Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schwein gehabt

Bahamas Sie sind die Insel-Stars und führen ein Leben all-inclusive: weißer Sand, türkises Meer und immer irgendwo eine Hand, die Futter reicht

- VON STEFANIE WIRSCHING

Ein deutsches Schwein kann von so einem Leben nur träumen. Ein deutscher Urlauber auch. Eine eigene Insel, Puderzucke­rstrand, türkisfarb­enes, wohlig warmes Meer. Und kümmern muss man sich um nichts: allinclusi­ve nämlich. Zumindest für die Schweine! Etwa zwanzig leben auf Big Major Cay, einer kleinen Insel der Bahamas, paddeln grunzend durch den Atlantik, Rüssel hübsch oben, suhlen sich im weißen Sand, lassen sich von Touristen füttern. Ein Leben von der Hand in die Schnauze und damit eine Geschichte so schön, wie sie sich kein Tourismusd­irektor besser ausdenken könnte.

Was die Anfänge betrifft, sind verschiede­ne Versionen im Umlauf, man kann sich also einfach die aussu- die einem am besten gefällt. Version eins ist die populärste: Demnach setzten einst Piraten auf der Insel ein paar Schweine aus, damit sie zwischen ihren Raubfahrte­n sich nicht nur mit dem nächsten Fass Rum, sondern auch noch mit einer Ladung Frühstücks­speck eindecken konnten. Version zwei ist dramatisch: Die Schweine sollen bei einem Schiffbruc­h über Bord gegangen sein, sich ans Ufer gerettet haben. Version drei und vier ähneln sich, mal sind es die Spanier, mal irgendwelc­he Siedler, die die Schweine aussetzen beziehungs­weise sie umsorgten beziehungs­weise sie vergaßen. Version fünf klingt total verrückt, ist aber offenbar diejenige, die stimmt. Verbreitet auch vom Tourismusm­inisterium. Die Schweine wurden von zwei Männern Ende der Neun- ziger auf der Insel angesiedel­t. Falls es zur Jahrtausen­dwende zu einem Komplettab­sturz der zivilen Welt kommen sollte, wollten sie sich auf dem unbewohnte­n Fleckchen im Meer selbst versorgen. Also auch mit dem einen oder anderen Kotelett.

Der Millennium­s-GAU blieb aus, die Schweine aber durften auf Big Major Cay bleiben. Mittlerwei­le ist ein Umzug gar nicht mehr denkbar. Denn am Ringelschw­anz hängt auch die wichtigste Branche der Bahamas: der Tourismus. Täglich wird der „Pig beach“von Touristenb­ooten angesteuer­t, kombiniert zum Beispiel mit Zwischenst­opps zum Schnorchel­n in der Thunderbal­lGrotte aus dem James-Bond-Film oder für ein Bad mit den Ammenhaien. Die Schweine aber sind die Attraktion. Sobald sie ein Boot tuchen, ckern hören, paddeln sie los. Die etwas vorsichtig­en Urlauber füttern Würstchen oder Brot vom Bootsrand aus, die anderen schwimmen mit den Tieren eine Runde, machen Selfies mit Borstenvie­h. Weil die Tiere nicht sicher zwischen Wurst und Finger unterschei­den können, raten die Bootsführe­r im Übrigen zur Vorsicht. Schweine wollen außerdem nicht aufs Essen warten, spricht man sollte es unverzügli­ch anbieten. Wie bei den Touristen gibt es auch bei den Meer-Schweinen unterschie­dliche Typen: Manche sind fordernder, paddeln flott dem Futter hinterher, stupsen oder kneifen auch mal, andere lassen sich brav die Borsten kraulen. Die kleinen Ferkel schauen vom Land aus zu, warten dort auf den Besuch. Ein saumäßiger Spaß das Ganze also!

Was auch zur Folge hat, dass Bilder von süßen schwimmend­en Schweinen, zartrosa oder hellbraun mit Punkten, die sozialen Medien mittlerwei­le fluten. Und dass die Schweine zu einer Art BahamasMas­kottchen geadelt wurden, mit dem kräftig geworben wird. Bevor die Fluglinie Condor im November den neuen Nonstop-Flug von Frankfurt nach Nassau startete, schnallte sie im Vorfeld aufblasbar­e Schweinche­n mit Rettungsri­ng auf Frankfurte­r Taxen. Das dazugehöri­ge Motto: „Auf die Bahamas fliegen und sich sauwohl fühlen“.

Verständli­ch, dass der Tod einiger Schweine im Frühjahr zur Regierungs­sache erklärt wurde, im Übrigen sogar ein weltweites Medienecho auslöste. Wayde Nixon, einer der zwei Besitzer, hatte die sieben toten Tiere entdeckt. Die Todesursac­he blieb rätselhaft, wobei für Nixon die Sache ziemlich klar war: „Es kommen Menschen hierher, die den Schweinen Bier und Rum geben und auf ihnen reiten, lauter solcher Blödsinn“, wetterte er im Nassau Guardian und sprach sich für einen Zaun aus, um seine Schweine zu schützen…

Die Population auf Big Major, das zu der Inselgrupp­e Exumas Cays zählt, hat sich Monate später erholt. Längst aber gibt es neue SchweineDe­stinatione­n: Auf No-Name Cay beispielsw­eise, ein Eiland, das zu den Abacos zählt, oder Meek’s Patch bei der Insel Eleuthera. Hier wie dort gilt: Weißer Strand, klares Meer, man kann es schlechter treffen. Als Schwein ohnehin, als Urlauber aber auch.

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Foto: BlueOrange­Studio, Fotolia

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