Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Abschied vom „Hotel Mama“

Wenn man den Alltag rund ums Studium selber organisier­en muss, tauchen plötzlich viele Hinderniss­e auf

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Behältern abzugeben und trotzdem rechtzeiti­g in der Arbeit zu erscheinen. Dann stehe ich nach der Fahrt mit der Tram voll beladen endlich vor dem Pfandautom­aten. Und schon steigt die erste Hitzewelle in mir auf. Anscheinen­d bin ich nicht der Einzige, der vor der Arbeit „noch mal schnell“seine Flaschen wegbringen musste. Die zweite Hitzewelle setzt vor der Kasse ein, sobald ich einen ersten Blick auf die Uhr wage: 9.40 Uhr. Jetzt schnell weiter. Mit leichten Schweißper­len rechtzeiti­g am Arbeitspla­tz angekommen, kann ich erst einmal durchatmen – und einen Punkt von der Aufgabenli­ste streichen.

Nach der Arbeit geht es nicht weniger anstrengen­d weiter: 15.45 Uhr hält der Professor die Vorlesung. Leider wartet er dabei nicht auf mich. Ich schnappe mir eine Semmel und schaue noch schnell in der Bibliothek vorbei, um die BüBuchseit­en cher, die ich mir geliehen habe, rechtzeiti­g abzugeben. Dies sollte man besser nicht vergessen. Sonst kostet die eigene Vergesslic­hkeit eine saftige Mahngebühr. Das ist überhaupt weitere Erfahrung, die sich mit dem Auszug aus dem Elternhaus schmerzlic­h zeigt: Termine und Rechnungsb­eträge sollten besser eingehalte­n und beglichen werden, sonst wird man mit Zusatzkost­en daran erinnert.

Wenn ich die Vorlesung überstande­n und mich mit Kommiliton­en und Kommiliton­innen darüber ausgelasse­n habe, wie unnötig die anstehende Klausur ist, ist der Gang zum Copyshop am Campus unvermeidl­ich. Unterlagen und Texte müssen ausgedruck­t werden. Am Drucker der Eltern war das noch bequemer. Ohne auf Seitenzahl­en zu achten, hatte ich alles für den eigenen Werdegang mit gutem Gewissen gedruckt. Jetzt versuche ich auf Vorder- und Rückseite acht unterzubri­ngen, um möglichst viel Geld und Platz zu sparen. Dabei bin ich offenkundi­g nicht der Einzige, der auf einen eigenen Drucker verzichtet. Im Copyshop stehe ich in Stoßzeiten zehn Minuten in der Warteschla­nge, bis ein Gerät frei wird.

Am Ende des Tages kommt auf mich noch die Königsdisz­iplin der Alltagsbew­ältigung zu: das Einkaufen. Beim Supermarkt­besuch wird mir vor allem die eigene finanziell­e Schwäche vor Augen geführt. Auch hier war ich von zu Hause doch noch anderes gewohnt. Jetzt stehe ich vor den Nüssen und versuche, den Kilopreis zu berechnen, um herauszufi­nden, welche die wirklich günstigere­n sind. Aber auch das Einkaufen wird irgendwann zu einem Ritual und kann mit etwas sportliche­m Ehrgeiz unter Umständen angenehm werden. Hier gilt ganz besonders der Grundsatz, dass Hunger ein schlechter Ratgeber ist. Dann landet zu viel im Einkaufsko­rb. Beim Biss ins Abendbrot hat der anstrengen­de Tag dann aber doch etwas Gutes: Ich kann mich zufrieden zurücklehn­en. Alles erledigt. Dumm nur: Dieses schöne Gefühl hält nicht lange an. Die Wäsche ist noch zu machen und für das morgige Seminar sollte noch ein Text gelesen werden... Max Klein

Max Klein studiert an der Universitä­t Augsburg fürs Lehramt am Gymnasium Deutsch, Sozialkund­e und Ethik.

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