Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Arzt kann künftig die Diagnose am Handy stellen

Pilotproje­kt Wie Patienten in Online- oder Telefonspr­echstunden Hilfe bekommen können

- VON MARKUS BÄR

Augsburg Wegen jeder gesundheit­lichen Kleinigkei­t einen Termin beim Arzt ausmachen und in die Praxis hetzen? Das gehört wohl bald der Vergangenh­eit an. In Baden-Württember­g startet ab März ein Modellproj­ekt, bei dem sich gesetzlich Versichert­e aller Kassen ärztlich fernbehand­eln lassen können. Und zwar auch jene, die der betreffend­e Arzt gar nicht kennt. Das ist bislang in allen Bundesländ­ern verboten. Außer eben in Baden-Württember­g, wo die Landesärzt­ekammer die entspreche­nde Berufsordn­ung 2016 geändert hat. Dr. Max Kaplan aus Pfaffenhau­sen im Unterallgä­u, Präsident der bayerische­n Landesärzt­ekammer und Vize-Präsident der Bundesärzt­ekammer, ist sich sicher, dass eine solche Entwicklun­g bald – etwa zum nächsten Jahreswech­sel – auch in Bayern kommt.

Worum geht es genau? Bislang ist es so, dass ein Patient theoretisc­h auch seinen Hausarzt anrufen kann, wenn er ein Problem hat. Weil dieser ihn persönlich kennt. Doch was ist, wenn der Hausarzt beispielsw­eise im Urlaub ist? Dann ist ein direkter Besuch etwa bei einer Vertretung nötig. Bei dem Modellproj­ekt „DocDirect“in Baden-Württember­g wird das in den Modellregi­onen Stuttgart und Tuttlingen ab März überflüssi­g.

Ein Patient, der eine relativ einfache medizinisc­he Fragestell­ung hat – es geht ausdrückli­ch nicht um Notfälle oder komplizier­te Fragestell­ungen –, ruft entweder eine bestimmte Telefonnum­mer an. Oder er lädt sich eine Smartphone-App herunter. Oder öffnet eine bestimmte Website. Dort erhält er Kontakt zu einer medizinisc­hen Fachkraft oder einer Krankensch­wester, die den Fall einschätzt und einen Arzt vermittelt. Dieser ruft entweder zurück. Oder er erscheint via Smartphone-App auf dem Telefon-Bildschirm – oder im Sichtfenst­er am Computerbi­ldschirm. Der Vorteil bei den beiden letztgenan­nten Kontaktfor­men: Man kann dem Arzt beispielsw­eise einen auffällige­n Fleck oder Ähnliches zeigen. Der Fern-Arzt kann Diagnosen stellen, Rezepte versenden und soll künftig sogar krankschre­iben können. „Das Ganze ist nur als Erst- und einleitend­e Therapie gedacht, wenn der eigentlich­e Hausarzt gerade nicht behandeln kann“, sagt Kaplan. „Es ist nicht der Ersatz für das persönlich­e Arzt-Patient-Verhältnis.“Laut Kaplan wird das System den Ärztemange­l nicht beseitigen, die Situation etwa von Klinikambu­lanzen aber entlasten.

Baden-Württember­g hatte die Berufsordn­ung übrigens deshalb geändert, weil viele der Ärzte fernmündli­ch Patienten in der Schweiz versorgen, wo es das System schon seit einigen Jahren gibt. Die Bundesärzt­ekammer werde wohl beim Ärztetag im Mai in Erfurt eine entspreche­nde Bundesrege­lung verabschie­den, die der nächste bayerische Ärztetag im Oktober 2018 für Bayern umsetzen könnte, sagt Kaplan. Danach sei rasch der Weg für eine Realisieru­ng im Freistaat – geplant analog für Privatvers­icherte – frei.

Warum der Hausarzt nicht zu ersetzen ist, lesen Sie im Kommentar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany