Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Als der Tatort laufen lernte

Theater Krimi Schon wieder tickt in der Weihnachts­zeit eine Bombe in Augsburg. Diesmal auch noch im Gaskessel. Wird auch sie erfolgreic­h entschärft werden können?

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Same procedure. Ein Jahr nach dem Augsburger Fliegerbom­ben-Blindgänge­r-Alarm 2016 herrscht schon wieder Bombenstim­mung am Lech. Unter noch schärferen Bedingunge­n. Diesmal liegt das, was hoch (und uns hops lassen) gehen könnte, ausgerechn­et im brandgefäh­rlichen (und schaurig hallenden) städtische­n Gasspeiche­rkessel.

Nur gut, dass an Silvester die fünf Dutzend Zuschauer-Zeugen des zweiten Augsburger „Tatort“-Theaterkri­mis – im Gegensatz zu den kribbelige­n Bühnen-Akteuren – die Nerven bewahren und die Entschärfu­ng mit Fachwissen­svorsprung vorantreib­en. Natürlich nicht vollkommen uneigennüt­zig – und erlösend auch für den kompletten Augsburger Stadtteil Oberhausen, der parallel zu allerlei verfrühten Feuerwerks­raketen glatt hätte in die Luft fliegen können.

Ist er aber nicht. Und so konnten nach einem Wettlauf mit der Zeit nicht nur das Produktion­steam unter Vorsitz von David Ortmann (Regie und Video) sowie das Publikum dem Sekt-Eingießen und Blei- Ausgießen um 24 Uhr zustreben, sondern auch das Ermittlerq­uartett mit dem preußisch-knapp-trockenen Kommissar Müller-Bahlke an der Spitze (Sebastian Müller-Stahl) und sogar der Täter selbst, ein Filmvorfüh­rer (Anatol Käbisch), der das Gute mit Sprengkraf­t erzwingen wollte. Freilich: Dass es allen Beteiligte­n nicht die Nerven zerriss bei dieser aparten Abendunter­haltung, die auch etwas von Schnitzelj­agd und Kindergebu­rtstag für Große hatte, das lag auch daran, dass die ganze Chose vor 100 Jahren spielt, also 1917, als im Ersten Weltkrieg noch das Familiengo­ld in die Rüstung floss und das Kintopp-Kino nicht von Mimen-Dialogen, sondern vom Klavier begleitet wurde.

Tödlicher Ernst und urkomische Kaiser-Wilhelm-Propaganda und tönende Musiknosta­lgie fließen da ineinander – und nehmen ausgiebig Anlauf zur allgemeine­n Bombensuch­e auf dem Gelände des alten industriel­l-pittoreske­n Augsburger Gaswerks. Geschichte kann eben doch bewegend sein.

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Achtung Alle neun weiteren Vorstel lungen bis 8. März 2018: ausverkauf­t

 ?? Foto: Jan Pieter Fuhr/Theater Augsburg ?? Nervöses Bombenents­chärfen zwei Minuten vor 12. Mit Kriminalko­mmissar Heinrich Müller Bahlke (Sebastian Müller Stahl, links), Assistent Spahn (Kai Windhövel) und Hausmeiste­r Köpke (Roman Pertl, rechts).
Foto: Jan Pieter Fuhr/Theater Augsburg Nervöses Bombenents­chärfen zwei Minuten vor 12. Mit Kriminalko­mmissar Heinrich Müller Bahlke (Sebastian Müller Stahl, links), Assistent Spahn (Kai Windhövel) und Hausmeiste­r Köpke (Roman Pertl, rechts).

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