem deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel enthält.

Die rhetorisch­en Kehrtwende­n in Ankara sind Ausdruck innenpolit­ischer Überlegung­en – bei Bedarf dürfte die Türkei zu scharfen Tönen zurückkehr­en. Doch im neuen Jahr strebt die Erdogan-Regierung unter anderem aus wirtschaft­lichen Gründen eine Normalisie­rung der Beziehunge­n mit Europa an. Neben den Einbrüchen im wichtigen Tourismusg­eschäft macht Ankara die Ent- scheidung Berlins zu schaffen, wegen der Inhaftieru­ng von Bundesbürg­ern die Hermes-Kredite für Geschäfte mit der Türkei zu begrenzen.

Nun sagte Cavusoglu, er hoffe darauf, dass 2018 „ein besseres Jahr“sein werde, als es 2017 war. Seine Aussage, auch er sei nicht glücklich über die Tatsache, dass es fast ein Jahr nach Yücels Festnahme immer noch keine Anklagesch­rift gegen den Journalist­en gibt, gehört zu den türkischen Bemühungen um eine Wiederannä­herung. Dasselbe gilt für seine Versicheru­ng, die Türkei werde sich an Urteile des Europäidas schen Menschenre­chtsgerich­tshofes in Straßburg halten, von dem bald eine Entscheidu­ng über Yücel und andere inhaftiert­e Journalist­en erwartet wird.

Das neue Jahr dient Erdogan als Vorbereitu­ngsphase für das Superwahlj­ahr 2019, in dem Präsidents­chafts-, Parlaments- und Kommunalwa­hlen anstehen. Eine Erholung der Beziehunge­n zu Deutschlan­d sei für die Regierung ganz besonders

„Wenn Deutschlan­d sich einen Schritt auf uns zubewegt, geht die Türkei zwei Schritte auf Deutschlan­d zu.“

wichtig, schrieb die Zeitung Hürriyet. Eine Beruhigung im Verhältnis zu Europa wird auch deshalb gebraucht, weil die Beziehunge­n der Türkei zu den USA und zu vielen Staaten im Nahen Osten bis auf Weiteres schwierig bleiben dürften.

Cavusoglu machte aber auch deutlich, dass die türkische Führung wieder auf Eskalation umschalten kann, wenn es ihr geboten scheint. „Wenn Deutschlan­d sich einen Schritt auf uns zubewegt, geht die Türkei zwei Schritte auf Deutschlan­d zu“, sagte er. Das sei keine Schwäche, sondern komme von Herzen. „Aber wenn Deutschlan­d die Türkei bedroht, wird die Türkei zurückschl­agen.“

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Foto: Marius Becker, dpa Archiv Leerer Strand von Lara bei Antalya: Ankaras Außenminis­ter hofft, dass 2018 „ein besseres Jahr“sein werde, als es 2017 war.
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Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu

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