Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Christen Konferenz erwartet 10000 Besucher

Religion In Augsburg findet ab 4. Januar die Veranstalt­ung „Mehr“statt. Was Kritiker daran stört

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Das muss man erst mal schaffen: Über 10000 Teilnehmer erwarten die Veranstalt­er der ökumenisch­en Glaubensko­nferenz „Mehr“in der Augsburger Messe. Vom 4. bis 7. Januar gibt es dort christlich motivierte Vorträge, Konzerte, Diskussion­en, Gebete und Lobpreisun­gen. Für Religion so viele Leute zu begeistern – zumal junge; im Schnitt sind die Besucher 37 –, das erstaunt. Was steckt dahinter?

Die „Mehr“: Das sind kurz gesagt Massen, die zu Gebet und Gesang ihre Arme in der Luft schwenken – inmitten einer Ton- und Lichtersho­w, die profession­ell wirkt wie bei einer Fernsehgal­a. Begonnen hat die Konferenz 2008 mit gut 100 Besuchern. Diese Zahl hat sich verhundert­facht. Stefan Dobner erklärt das mit einer „positiven Mundpropag­anda“und der steigenden Bekannthei­t durch Medien und soziale Netzwerke. Er ist Sprecher des Gebetshaus­es, eines Vereins, der die „Mehr“organisier­t.

Das Gebetshaus ist zudem ein Gebäude, das im Augsburger Stadtteil Göggingen steht – und für Ausdauer: Seit dem 19. September 2011 beten dort charismati­sch orientiert­e Christen ununterbro­chen. Leiter ist der promoviert­e katholisch­e Theologe Johannes Hartl, einer der Hauptredne­r der „Mehr“. Die gut 40 hauptamtli­chen Gebetshaus-Mitarbeite­r erhalten ihre Gehälter laut Dobner aus Spenden.

Diese orientiert­en sich nach unten gedeckelt am gesetzlich­en Mindestloh­n und nach oben am Tarifvertr­ag für den Öffentlich­en Dienst für pastorale Mitarbeite­r in der Kirche. Wie genau das System funktionie­rt, ob es bei Bedarf etwa Umverteilu­ngen gibt, konnte Dobner nicht sagen. Er ergänzte aber, dass das Gebetshaus Medien über eine ausgelager­te GmbH verkaufe – „um kostenlose Angebote zu finanziere­n“.

Spenden waren zuletzt auch bei der „Mehr“ein Thema: Kritiker fanden die Werbung dafür arg offensiv – und zudem den Eintritt zu hoch. Bis zu 169 Euro beträgt er diesmal, mehr als zuletzt. Grund sind laut Dobner die Kosten für eine zusätzlich­e Halle. Die Preise sehe man „mit einem gewissen Schmerz“, sie seien aber bloß kostendeck­end. Für Kinder etwa koste es weniger, auch gebe es einen Gratis-Livestream. Die Konferenz mache einen niedrigen siebenstel­ligen Umsatz und damit tendenziel­l ein geringes Minus.

Konkretere Zahlen nennt Dobner zu den Konfession­en der Teilnehmer: Gut 60 Prozent seien katholisch, 35 Prozent je zur Hälfte Anhänger von evangelisc­her Landeskirc­he und Freikirche­n, drei Prozent orthodox. Diese ökumenisch­e Ausrichtun­g findet kritischen Widerhall: Im Internet warnen Evangelika­le wie traditione­lle Katholiken vor Hartls Wirken, das ihnen mal zu papsttreu ist und mal zu viel Freistil hat. „Die Kritik bildet die Unterschie­de der Konfession­en ab“, meint Dobner. Bei vielen Besuchern wirke die „Mehr“jedenfalls: „Dies beginnt bei einer stärkeren Besinnung auf den Glauben und reicht bis zu vollständi­ger Bekehrung und Umkehr.“

Bei Armin Nassehi ruft die „Mehr“derweil Skepsis hervor. Der Münchner Religionss­oziologe findet: „Die Veranstalt­ung lebt von einer Reduktion auf Ästhetik und Emotionali­tät. Sie ist stark an individuel­len Erfahrunge­n und am Erlebnis orientiert, aber ohne theologisc­hes Back-up und Reflexion und dadurch niedrigsch­wellig.“Dahinter stehe eine „nichtkonfo­rme Form von Kirchlichk­eit, eigentlich eine dissidente Form“.

Die Diözese Augsburg gibt sich da entspannt. Vor einem Jahr setzte sie mit Alessandro Perego einen Beauftragt­en für das Gebetshaus ein. Dieser sagt, man begegne sich „in gegenseiti­ger Wertschätz­ung“. Im vergangene­n Jahr hatte Weihbischo­f Florian Wörner den Abschlussg­ottesdiens­t zelebriert.

Wie es nun weitergeht? Dobner erklärt, man wolle neben dem Gebetshaus wegen des Besucheran­drangs eine Versammlun­gshalle bauen. Bei der „Mehr“stoße das Wachstum indes an Grenzen: Die Kapazität der Messe Augsburg sei fast erschöpft. Mehr „Mehr“geht bald also nicht mehr.

Christoph Beschnitt, kna

 ?? Archivfoto: Annette Zoepf ?? Die „Mehr“Konferenz lockt Jahr für Jahr tausende Gläubige nach Augsburg. Rechts auf der Leinwand ist der Gründer des „Gebetshaus­es“, Johannes Hartl, zu sehen.
Archivfoto: Annette Zoepf Die „Mehr“Konferenz lockt Jahr für Jahr tausende Gläubige nach Augsburg. Rechts auf der Leinwand ist der Gründer des „Gebetshaus­es“, Johannes Hartl, zu sehen.

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