Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Nachbar sagt: Telefonieren, das war einmal…
Die schöne Zeit des Telefons und des Telefonierens ist vorüber. Ich erinnere mich noch gut an die 1950er und 60er Jahre, in denen im „Block“nur eine Familie ein Telefon hatte und man dieses im Notfall benutzen durfte. Ein eigenes Telefon war ein Privileg. Meine Eltern hatten erst Mitte der 1970er Jahre ein eigenes Telefon. Das war die Zeit, als man, wenn es klingelte, ans Telefon eilte und sich meldete: „Hier Maier“oder „Huber“. Meist waren es Verwandte oder Bekannte, die anriefen – auf keinen Fall jemand, der einen mit einem dubiosen Sonderangebot locken wollte. Auch den „Enkel-Telefon-Trick“gab es damals noch nicht. Das war auch die Zeit, als man gern (und absolut zuverlässig) ans Telefon ging, wenn es läutete.
Damals gab es auch noch keinen Anrufbeantworter, der schon ein Stück Unpersönliches ins Spiel brachte. Heutzutage ist Telefonieren zur Plage und Strafe herabgesunken. Immer mehr Ämter – und auch Banken – sind nicht mehr direkt erreichbar. Noch vor einigen Jahren konnte man die Nummer des jeweiligen Sachbearbeiters wählen und diesem persönlich sein Anliegen mitteilen. Auch das ist vorbei. Man landet in einem hauseigenen – oder ausgelagerten – „Callcenter“. Und damit beginnt die Tortur. Wer kennt nicht den Text: „Im Moment sind leider alle unsere Leitungen besetzt. Der nächste freie Mitarbeiter ist gleich für Sie da.“Dazwischen irgendwelche nervige Musik. Und wenn man nach einiger Zeit mit dickem Hals in der Leitung hängt, spätestens dann kommt die Durchsage: „Im Moment ist keine Verbindung möglich, rufen Sie später wieder an!“
Letzte Woche gab ich den Versuch, das Amt zu erreichen, nach mehreren Tagen auf. Auch das private Telefonieren ist nicht mehr das, was es einmal war. Bei Handys wird man so „gut“wie immer auf einen Anrufbeantworter weitergeleitet. Dieser sagt, man solle doch bitte eine SMS schicken. (Ich als Hightech-Neandertaler habe immer noch ein 40 Jahre altes analoges Telefon und kann gar keine SMS verschicken.)
Ein Bekannter, der seit Jahren zu Hause keine Festnetzanrufe mehr beantwortet, sagte mir unlängst, die Zeit, in der man Telefonanrufe tatsächlich beantwortet habe, sei doch längst vorbei. Er empfindet es als Zumutung und Unverschämtheit, zu Hause angerufen zu werden. Er selbst akzeptiere ausschließlich Textnachrichten auf seinem Smartphone. Alles andere sei eine Belästigung. Aber „telefoniert“wird natürlich viel mehr!
Sie können das täglich nachprüfen: Vier Mädchen (oder junge Frauen) steigen in die Straßenbahn ein. Das Allererste, was sie machen, sie holen ihr Smartphone aus der Tasche. Ich bin immer geneigt zu fragen: „Was macht ihr eigentlich mit diesem Ding?“
Karl Valentin jedenfalls hätte eine große Freude an diesen modernen Zeiten …
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An dieser Stelle blickt der Kabarettist Silvano Tuiach für uns auf das Geschehen in Augsburg und der Welt.