Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Tat in Parkstadt: Klinik statt Gefängnis
Justiz Das Gericht erkennt beim 46-Jährigen eine verminderte Steuerungsfähigkeit an und ermöglicht dem Angreifer eine Therapie. Welche Auswirkungen dies auf die Gesamtstrafe hat
Donauwörth/Augsburg Zum ersten Mal seit Prozessbeginn zeigt der Angeklagte Emotionen. Er lächelt, als er kurz Frau und Tochter umarmen darf. Bei seiner Familie fließen Tränen.
Wenige Augenblicke zuvor hat das Schwurgericht in Augsburg das Urteil gegen den 46-Jährigen gesprochen, der im vergangenen Februar in der Donauwörther Parkstadt ausgerastet, auf zwei Polizisten losgegangen und nur durch einen gezielten Schuss in den rechten Oberschenkel zu stoppen war: Vier Jahre und sechs Monate – unter anderem wegen versuchten Totschlags – verkündete die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser. Ins Gefängnis muss der Angreifer aber vorerst nicht mehr.
Denn dass der Verurteilte zur Tatzeit aufgrund eines Alkoholwertes von 2,6 Promille vermindert steuerungsfähig war – darüber waren sich Richter, Staatsanwalt und Verteidiger einig. Der Täter, der seit mehreren Jahren an jedem Wochenende erheblich getrunken hat, habe einen Hang zum Alkohol, auf den die Taten zurückzuführen seien, begründete die Richterin.
Dies sah auch Staatsanwalt Andreas Dobler so: „Die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sind gegeben. Es besteht durchaus Aussicht auf einen Behandlungserfolg.“In seinem Plädoyer hob Dobler noch einmal den Ernst der Lage am Abend des 25. Februar hervor. Der Angreifer habe sich mit vorgehaltenen Waffen – einem Messer und einer halben Meter langen Eisenstange – auf die beiden Polizisten zu bewegt, dazu den Satz geäußert: „Ich bringe dich um.“Selbst ein Warnschuss des Polizeibeamten habe ihn nicht aufgehalten.
Zugunsten des Täters sei aber zu werten, dass dieser bislang nicht straffällig wurde, während des Vorfalls stark alkoholisiert war und selbst am massivsten verletzt wurde. Zudem sei der Schaden an dem Nachbarhaus, das der 46-Jährige mit Pflastersteinen beworfen hatte, gering, so der Staatsanwalt.
Die Ansichten des Verteidigers Florian Engert unterschieden sich von denen des Staatsanwaltes nur geringfügig. „Mein Mandant stammt aus der Mitte der Gesellschaft, hat seit 17 Jahren dieselbe Arbeitsstelle. Vor einiger Zeit begann eine Unart: Er hat am Wochenende getrunken. Daraus resultierte dieser berserkerartige Ausbruch.“Für Engert habe der 46-Jährige eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit gezeigt – „mehrere Zeugen bestätigten einen Tunnelblick, eine Unerreichbarkeit“, sagte der Verteidiger. Mit vier Jahren und vier Monaten lag er nur zwei Monate unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. In seinem Schlusswort entschuldigte sich der Angeklagte für die Tat.
Das Gericht schloss sich letztlich Dobler an: „Es besteht ein Hang zum Alkohol, der weitere Exzesse wahrscheinlich macht. Die Motivation für eine Therapie ist gegeben, da der Beschuldigte selbst einräumte, dass er ohne Alkohol leben möchte“, begründete die Richterin das Urteil. Da der 46-Jährige bereits seit zehn Monaten in Untersuchungshaft sitzt, kann er noch in dieser Woche mit der Therapie beginnen. Der Rest der Strafe wird nach dem Klinikaufenthalt, der auf eineinhalb Jahre angesetzt ist, zur Bewährung ausgesetzt. „Sie alleine haben es in der Hand, Ihre Zukunft zu gestalten“, sagte Rieder-Mitterwieser. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. „Ich bin absolut zufrieden. Mein Mandant bekommt Hilfe statt einer Strafe. Und er wird die Therapie schaffen“, sagte Verteidiger Engert nach der Verhandlung.