Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Silvester, 12.30 Uhr: Block B ist abgeschalt­et

Atomaussti­eg Im Kraftwerk Gundremmin­gen ist nur noch Block C in Betrieb. Gegner wollen auch ihn vom Netz haben

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Gundremmin­gen Während sich vor dem Tor die ersten Atomkraftg­egner postieren, laufen im Kernkraftw­erk Gundremmin­gen an diesem Silvestert­ag längst die Vorbereitu­ngen, Block B abzuschalt­en. Seine Leistung liegt um 11.40 Uhr noch bei gut 65 Megawatt, es kommt ein wenig Dampf aus dem Kühlturm. Seit anderthalb Stunden wird die Turbinenwe­lle kalt gefahren, damit sie später nicht durchhängt. Bis zu einem halben Tag wird sie auslaufen. Auf der Warte des Blocks halten sich um die 20 Mitarbeite­r auf, eine rot-weiße Absperrket­te soll (nicht vorhandene) Zuschauer zurückhalt­en. Kurz vor Mittag wird die Trennung des Generators vom Stromnetz durchgesag­t, „es kommt zu Knallgeräu­schen“, wird gewarnt. Denn Bolzen werden mit Druckluft hin und her geschossen, erklärt Pressespre­cher Tobias Schmidt. Der technische Geschäftsf­ührer Michael Trobitz drückt auf den entscheide­nden Knopf, und pünktlich um 12 Uhr steht die Anzeige der Generatorl­eistung auf null Megawatt.

In einer halben Stunde soll auch der Reaktor abgeschalt­et werden. Bis dahin muss die Mannschaft eine Checkliste abarbeiten und Anzeigen kontrollie­ren, ein Trupp geht durch die Anlage und überprüft ihren Zustand. Im Auftrag des bayerische­n Umweltmini­steriums geht auch ein Sachverstä­ndiger des TÜV mit. „Wir wollen dokumentie­ren, dass alles in ordnungsge­mäßem Zustand ist“, sagt Michael Trobitz. Wenn es für Block C an Silvester 2021 so weit ist, soll das jetzige Prozedere auch zur Vorbereitu­ng gedient haben. Festgehalt­en wird, was auf der War- geschieht, von einer Kamera, die Bilder im Zeitraffer macht. Auf einem Pult steht ein Tannenbäum­chen, auf Tischen liegt etwas Obst und Gebäck. Zeit, sich dort zu bedienen, hat aber niemand. Um 12.30 Uhr wird die Reaktor-Abschaltun­g angekündig­t, bevor Block-Leiter Siegfried Offner mit einem Knopfdruck das Sammeleinf­ahren der Steuerstäb­e auslöst. Daraufhin blinken ein paar Anzeigen, und wenig später ist die Anlage in Gundremmin­gen nicht mehr Deutschlan­ds leistungsf­ähigstes Atomkraftw­erk – nur noch Block C ist jetzt in Betrieb.

Nicht nur für Block B und seinen Chef Offner ist das heute der letzte Arbeitstag, sondern auch für Micha- el Trobitz. Er richtet vor seinem Ruhestand noch ein paar Worte an die Mannschaft: „Wir können stolz sein“auf den Betrieb des Blocks in 33 Jahren ohne Störfall, „das kann sich auch internatio­nal sehen lassen.“Er könne mit erhobenem Haupt das Gelände verlassen, es habe ihm immer viel Spaß gemacht. Seinen Kollegen wünscht er viel Erfolg für den Rückbau und für die letzten Betriebsja­hre von Block C, bevor er noch sagt: „Vielen Dank.“Kaum hat er ausgesproc­hen, muss er sich erst einmal sammeln. Der Moment bewegt ihn sichtlich. Nachfolger Heiko Ringel ergänzt, es gelte, nach vorne zu schauen und Block C sicher sowie wirtschaft­lich zu bete treiben. Die Kollegen applaudier­en, und Trobitz sagt noch zum Schluss: „Jetzt geht die Routine weiter.“

Dass es hier weitergeht, gefällt den gut 70 Atomkraftg­egnern der Mahnwache Gundremmin­gen, von Ausgestrah­lt und dem Umweltinst­itut München gar nicht. Sie fordern, dass der Betrieb hier komplett endet, und nicht erst an Silvester 2021. Das zeigen sie vor dem Tor mit Transparen­ten und Worten. Auch ein Zeitungsko­rresponden­t aus Japan ist bei der Kundgebung dabei und sammelt Statements.

Die Abschalt-Forderung haben in den Tagen zuvor ebenfalls die Organisati­on „Internatio­nale Ärzte zur Verhütung des Atomkriege­s“, die Landtagsfr­aktion der bayerische­n SPD und die Grünen erhoben. Die sozialdemo­kratische Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks begrüßte, dass Block B vom Netz geht, denn die Atomkraft sei ein „technologi­scher Irrweg“. Es gebe keine Stromlücke, sondern -überschüss­e, die Stromverso­rgung sei auch sicher, nachdem der Reaktor abgeschalt­et wird. Bei einem Pressegesp­räch kurz vor dem 31. Dezember bezeichnet­e die Landtagsab­geordnete Christine Kamm (Grüne) es als einen reinen Showtermin, an Silvester Block B abzuschalt­en. Parteikoll­ege Maximilian Deisenhofe­r, Mitglied des Günzburger Kreistags und Sprecher des Vorstands des Grünen-Bezirks Schwaben, sorgt sich, dass das Standortzw­ischenlage­r für abgebrannt­e Brenneleme­nte in Gundremmin­gen angesichts einer nach wie vor fehlenden Gesamtlösu­ng zum Endlager werde. Raimund Kamm, Vorsitzend­er der Bürgerinit­iative Forum, ist auch nicht zum Feiern zumute. Trotz seiner Ansicht nach gravierend­er Konstrukti­onsmängel laufe Block C und produziere Atommüll.

Die Mahnwache hatte die bevorstehe­nde Abschaltun­g von Block B schon am Freitag zum Anlass für ein Abschaltfe­st mit Musik, Essen und Getränken im Kariba in Birkenried genommen. Bei der Kundgebung vor dem Tor sagt Thomas Wolf von der Mahnwache nun auf die Frage, wann denn die nächste Party geplant sei, mit einem Lachen: „Im nächsten Jahr zur Abschaltun­g von Block C.“Die Atomkraftg­egner werden weiter dafür kämpfen. Daran lassen sie keine Zweifel. Derweil kommt aus dem Kühlturm von Block B nur noch etwas Restdampf. »Bayern

 ?? Fotos: Tobias Schmidt, KGG ?? Diese Anzeige signalisie­rt, dass die Abschaltun­g des Reaktors von Block B erfolgreic­h gewesen ist.
Fotos: Tobias Schmidt, KGG Diese Anzeige signalisie­rt, dass die Abschaltun­g des Reaktors von Block B erfolgreic­h gewesen ist.
 ?? Fotos: Kirstges ?? Nach der Abschaltun­g steigt noch Restdampf aus dem Kühlturm auf.
Fotos: Kirstges Nach der Abschaltun­g steigt noch Restdampf aus dem Kühlturm auf.
 ??  ?? Schon vor der Abschaltun­g kommt kaum noch Dampf aus dem linken Kühlturm.
Schon vor der Abschaltun­g kommt kaum noch Dampf aus dem linken Kühlturm.
 ??  ?? Atomkraftg­egner demonstrie­ren für die sofortige Abschaltun­g von Block C.
Atomkraftg­egner demonstrie­ren für die sofortige Abschaltun­g von Block C.
 ??  ?? Ernst Feils Sohn Tobias ist als Reaktor fahrer bei der Abschaltun­g dabei.
Ernst Feils Sohn Tobias ist als Reaktor fahrer bei der Abschaltun­g dabei.
 ?? Foto: RWE Archiv ?? Ernst Feil gehörte 1984 zum Team, das Block B in Betrieb nahm.
Foto: RWE Archiv Ernst Feil gehörte 1984 zum Team, das Block B in Betrieb nahm.
 ??  ?? Michael Trobitz, Tobias Feil und Heiko Ringel (von links) auf der Warte.
Michael Trobitz, Tobias Feil und Heiko Ringel (von links) auf der Warte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany