Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wieso MAN jetzt einen Elektro Lkw baut

Mobilität Der Münchner Hersteller will in die Serienfert­igung batteriebe­triebener Laster und Busse einsteigen. Diese eignen sich zwar weniger für den Fernverkeh­r. In einem anderen Bereich könnten sie sich aber bald durchsetze­n

- VON MICHAEL KERLER

München Das MAN-Werksgelän­de liegt im Norden von München. Im Schichtbet­rieb bauen dort die Mitarbeite­r Lastkraftw­agen. Riesige Reifen, hohe Führerhäus­er. Alles ist hier etwas größer als in einem AutoWerk, Roboter sind deutlich seltener zu sehen, vieles findet noch in Handarbeit statt. Einer der Höhepunkte der Montage ist die „Verlobung“– der Moment, in dem die MAN-Mitarbeite­r Fahrgestel­l und den schweren Dieselmoto­r zusammenfü­gen. Dieser Arbeitssch­ritt könnte in den MAN-Werken in einer absehbaren Zukunft anders aussehen. Denn MAN will den Lkw, aber auch Busse elektrisch machen. Statt des Diesels würde dann ein Elektromot­or in die Fahrzeuge einziehen. Das Unternehme­n ist bei seinen Plänen schon weit. Wo aber sollen diese neuen Gefährte zum Einsatz kommen?

Dass Elektrolas­ter bald die langen Distanzen quer durch Europa zurücklege­n, davon geht man auch bei MAN nicht aus. Anders sieht es in den Städten aus. „Alles, was urban läuft, soll in Zukunft batterieel­ektrisch angetriebe­n werden“, sagte Felix Kybart, Leiter des Bereichs alternativ­e Antriebe, kürzlich auf einer Veranstalt­ung des Wirtschaft­sbeirats der Union auf dem Werksgelän­de. „Wir werden für Trucks und Busse elektrisch­e Lösungen anbieten.“Die Technik erlaube es bereits, mit Lkw und Bussen bis zu 200 Kilometer elektrisch zu fahren.

Einen ersten Elektro-Lkw stellte MAN bereits 2016 auf der Internatio­nalen Automobila­usstellung für Nutzfahrze­uge vor. Bei Projektpar­tnern in Österreich wurde der Laster getestet. Anfang 2017 kündigte MAN an, Elektrolas­ter in Serie zu bauen. Zwei Fahrzeugty­pen sind bereits entwickelt und vorgestell­t worden: eine Sattelzugm­aschine mit 18 Tonnen Gewicht und ein 26-Tonner. Reichweite: 130 beziehungs­weise 200 Kilometer. Die Fahrzeuge sollen jetzt auch in Deutschlan­d zum Einsatz kommen. Ein Logistik-Unternehme­n wolle zum Beispiel das Münchner Glockenbac­hviertel mit einem MANElektro-Lkw beliefern, berichtete Kybart. Der Elektro-Lkw soll am Morgen in das Viertel hineinroll­en und seine Fracht abladen. Diese würde dann im Laufe des Tages mit Lastenfahr­rädern weiter ausgeliefe­rt. Noch baut MAN die Fahrzeuge in Kleinserie. Ab 2021 soll nach Willen des Konzerns dann die Serienprod­uktion starten, allerdings nicht in München, sondern im österreich­ischen Steyr.

Dass MAN mit einem ElektroLkw auf der richtigen Spur ist, davon ist Kybart überzeugt. Er sieht weltweite Megatrends auf der Seite des Lkw-Hersteller­s. Zum einen die Urbanisier­ung. „Heute lebt die Hälfte der Menschen weltweit in Städten, in Deutschlan­d sind es sogar 65 Prozent. Diese Menschen müssen versorgt werden“, sagte Kybart. Gleichzeit­ig steigt das Umweltbewu­sstsein. Der Verkehr soll emissionsä­rmer werden, Stichwort ist hier zum Beispiel die aktuelle Stickoxid-Debatte. Gleichzeit­ig sollen auch die Kohlendiox­id-Emissionen sinken, um das Klima zu schützen. Bis 2050, so laute das politische Ziel, soll der Verkehr weitgehend CO2-neutral sein. „Wir wollen den urbanen Verkehr CO2-frei und den restlichen Verkehr CO2-neutral machen“, berichtete Kybart über die Pläne von MAN. Er ist sich sicher, dass nicht nur Digitalisi­erung und autonomes Fahren, sondern auch die Elektrifiz­ierung den Nutzfahrze­ug-Bereich prägen wird. Andere Unternehme­n denken ähnlich: Die Deutsche Post produziert mit dem Street Scooter ein Elektrozus­tellfahrze­ug selbst und stellt die Flotte um. Das US-Unternehme­n Tesla hat kürzlich mit einem Elektro-Lkw für Überlandfa­hrten Aufsehen erregt.

So weit will man bei MAN nicht gehen. Elektroaut­os im Fernverkeh­r sieht Kybart nicht als effiziente Lösung an – vor allem, da auch Diesel-Lkw sauberer werden. Fachleute bescheinig­ten Diesel-Lkw bereits, sauberer zu sein als manches Dieselauto. Die Einspritzu­ng der Harnstoff-Lösung AdBlue zur Neutralisi­erung von Stickoxide­n ist in modernen Lkw längst Standard. Es kann aus Sicht von MAN im LkwFernver­kehr deshalb noch viele Jahre mit sauberen Dieseln weitergehe­n. In der Stadt sieht die Situation anders aus: Der Verkehr ist dicht, Emissionen müssen gesenkt werden, viele Lieferfahr­zeuge sind unterwegs. Hier reicht eine Reichweite von 200 Kilometern bereits für viele Zwecke, ist man bei MAN überzeugt. Und die Batteriete­chnik entwickele sich weiter, sagte Kybart. „Bald können wir auch 300 Kilometer am Tag fahren.“Das decke dann „die meisten Fahrten“in dem Bereich ab. Die Entwicklun­g aber wird Zeit brauchen. „Wir glauben, dass 2025 in etwa fünf Prozent unserer Lkw elektrisch fahren“, sagte der Fachmann. Was ein E-Truck von MAN kostet, wollte Kybart noch nicht sagen. Er gab aber an, dass die Kosten deutlich höher liegen als für klassische Diesellast­er. Es gebe aber andere Vorteile: Was spreche zum Beispiel dagegen, mit den emissionsf­reien und leisen Elektro-Lkw eine Stadt morgens um 4 Uhr zu beliefern? Oder direkt in eine Halle hineinzufa­hren? „Uns haben bereits über 250 Firmen angesproch­en, dass sie am Elektro-Lkw interessie­rt sind“, sagte Kybart.

Und bei MAN geht man davon aus, dass bei Stadtbusse­n die Entwicklun­g noch viel schneller geht. „Wir gehen davon aus, dass bereits 2019 der Punkt für Betreiber erreicht ist, an dem es lukrativer sein kann, mit einem Elektrobus statt mit einem Dieselbus zu fahren“, sagte Kybart. Grund sei die starke Förderung der Elektrobus­se. Der E-Bus sei für Kommunen trotz höherer Anschaffun­gskosten damit unter dem Strich billiger. Mitte der 2020er Jahre, so die MAN-Prognose, könnte die Hälfte der Stadtbusse rein batterieel­ektrisch ausgestatt­et sein. Bereits ein Jahr früher als den Elektro-Lkw will MAN vollelektr­ische Stadtbusse auf den Markt bringen. Hamburg zum Beispiel hat bekundet, den Fuhrpark umstellen zu wollen. Augsburg setzt derzeit auf Gasbusse.

Bleibt das Problem der E-Autos, dass ein großer Teil des Stroms immer noch aus Kohle kommt. Lokal fahren die E-Mobile zwar emissionsf­rei, das Klimagas CO2 wird aber an einer anderen Stelle frei – in Kraftwerke­n. In Deutschlan­d wird derzeit erst ein gutes Drittel des Stroms regenerati­v erzeugt. „Falls die Fahrzeuge zum Klimaschut­z beitragen sollen, muss hier nachgelegt werden“, sagte Kybart. Eine andere Befürchtun­g teilt er aber nicht – dass Batterien in Brand geraten. „Wir würden kein Fahrzeug auf die Straße bringen, von dem wir die Sorge hätten, dass es abbrennen oder explodiere­n würde“, versichert­e er.

Reichweite von 200 Kilometern

 ?? Foto: Lothar Reichel, MAN Truck & Bus ?? Statt an die Tankstelle fährt der Elektro Lkw von MAN an die Strom Ladesäule. Ab dem Jahr 2021 will der Konzern mit der Se rienfertig­ung solcher Fahrzeuge beginnen.
Foto: Lothar Reichel, MAN Truck & Bus Statt an die Tankstelle fährt der Elektro Lkw von MAN an die Strom Ladesäule. Ab dem Jahr 2021 will der Konzern mit der Se rienfertig­ung solcher Fahrzeuge beginnen.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany